SPOX: Herr Wehrlein, Sie fahren mittlerweile ihre dritte Saison in der DTM. Drei Punkte haben Sie im ersten Jahr geholt, 46 im Jahr 2014. Was ist das Ziel für die Saison 2015?
Wehrlein: Dreimal 46. Für den Titelgewinn reicht das zwar dieses Jahr nicht, weil wir deutlich mehr Rennen fahren. Mein Ziel ist aber ganz klar: Viele Rennen gewinnen und an jedem Wochenende wirklich konkurrenzfähig sein. Letztes Jahr gab es davon nur zwei oder drei. Das Paket muss dieses Jahr einfach so gut sein, dass wir immer konkurrenzfähig sind. Die Wintertests waren sehr positiv und auch der Saisonstart lief gut für uns. Wir haben eindeutig einen Schritt nach vorne gemacht und sind besser als letztes Jahr.
SPOX: Gehen Sie in dieser Saison anders an das Wochenende heran, weil am Samstag und am Sonntag je ein Rennen gefahren wird?
Wehrlein: Einige Leute dachten, wir würden am Samstag vorsichtiger fahren, damit wir unser Auto nicht kaputt machen. Dass dies nicht der Fall ist, hat das erste Samstagsrennen gezeigt, wo es doch ziemlich hart zur Sache ging. Im Rennen treten aber nun einmal so viele Situationen ein, dass man das gar nicht beeinflussen kann. Als Rennfahrer versuche ich immer das Maximum herauszuholen - egal ob im Simulator oder auf der echten Strecke. Die Herangehensweise ist ganz klar: Ich versuche, so viele Punkte zu sammeln und so weit vorne zu stehen wie möglich. Ich bin hier, um zu siegen.
SPOX: Haben Sie eine Lieblingsstrecke?
Wehrlein: Es gibt welche, die man mehr oder weniger mag. Das hängt aber oft damit zusammen, wie erfolgreich ich auf der Strecke war und wie schnell ich gerade bin. Der Lausitzring war zum Beispiel nie meine Lieblingsstrecke. Jetzt gefällt sie mir aber, weil ich in der Saison 2014 dort gewonnen habe. Es gibt schon Kurse, auf denen man sich wohler fühlt. Da kommt es dann auch aufs Auto an: Uns lagen manche mehr als andere. Da fahre ich dann viel lieber als dort, wo ich weiß: 'Dieses Wochenende werde ich nicht um den Sieg kämpfen.' Letztes Jahr wussten wir am Norisring und am Lausitzring, dass wir erfolgreich sein können. Allein dadurch freue ich mich dann extrem auf das Wochenende.
SPOX: Das Jahr 2014 war für Sie außergewöhnlich. Im Januar saßen Sie erstmals im Simulator des Formel-1-Teams in Brackley, probierten danach als Race-Support die Setups für Lewis Hamilton und Nico Rosberg aus. Wie lief das ab?
Wehrlein: Ich bin immer parallel zum 1. und 2. Freien Training gefahren. Je nach Zeitverschiebung war das teilweise tagsüber, bei einigen Rennen haben wir aber auch erst um 18 Uhr angefangen und sind bis um 4 Uhr in der Nacht gefahren. Diese Rennen waren sehr anstrengend. Man wird müde, der Simulator ist ein komplett dunkler und total ruhiger Raum. Man fährt immer nur gegen seine eigene Zeit. Das macht es schwer, immer wach und konzentriert zu bleiben. Da hilft nur Kaffee.
SPOX: Viele stellen sich so einen Simulator als vergrößerte Playstation vor. Kam Ihnen in Ihrer Rolle als Testfahrer das Spielen auf der Konsole zugute?
Wehrlein: Schwierig zu sagen. Ich habe als Kind den ganzen Tag Formel 1 gespielt und den Ton immer voll aufgedreht. Meine Eltern haben sehr, sehr oft gesagt, dass ich die Playstation ausmachen soll. Ich kann mir schon vorstellen, dass es sie irgendwann genervt hat. Zum Simulator: Am Anfang ist es wohl ein kleiner Vorteil, wenn man viel Playstation gespielt hat. Aber am Ende ist ein Computerspiel im Vergleich zum Simulator dann doch ziemlich unrealistisch.
SPOX: Im September sind Sie zum ersten Mal mit einem echten Formel-1-Auto und im November dann gleich in Abu Dhabi die Testfahrten nach dem Saisonfinale gefahren. Waren Sie nervös vor dem ersten Mal... im Formel-1-Auto?
Wehrlein: (lacht) Bei beiden Malen nicht. Im Ernst: Ich dachte, ich würde sehr aufgeregt sein. Ich habe schließlich mein ganzes Leben lang von dem Moment geträumt. Ich war selbst überrascht: Als ich um 9 Uhr losfahren durfte, war ich ganz ruhig. Ich denke, das liegt an der guten Vorbereitung, die ich im Simulator hatte. Das ganze Auto war mir vertraut.
SPOX: Es gab also keine Eingewöhnungsprobleme?
Wehrlein: Nein. Ich wusste auswendig, was ich mit welchem Knopf machen muss, wie die Prozeduren sind. Für mich war nichts neu. Ich musste mich einfach reinsetzen und das Auto so schnell wie möglich um die Strecke bewegen. Alles andere kannte ich schon. Damit ist ein wichtiges Ziel in meinem Leben schon abgehakt: Formel 1 fahren zu dürfen - vor allem für Mercedes. Früher war ich McLaren-Mercedes und Mika-Häkkinen-Fan.
SPOX: Sie sind 1994 geboren. Die meisten Deutschen haben in den Folgejahren eher Michael Schumacher unterstützt.
Wehrlein: Mein Vater ist Mercedes-Fan und ich damit auch. Meine Familie ist damals schon Mercedes gefahren. Deshalb wurde die Marke auch für mich eine Leidenschaft.
SPOX: Vor der Saison 2015 sollten Sie sich bei den Wintertests in Barcelona eigentlich bei Force India beweisen. Nach der Mittagspause haben Sie dann aber plötzlich doch wieder im Werks-Mercedes Platz genommen. Den Luxus, zwei Autos direkt vergleichen zu können, bekommt sonst kein Fahrer.
Wehrlein: Das kam sehr überraschend. Es war gar nicht geplant, dass ich für Mercedes fahre. Aber weil es Lewis an dem Tag schlecht ging, durfte ich einspringen, was sehr interessant war. Ich konnte nicht nur die Autos, sondern auch die Teams und ihre Arbeitsweisen vergleichen: Wie die Ingenieure arbeiten, Probleme angehen oder das Testprogramm angelegt ist.
SPOX: Agieren Hamilton und Rosberg als Mentoren für Sie?
Wehrlein: Nein, gar nicht. Ich bespreche Alles mit den Ingenieuren in den Meetings. Aber es gibt Situationen, in denen ich Nico und Lewis frage, wie ihr Gefühl ist. Ob sich das Auto bei ihnen ähnlich angefühlt hat und was ich dagegen machen kann.
SPOX: Sie haben nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass es Ihr Ziel ist, selbst in der Formel 1 zu starten. Gibt es einen Termin, bis zu dem Sie den Aufstieg geschafft haben wollen?
Wehrlein: Mein Ziel ist auf jeden Fall, eines Tages den DTM-Titel zu holen. Wann, ob und wie der Zeitpunkt kommt, in die Formel 1 zu wechseln - darüber mache ich mir keine Gedanken. Ich habe das nicht in der Hand. Ich versuche dem Formel-1-Team so viel wie möglich zu helfen: Ich gebe bei den Tests mein bestmögliches Feedback und fahre die schnellstmöglichen Rundenzeiten. Am Ende werde ich aber an meinen Leistungen in der DTM gemessen. Ich muss in der DTM beweisen, dass ich es kann.
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