Der Unvollendete

Von Sebastian Schuch
John Watson gewann fünf Rennen in der Formel 1
© getty
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Sein Debüt in der Königsklasse musste Watson verschieben. 1974 war es dann soweit und bis zur Seuchensaison 1977 hatte er auch seinen ersten Sieg in der Tasche. Im Folgejahr wurde Niki Lauda zum ersten Mal sein Teamkollege. "Ende 1977 sagte mir Bernie, dass Niki zu Brabham wechseln möchte und fragte, was ich davon halte. Ich sagte, dass ich kein Problem damit habe, solange wir gleich behandelt werden."

Als frisch gebackener zweimaliger Weltmeister standen dem Österreicher alle Türen offen, doch er wollte zu Brabham. Welche Rolle dabei Watsons Hilfe bei Laudas schwerem Unfall 1976 auf dem Nürburgring spielte, ist allerdings nicht überliefert.

Für Watson war es eine ganz neue Erfahrung. "Lauda war wahrscheinlich mein erster wirklich taffer Teamkollege", erinnerte sich Watson. Lauda war der größere Politiker der beiden Fahrer und so gelang es ihm, das Team etwas mehr auf seine Seite zu ziehen. Für John eine wichtige Erfahrung.

Dennoch hatten beide fast ein freundschaftliches Verhältnis. "Nichtsdestotrotz kamen wir sehr gut miteinander aus und haben viel gelacht."

Good Boy im Bad Boy Business

Gegen Mitte der Saison 1978 besiegelte Watson dann selbst sein Aus bei Brabham. Auf die Frage seines damaligen Teamchefs Bernie Ecclestones, ob er Lauda den Sieg überlassen würde, um dessen Titelchance zu wahren, lautete die Antwort: "Nein, Bernie, das kann ich nicht machen." Diese Ehrlichkeit wurde ihm zum Verhängnis. Schon zu Formel-2-Zeiten zeigte sich Watsons etwas naive Einstellung. "Ich war schon immer schüchtern und bescheiden, aber ich habe Techniken entwickelt, um das zu überspielen."

In eine ähnliche Kerbe schlug auch Sir Jackie Stewart, der stets über Watson geschmunzelt hat: "Eigentlich ist Watson ein viel zu lieber Kerl um zu gewinnen." Aussagen wie diese und Watsons Pech mit dem Material führten dazu, dass er die meiste Zeit nicht die Aufmerksamkeit bekam, die er verdient gehabt hatte.

Erst mit dem Jahr 1982 änderte sich das zumindest teilweise. Auf die Frage, was er geändert habe, antwortete Watson: "Eigentlich nichts, ich fahre wie immer. Höchstens mit mehr Selbstvertrauen."

Ein Rekord für die Ewigkeit

Wiedervereint mit Lauda kämpfte Watson bis zum letzten Rennen um den Titel. Mit zwei Siegen und 39 Punkten seine erfolgreichste Saison. Doch für den großen Wurf sollte es nicht reichen.

Mitte der Saison gelang Watson bereits eine Aufholjagd, die ihm keiner zugetraut hätte. Beim Großen Preis von Detroit fuhr der Nordire von Startposition 17 zum Sieg. Am Ende hatte er über 15 Sekunden Vorsprung auf den Zweitplatzierten.

Beim finalen Rennen in Las Vegas war die Konstellation denkbar einfach: Watson musste gewinnen und Keke Rosberg durfte nicht in die Punkte fahren. "Es war so, dass ich nur Zweiter wurde - bis heute wissen wir nicht, warum Michele Alboreto an diesem Tag so schnell war - und Keke wurde Fünfter. Ich habe mein Bestes gegeben, aber es hat einfach nicht gereicht."

Im insgesamt weniger erfolgreichen Folgejahr gelang ihm eine bis heute unerreichte Aufholjagd. In Long Beach bekamen weder er noch Lauda die Reifen im Qualifying auf Betriebstemperatur. Mit den Startpositionen 22 und 23 schien das Wochenende gelaufen. "Als wir im Rennen die Gummis in das Temperaturfenster bekamen, fuhren wir im Tandem nach vorne. Niki voraus und ich klebte ihm am Getriebe. Am Ende der Geraden habe ich ihn mir geschnappt. Es gefiel ihm nicht, gewehrt hat er sich aber auch nicht und ich war auf und davon", erinnert sich Watson an seinen größten Triumph. Am Ende gab es nur einen Nicht-McLaren-Piloten, der bei dem Doppelsieg nicht überrundet wurde!

Unrühmlicher Abschied

Trotz famoser Rennen wie in Detroit und Long Beach stand John nach der Saison 1983 nicht zum ersten Mal ohne Vertrag da. Also kam es zum Poker mit Ron Dennis. Beide wussten, was sie aneinander hatten und Watson die Argumente auf seiner Seite. Nachgeben wollte allerdings weder der Eine noch der Andere. Es ging so weit, dass Lauda Watson anbot: "Den Betrag, der fehlt, geb ich Dir: nun unterschreib!"

Wahrscheinlich hätte Watsons Sturheit sogar zum Erfolg geführt, doch das Glück der Iren war ihm erneut nicht wohl gesonnen. Prosts Affäre mit der Frau des Renault-Entwicklungsleiters flog auf und der junge Franzose war plötzlich verfügbar. Das Schicksal spielte wie so oft gegen Watson und seine Formel-1-Karriere fand ein jähes, unrühmliches Ende.

Das Timing seines Karriereendes hätte dabei nicht schlechter sein können. McLaren fuhr die Konkurrenz in Grund und Boden. Zwölf von 16 Rennen gewann der Rennstall aus Woking, Lauda holte seinen dritten WM-Titel. Dennoch nahm es Watson wie ein Sportsmann. "Ich war nicht verbittert. Ich war 37 Jahre alt und hatte zehn Jahre in der Formel 1."

Für ein Rennen kehrte er dann aber doch noch einmal zurück. Aus Verbundenheit zu Niki Lauda übernahm er dessen Platz beim Europa-GP 1985 in Brands Hatch. Lauda hatte sich beim vorherigen Rennen in Spa am Handgelenk verletzt und durfte nicht starten. Bei seinem Kurz-Comeback ließ John noch einmal sein ganzes Können aufblitzen und verpasste nach einer abermals famosen Aufholjagd als Siebter die Punkteränge nur um eine Sekunde.

Neuer Beruf gleiche Entwicklung

Im Anschluss an seine aktive Rennfahrer-Karriere blieb Watson dem Motorsport erhalten. Unweit der Rennstrecke von Silverstone betrieb er eine Rennfahrer-Schule und einen eigenen Rundkurs. Von 1990 bis 1996 kommentierte er, damals noch auf Eurosport, als Experte die Formel 1. Im Folgejahr für den Privatsender ESPN.

Dabei machte er die gleiche Entwicklung durch, wie noch zu Rennfahrerzeiten. Am treffendsten wird sie wohl von der österreichischen Kommentatoren-Legende Heinz Prüller beschrieben: "Am meisten gesteigert finden alle, hat sich John Watson bei Eurosport. Anfangs total trocken, jetzt immer leidenschaftlicher, ein echter Profi geworden. Das ist kein Ex-Rennfahrer mehr, der jetzt plaudert, sondern ein echter TV-Supermann, der zufällig mal früher Rennen gefahren ist."

Deshalb hält er sich bis heute als Experte in den Rennsportübertragungen dieser Welt. Allerdings nicht mehr in der Königsklasse des Motorsports.

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