Red Bull und Verstappen präsentieren sich weltmeisterlich
Zwei Wochen ist es her, da hagelte es für Max Verstappen beim Großen Preis von Aserbaidschan einen Nackenschlag. Wenige Runden vor dem Überschreiten der Zielflagge platzte dem Niederländer das linke Hinterrad. Die Folge: Ein Abflug mit über 300 km/h und der Verlust eines sicher geglaubten Sieges. Doch nicht nur die verpassten 25 WM-Punkte dürften den Niederländer geschmerzt haben, sondern vor allem der Ort, an dem es passierte.
Baku gilt wegen seines Stadtkurs-Layouts seit jeher als starke Red-Bull-Strecke, hinzu kommt, dass der 2021er Honda-Motor noch einmal ordentlich mehr PS zur Verfügung hat. Ein Sieg war auf Seiten Red Bulls also quasi schon eingeplant, um die Strecken, auf denen man weniger zu glänzen droht, quasi präventiv auszugleichen.
Der Circuit Paul Ricard ist unter anderem so ein Kurs. Seit der erstmaligen Wiederaustragung 2018 siegte (abgesehen vom Corona-bedingten Ausfall 2020) zwei Mal Lewis Hamilton. Vor allem wegen der langen, schnellen Kurven gilt der Kurs als Mercedes-Hochburg. Umso höher ist daher der Sieg von Max Verstappen am Sonntag einzuordnen. Dabei muss man jedoch nicht nur die im Vergleich zu den Vorjahren stark verbesserte Performance des RB16Bs thematisieren, auch die individuelle Leistung Verstappens sowie eine von der Strategie-Abteilung perfekt ausgeklügelte Taktik verhalfen zum unerwarteten Erfolg.
"Strategisch" sei "Red Bull heute besser gewesen im Rennen", meinte RB-Teamchef Christian Horner. Die Strategie seiner Truppe, Verstappen zunächst via Undercut an Hamilton vorbeizulotsen und später auf eine Zwei-Stopp-Strategie zu gehen, um dem vorschreitenden Reifenverschleiß vorzubeugen, stellte sich als genau richtig heraus. Dem stimmte auch der Teamchef von Konkurrent Mercedes Toto Wolff zu. "Unsere Performance war gut. Ich denke, wir hatten das schnellere Auto heute." Das Rennen habe Mercedes beim Boxenstopp verloren. "Wir haben gedacht, wir hätten genügend Abstand gegen den Undercut, dem war aber nicht so."
Red Bull adaptiert Strategie während des Rennens
Es ist nicht das erste Mal, dass Mercedes in dieser Saison auf taktischer Ebene nicht gut aussieht. Schon in Monaco kosteten fragwürdige Entscheidungen am Kommandostand Lewis Hamilton wichtige WM-Punkte, nun folgte der nächste Fauxpas. Vom souverän dominierenden Team der letzten Saisons ist man so etwas nicht gewohnt.
Auf der anderen Seite präsentiert sich Red Bull in dieser Hinsicht in Topform. Berücksichtigt man, dass eine Zwei-Stopp-Strategie nicht zum ursprünglichen Plan der Österreicher gehörte und man lediglich auf die äußeren Umstände sowie den direkten Gegner reagiert hat, erscheint das Ergebnis beim Frankreich GP gar noch beeindruckender.
"Wir haben gut zehn Runden nach seinem (Verstappens; Anm.d.Red.) Stopp, also so rund um Runde 28, zu diskutieren begonnen. Max wurde von hinten gejagt und konnte seine Reifen nicht managen", erklärte Horner nach Rennende die Vorgehensweise. Weil die Mercedes so viel Druck ausübten, dachte man sich bei Red Bull schon, dass Hamilton und Bottas auf zwei Stopps setzen würden. "Das Feedback vom Auto war dementsprechend, dass er nicht dachte, bis zum Ende durchfahren zu können. Unser Stratege hat mir daher alle Optionen vorgelegt und wir dachten, wir haben nichts zu verlieren", sagte Horner.
Genau das ist es, was ein Team braucht, will es einen so starken und oft fehlerlosen Konkurrenten wie Mercedes besiegen. Denn neben einem Max Verstappen, der sich wohl in der Form seines Lebens befindet und unaufhaltsam scheint, sowie einem Boliden, der das Zeug hat ganz vorne mitzukämpfen, entscheiden im WM-Kampf allzu oft strategische und taktische Kleinigkeiten - das zeigte beispielsweise Ferrari in den Jahren 2017 und 2018.
Red Bull zeigt aktuell, dass man hier dazu gelernt hat. Nicht umsonst ist der Fight um den Titel so eng wie seit einer Ewigkeit nicht mehr.