Formel 1 - Erkenntnisse zum Österreich-GP: Red Bull ist im Renntempo chancenlos gegen Ferrari

Christian Guinin
11. Juli 202210:21
Max Verstappen (r.) konnte mit dem Ferrari-Tempo nicht mitgehen.getty
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Während Mick Schumacher beim Großen Preis von Österreich erneut in die Punkteränge fährt und endlich in der Formel 1 angekommen scheint, muss der WM-Führende Max Verstappen dem hohen Reifenverschleiß seines Red Bulls Tribut zollen. Die FIA ist zudem in der Fan-Thematik zum Handeln aufgefordert. Die Erkenntnisse zum Österreich-GP.

1. Schumacher gewinnt in Spielberg mehr als nur Punkte

Zum zweiten Mal in Folge hat Mick Schumacher in einem Formel-1-Rennen Punkte eingefahren. Nach seiner Premiere am vergangenen Wochenende in Silverstone landete der 23-Jährige auch beim Österreich-GP in den Top Ten und durfte sich über die WM-Zähler fünf bis zwölf freuen.

"Ich glaube, dass wir rundum zufrieden sind mit dem heutigen Tag", freute sich der Deutsche nach der Zieleinfahrt bei Sky. "Mit der Performance, die wir im Augenblick haben, gibt es hoffentlich in der Zukunft noch weitere Rennen, in denen wir so viele Punkte sammeln können."

Im Gegensatz zur Vorwoche, wo Schumacher zwar ein nicht weniger starkes, jedoch deutlich unauffälligeres Rennen ablieferte, punktete der Haas-Pilot dieses Mal auch mit sehenswerten Zweikämpfen. Teamkollege Kevin Magnussen bekam die Bissigkeit des Deutschen ebenso zu spüren wie McLaren-Fahrer Lando Norris oder der siebenmalige Weltmeister Lewis Hamilton (Mercedes).

Die Qualitäten, die ihn schon zu Formel-2-Zeiten zu einem der stärksten Piloten machten, scheinen nun endlich auch ihren Weg in die Königsklasse des Motorsports gefunden zu haben. "Jeder ist menschlich. Jeder macht Fehler. Jeder steht unter Druck. Und manchmal unterlaufen dir dann Fehler. Das ist wichtig für mich zu wissen. Dass ich keine Angst haben muss, mit irgendwem zu kämpfen", meinte er über seine teils sehr sehenswerten Rad-an-Rad-Duelle.

Mick Schumacher feierte beim Großen Preis von Österreich sein nächstes Top-Ten-Ergebnis.imago images

Schumacher: "Als Sportler brauchst du den Druck"

Der Druck, welcher sich in den vergangenen Monaten aufgrund der ausbleibenden Ergebnisse beim 23-Jährigen angestaut hatte, scheint durch den Erfolg in Großbritannien tatsächlich abgefallen sein. Sowohl auf der Strecke als auch abseits davon - in Interviews oder Presserunden - merkt man Schumacher die neu gewonnene Lockerheit und Erleichterung an. Das scheint nun sportliche Kräfte freizusetzen.

Dabei sei vor allem das Wissen, dass er eigentlich die nötige Qualität dafür hat, quälend gewesen. "Als Sportler brauchst du den Druck. Das spornt dich an, das macht dich schnell. Das hat es auf gewisse Weise gemacht." Ihm selbst habe bis Silverstone lediglich die Bestätigung auf der Rennstrecke gefehlt. Oder wie es Schumacher selbst formuliert: "In die Punkte zu fahren, das habe ich gebraucht."

Das wiederholte Punkte-Ergebnis ist Schumacher aber nicht nur als persönlicher Baustein für künftige Rennen dienlich. Auch das Vertrauen des Teams in den Deutschen wird dadurch automatisch gesteigert. Wurde an vergangenen Wochenenden vielleicht Magnussen aufgrund der bislang besseren Overall-Performance in Sachen Strategie und Track-Positioning bevorzugt, weiß Haas nun endlich um Schumachers Qualitäten und wird das bei künftigen GPs berücksichtigen.

2. Red Bull ist im Renntempo chancenlos gegen Ferrari

Nach Max Verstappens souveränem Start-Ziel-Sieg im Sprintrennen galt der Niederländer auch für das Sonntags-Rennen als der Mann, den es zu schlagen gilt. Letztlich hatte der Red-Bull-Pilot beim Heimrennen seines Rennstalls aber zu keinem Zeitpunkt eine realistische Chance auf den Sieg - zu stark präsentierten sich WM-Rivale Charles Leclerc und Ferrari.

Die Art und Weise der Niederlage stimmte selbst die Red-Bull-Verantwortlichen nachdenklich. "Nach der eigentlichen Überlegenheit am Freitag und Samstag kam das jetzt überraschend", meinte Motorsportchef Helmut Marko. Vor allem der extreme Reifenverschleiß machte den Bullen zu schaffen. Wo Ferrari quasi das gesamte Rennen pushen konnte, musste Verstappen auf seine Pneus achten.

"Wir hatten einfach einen zu großen Reifenverschleiß, und das auf jedem Reifen", analysierte der Niederländer nach dem Rennen. "Damit habe ich nicht gerechnet, aber so ist das manchmal. Es ist wichtig, dass wir jetzt alles analysieren." Marko stimmte zu: "Wir waren mit den ersten drei Reifensätzen einen derartigen Abbau ausgesetzt, dass wir uns das nicht erklären können."

Dementsprechend waren auch keine taktischen Manöver möglich. Nachdem Leclerc in Runde zwölf an Verstappen vorbei ging, entschied sich Red Bull richtigerweise für den umgehenden Wechsel auf harte Reifen. Doch Ferrari schluckte den Köder nicht, blieb draußen und zog - dank eines guten Reifenmanagements - den ersten Stint nach hinten. Die alternative Strategie brachte Verstappen aber herzlich wenig. Denn auch auf dem harten Reifen waren die Scuderia-Piloten deutlich schneller.

Max Verstappen (r.) konnte mit dem Ferrari-Tempo nicht mitgehen.getty

Verstappen: "Verschleiß war zu hoch"

"Es war einfach ein schwieriger Tag", lautete Verstappens Schlussfazit. "Ich habe von Beginn an gemerkt, dass wir Probleme mit den Reifen haben und das hat sich dann durch das gesamte Rennen durchgezogen. Der Verschleiß war einfach zu hoch, um Charles zu attackieren."

Unter den gegebenen Umständen ist das Wochenende für Verstappen und Red Bull dennoch zufriedenstellend verlaufen. In der WM-Wertung verlor man lediglich fünf Zähler auf Leclerc, der Abstand beträgt nach wie vor komfortable 38 Punkte. "An einem schlechten Tag immer noch Zweiter zu werden, ist gut. Die Schadensbegrenzung ist im Rahmen geblieben", meinte der WM-Führende.

3. Problem-Fans müssen drastisch bestraft werden

Das Interesse an der Formel 1 ist groß wie nie. Nach zwei Jahren Corona-Pandemie platzen die Besucherbereiche der einzelnen Rennstätten aus den Nähten, Woche für Woche werden ausverkaufte Tribünen und Zuschauerrekorde vermeldet. Eine eigentlich positive Entwicklung, die nun von mehreren Zwischenfällen überschattet wurde.

So gab es bereits am vergangenen Wochenende Fans, die es mit der sportlichen Fairness nicht ganz so genau nahmen. Nach Max Verstappens Polerunde gab es von den Tribünen ein gellendes Pfeifkonzert, welches sogar Lokalmatador Lewis Hamilton zum Eingreifen bewegte. "Wir sind besser als das. Ich würde sagen, das Buhen braucht es nicht. Wir haben doch so tolle und auch so sportliche Fans. Sie fühlen Emotionen, Höhen und Tiefen. Aber das Buhen kann ich definitiv nicht gutheißen. Das sollten wir nicht tun", sagte der Brite.

Das Rennen in Spielberg setzte diesem Veralten dann noch einmal einen drauf. Am Sonntagvormittag kamen Berichte über homophobe, sexistische und rassistische Äußerungen einiger Fan-Gruppierungen auf den Tribünen auf.

Zahlreiche Frauen hatten in den sozialen Medien von wahren Spießrutenläufen auf den überwiegend von Männern besetzten Rängen berichtet, auch Homophobie und Rassismus seien dort ein großes Problem. Diese Erfahrungen erstreckten sich demnach auch auf die riesigen Campingplätze rund um die Strecke und hätten schon in den vergangenen Jahren in Spielberg zum Alltag gehört.

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Vettel: "Sollte Null Toleranz geben"

"Wir wurden darauf aufmerksam gemacht, dass einige Fans völlig inakzeptablen Kommentaren ausgesetzt waren", hieß es in einer später veröffentlichten Mitteilung der FIA. Die Angelegenheit werde mit dem Rennpromoter und der zuständigen Security thematisiert, "und wir werden mit denen sprechen, die von den Vorfällen berichtet haben. Wir nehmen das sehr ernst. Solches Verhalten wird nicht toleriert, alle Fans sollten respektvoll behandelt werden."

Doch muss die FIA diesen Worten nun auch Taten folgen lassen. Unsportliches oder gar menschenverachtendes Verhalten darf in der Formel 1 keinen Platz haben. Sebastian Vettel brachte eine Null-Toleranz-Politik ins Spiel, wonach beteiligte Fans für alle Zeit von GP-Besuchen ausgeschlossen werden könnten.

"Wer auch immer diese Leute sind, sie sollten sich schämen und auf Lebenszeit von Rennveranstaltungen ausgeschlossen werden. Ich denke, es sollte null Toleranz geben. Wenn man sich amüsiert und zu viel trinkt, ist das in Ordnung, aber das rechtfertigt oder entschuldigt kein falsches Verhalten", meinte der Heppenheimer.

Formel 1: Der WM-Stand (nach 11 von 22* Rennen)

  • Fahrerwertung:
PlatzFahrerTeamPunkte
1Max VerstappenRed Bull208
2Charles LeclercFerrari170
3Sergio PerezRed Bull151
4Carlos SainzFerrari133
5George RussellMercedes128
6Lewis HamiltonMercedes109
7Lando NorrisMcLaren64
8Esteban OconAlpine52
9Valtteri BottasAlfa Romeo46
10Fernando AlonsoAlpine29
  • Konstrukteurswertung:
PlatzTeamPunkte
1Red Bull359
2Ferrari303
3Mercedes237
4McLaren81
5Alpine81
6Alfa Romeo51
7Haas34
8AlphaTauri27
9Aston Martin18
10Williams3

*Der Russland-GP wurde aufgrund des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine ersatzlos gestrichen. Ursprünglich hatte die Formel 1 für die Saison 2022 23 Rennen eingeplant.