Vettel kann auch anders

SID
Sebastian Vettel (l.) wurde beim Brasilien-GP Zweiter hinter seinem Teamkollegen Mark Webber
© Getty

Auch in der Saison 2011 bewertet SPOX-Redakteur Alexander Mey nach jedem Grand Prix die fahrerischen Leistungen der Piloten und stellt sein persönliches Driver-Ranking auf. Teil 19: Brasilien-GP.

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Mein letztes Ranking der Saison geht noch einmal an den Dominator des Jahres. Ich habe Sebastian Vettel trotz des verpassten Sieges am stärksten gesehen. Besonders beeindruckt hat mich jedoch Adrian Sutil.

Jenson Button bleibt auf Platz zwei, Lewis Hamilton verliert noch einen Rang an Mark Webber. Damit unterscheiden sich meine Top Fünf nur unwesentlich von den tatsächlichen. Ich habe Fernando Alonso fahrerisch deutlich stärker gesehen als Webber.

Meine Wertung für den Brasilien-GP:

Platz 1, Sebastian Vettel: Vettel schon wieder auf der Eins? Langweilig! Stimmt, aber berechtigt finde ich es trotzdem erneut. Denn seine 15. Rekord-Pole war eine unglaubliche Runde, einfach genial! Und ich bin mir sicher, dass er das Rennen locker gewonnen hätte, wenn er die Getriebeprobleme nicht bekommen hätte. Es waren übrigens offenbar tatsächlich Getriebeprobleme und keine verkappte Red-Bull-Aktion, die Webber zum Sieg verhelfen sollte. Das kann das Team anhand von Telemetriedaten nachweisen.

Teamchef Christian Horner war sogar völlig verblüfft, dass Vettel es überhaupt geschafft hat, das Auto durch Umstellung der Schaltvorgänge ins Ziel zu tragen anstatt wie erwartet auszufallen - und das auch noch als Zweiter! All das spricht dafür, dass Vettel nicht nur gut ist, wenn er problemlos vorneweg fahren kann. Er kann auch glänzend improvisieren.

Platz 2, Mark Webber: Der Sieg ist ihm nach dieser verkorksten Saison zu gönnen, zumal er in Brasilien so stark war wie sonst fast nie in dieser Saison. Seine Qualifying-Runde war für seine Verhältnisse sehr stark, sein Start war okay und danach ist er konstant schnell gefahren. Dank Vettels Problemen war sein Sieg ungefährdet, aber auch nur dank dessen Problemen. Gegen einen Vettel in voller Stärke hätte er wieder verloren.

Platz 3, Adrian Sutil: Mein Mann des Rennens. Seit Wochen fällt auf, wie er unter dem Druck, noch kein festes Cockpit für 2012 zu haben, immer mehr aufblüht anstatt daran zu zerbrechen. Wir sehen im Moment womöglich den besten Sutil, den es je gab. Da wäre es doch gelacht, wenn er 2012 nirgends unterkommen würde. Das haben wir allerdings 2010 bei Nico Hülkenberg auch gedacht...

Platz 4, Jenson Button: Der Vize-Weltmeister hat auch seinen zweiten Platz im Ranking verteidigt. Dabei war Brasilien keins seiner besten Wochenenden in diesem Jahr. Aber er hat gekämpft und in einem seiner unnachahmlichen Endspurts Alonso noch abgefangen. Für mich war das die beste Saison seiner Karriere.

Platz 5, Fernando Alonso: Alonso ist in meinem Ranking mit großem Abstand vor Webber Dritter, weil er fast immer mehr aus dem Ferrari rausgeholt hat, als eigentlich drin steckte. Das war nicht immer spektakulär, weil manchmal gegen Red Bull und McLaren wirklich gar nichts zu machen war. Meistens trumpfte der Spanier aber in den Rennen groß auf und setzte jede Menge Ausrufezeichen. Die Botschaft: "Gebt mir ein siegfähiges Auto und ich werde Weltmeister." Auf ein Neues im Jahr 2012.

Platz 6, Kamui Kobayashi: An ihm hat mich die Nervenstärke beeindruckt. Nur Platz 16 am Start und dazu der Druck, unbedingt vor beiden Toro Rosso ins Ziel kommen zu müssen, um den siebten Platz in der Konstrukteurs-WM zu halten, der Millionen Dollar wert ist.

Als er dann endlich Neunter war und auf bestem Weg, die entscheidenden Punkte nach Hause zu fahren, haben ihm die fast ängstlichen Funksprüche, er möge doch jetzt bitte keinen Fehler mehr machen wie Teamkollege Perez, der sich gedreht hat, sicher nicht geholfen, ruhig zu bleiben. Aber er hat es getan. Kobayashi ist in dieser Saison deutlich gereift.

Platz 7, Felipe Massa: Das letzte Rennen war ein Spiegelbild seiner Saison - farblos. Er lieferte sich wieder einmal ein prickelndes Duell mit Hamilton, aber ansonsten dümpelte er im Niemandsland zwischen Top-Teams und Rest des Feldes herum. Die Lücke zwischen ihm und Alonso war so groß wie eh und je, obwohl sie hintereinander ins Ziel kamen.

Platz 8, Lewis Hamilton: Er konnte nicht an seine starke Leistung in Abu Dhabi anknüpfen. Im Training sah es noch danach aus, aber sowohl im Qualifying als auch vom Start weg im Rennen kaufte ihm Teamkollege Button den Schneid ab. Sein Ausfall war schade, aber wirklich geglänzt hätte er auch ohne technische Probleme nicht.

Platz 9, Paul di Resta: Ein solides Ende einer guten Rookie-Saison für den DTM-Champion. Im Gegensatz zu Sutil scheint er sein Cockpit für 2012 sicher zu haben. Lange Zeit berechtigt, denn er hatte Sutil zeitweise gut im Griff. Doch in den letzten Rennen ist ihm der Deutsche gehörig um die Ohren gefahren - so auch in Brasilien. Trotzdem war Platz acht eine gute Leistung.

Platz 10, Nico Rosberg: Der letzte Punkt für den aus meiner Sicht letztlich etwas besseren Mercedes-Piloten der Saison. Rosberg hat vier Punkte mehr geholt als Schumacher, obwohl der Rekordchampion die spektakuläreren Rennen dabei hatte. Mit Rosberg hat sich am Ende die Konstanz durchgesetzt. Speziell in Brasilien konnte aber keiner der Silberpfeil-Piloten glänzen.

Härtefall, Rubens Barrichello: Sollte sein Heimspiel sein letztes Formel-1-Rennen gewesen sein, ein paar Worte zum Urgestein. Barrichello wird wohl ein wenig als tragischer Held in die Annalen der Königsklasse eingehen, der immer vom ganz großen Wurf geträumt, aber nie eine echte Chance dazu hat.

Vor seiner Ferrari-Zeit hatte er nicht das Auto dazu, gegen Michael Schumacher war er vom ersten bis zum letzten Tag chancenlos und auch seine am wenigsten erwartete und trotzdem vielleicht größte Chance 2009 bei Brawn GP konnte Barrichello nicht zum Titelgewinn nutzen.

Jetzt ist er nur noch ein alternder Mitläufer in einem am Boden liegenden Team. Ich persönlich werde mir nicht anmaßen, ihm zu raten, was er tun soll, aber ich würde mir an seiner Stelle überlegen, ob ich mir so ein Jahr noch einmal antun möchte. Dafür muss die Liebe zum Sport schon extrem groß sein.

Endstände in der Fahrer- und Konstrukteurs-WM

Meine Punkte für das Interlagos-Wochenende: