"Der Sound ist scheiße", lautete eine der ersten Sätze, mit denen Vettel in die Saison startete: "Auch für die Fans auf den Tribünen wäre es besser, wenn man den Motor und nicht die Reifen quietschen hört. Wir sind ja nicht auf dem ADAC-Übungsplatz."
Doch das Thema Lautstärke, das mit Saisonverlauf immer mehr in den Hintergrund getreten ist, weil sich die Zuschauer daran gewöhnt haben, war nicht der einzige Kritikpunkt. Vettel wollte sich nicht mit der Hybrid-Technik anfreunden.
Schon nach dem Australien-GP hatte er genug: "Es gibt ein paar Dinge, die mir nicht gefallen. Aber letzten Endes schreibe ich die Regeln nicht, sonst hätten wir jetzt einen schönen V12 im Heck. Den ganzen Batteriekram würden wir im Handy lassen. Da wo er hingehört und nicht in ein Rennauto."
'Früher war alles besser' lautete die Maxime. Veränderungen? Weiterentwicklung? Anpassung an die Realität der Automobilbranche? Nein, danke. Typisch deutsch, könnte man sagen. Vettel wollte weiter seinen Weg gehen, den des erfolgreichsten Formel-1-Rennfahrers seit Michael Schumacher.
Frust kam zwangsläufig
Dass die lange feststehenden Regeländerungen ihn daran hindern würden, wusste er da schon, nach den Wintertests musste der Frust sich zwangsläufig einstellen. Während Mercedes die Marke von 5000 absolvierten Kilometern nur marginal verpasste, standen bei Red Bull gerade mal 1705 Kilometer auf den Uhren.
Die fehlende Zuverlässigkeit, die unter anderem zu den Ausfällen in Australien, Monaco und Großbritannien führte, war aber nicht der einzige Grund. Ihm fehlte die Lust. "Wenn ich er wäre, würde ich beweisen, dass ich mit jedem Regelwerk und mit einem neuen Auto gewinnen kann. Das wäre die beste Antwort", hatte Alain Prost schon im November 2013 gesagt.
Der Ratschlag ging nicht auf. Zwar arbeitete das Team in Milton Keynes hart, um zusammen mit dem französischen Hersteller die Power Unit zu verbessern. Einen extremen Leistungszuwachs konnten die Ingenieure aufgrund der Homologation allerdings nicht herausholen.
Nur Ricciardo nutzte Verbesserungen
"Es ist nicht ein einzelner Schritt, der uns wieder dort hinbringt, wo wir waren - an die Spitze. Das ist harte Arbeit. Wenn wir das dann erreicht haben, wird sich alles wieder viel besser anfühlen", sagte Vettel nach dem Großbritannien-GP. Das Auto wurde immer besser, fahrbarer. Ausnutzen konnte das aber nur Daniel Ricciardo mit seinen Siegen in Kanada, Ungarn und Belgien.
Sebastian Vettel im Interview: "Ich hinterfrage mich immer"
Vettel dagegen kämpfte ohne Erfolg: In Montreal kostete ihm ein Fehler des Teams den ersten Sieg eines Nicht-Silberpfeils. Das Stigma, nur mit einem übergelegenen Auto gewinnen zu können, haftet ihm seit Jahren an. 2014 konnte er es bisher nicht widerlegen. Die Kritik am 27-jährigen Titelverteidiger sei "zum größten Teil überzogen und unfair" betonte Motorsportberater Helmut Marko jedoch.
"Sebastian kann um Probleme einfach herumfahren, ist extrem schnell mit Autos, die schwer zu beherrschen sind", erklärte sein früherer Toto-Rosso-Teamkollege Sebastien Bourdais. Die außergewöhnliche Fahrzeugkontrolle wirkte sich im Hybrid-Zeitalter allerdings negativ aus.
Vettels Fahrstil kostete Energie
2014 geht es wie noch nie zuvor darum, den Hybridantrieb perfekt zu nutzen. Vor der Kurve muss beim Bremsen Energie zurückgewonnen werden, teils das Gaspedal früher als fahrerisch nötig gelupft werden. Doch Vettels größte Stärke war immer, seinen Konkurrenten auf der Bremse Zeit abzunehmen.
"Er ist ohnehin ein Meister der langsamen Kurven und dazu hat er den angeblasenen Unterboden besser zum Arbeiten gebracht als ich", gab selbst Erzfeind Mark Webber nach seinem Formel-1-Aus bei "Motor Sport" zu. Vettel war schneller am Kurveneingang und schneller wieder auf dem Gas als jeder andere Fahrer - und zwar voll, nicht dosiert.
Doch 2014 kehrte sich der Vorteil in einen Nachteil um: Wer ganz spät bremst, hat beim frühen Beschleunigen nicht genug elektrische Energie zur Verfügung. Zudem ist durch den geringeren Anpressdruck am Heck die Gefahr durchdrehender Reifen höher. Das steigert den Verschleiß und lässt die Zeiten im Rennen schnell einbrechen. "Es macht nicht was ich will", stellte der Weltmeister immer wieder fest.
Das Fahren neu gelernt
"Sebastian hat eine ganz besondere Art zu fahren. Wenn wir das Auto seinem Fahrstil anpassen können, dann ist er sehr effektiv. Wenn nicht, kann er es nicht nutzen", räumte selbst Technikdirektor Adrian Newey ein. Vettel musste seinen Fahrstil gewaltig umstellen. Allein, durch die dauernden Zuverlässigkeitsprobleme zu Saisonbeginn fehlte ihm dazu die Chance. Wer nicht fährt, kann nichts anderes ausprobieren.
"Geduld ist nicht gerade meine Stärke", hatte Vettel schon vor Jahren eingeräumt. Mittlerweile ist der Knoten aber geplatzt. Von den letzten acht Duellen im Qualifying hat der Deutsche sechs gegen Ricciardo gewonnen. Der Fahrstil passt für die Energierückgewinnung. Auf der rechtwinkligen Strecke von Singapur kam Vettel zudem mit dem Reifenverschleiß wesentlich besser zurecht.
GP-kompakt: Fällt Suzuka ins Wasser?
Der Aufschwung kommt zur rechten Zeit. Suzuka ist quasi Vettels zweites Zuhause. Die letzten fünf Pole Positions holte allesamt Red Bull, viermal stand der Deutsche ganz vorne. Mit vier Siegen ist er auf dem Kurs zudem der zweiterfolgreichste Fahrer nach Michael Schumacher.
"Wir haben das Potenzial dieses Wochenende wieder auf das Podest zu fahren", gibt er sich mittlerweile wieder forscher: "Die Strecke passt sehr gut zu mir und dem Auto. Wir haben ein enormes Potential und kommen immer näher an das Optimum heran. Ich bin sicher, dass es für mich in den nächsten Rennen besser laufen wird." Der alte Vettel ist zurück - ohne Meckerei, mit viel Optimismus und Selbstbewusstsein.
Sebastian Vettel im Steckbrief