"Und dann rief Gerland an"

Jonas Schützeneder
03. Juli 201414:24
Sein größter Triumph: Didi Hamann wurde mit Liverpool Champions-League-Siegergetty
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Ein ungewöhnlicher Kreisligist: Wacker München war in den 1920er Jahren ein Spitzenteam und hat sich mittlerweile als Vorbild für Integration einen Namen gemacht. Zum 111. Jahrestag der Gründung kommt der FC Bayern in den Münchner Süden. SPOX begleitet Wacker auf dem Weg zum großen Highlight. Teil 3: Dietmar Hamann über seine Anfänge bei Wacker und seinen größten Triumph.

SPOX: Herr Hamann, Sie haben als Kind Ihre Karriere bei Wacker München begonnen. Wie kam es dazu?

Dietmar Hamann: Mein älterer Bruder hat dort schon länger gespielt, also bin ich mit fünf Jahren auch ins Training gekommen. Damals war ich fasziniert von den Auftritten Brasiliens bei der WM 1978, auch wenn sie den Titel nicht geholt haben. Trotzdem bin ich im Brasilien-Trikot ins Wacker-Training gekommen.

SPOX: Mittlerweile hat der Klub an der Bezirkssportanlage einen hervorragenden Kunstrasenplatz. Daran war damals nicht zu denken, oder?

Hamann: Natürlich nicht. Wir haben wie üblich auf roter Asche gespielt. Das war damals total normal und hat mich auch nie gestört. Ich war vor einigen Jahren mal auf dem neuen Wacker-Gelände. Das kann sich schon sehen lassen.

Teil 1 der Serie: Das ist Wacker München

SPOX: Zu Beginn Ihrer Wacker-Karriere wurden Sie von Ihrem Vater trainiert. Ungewöhnlich?

Hamann: Das stimmt, mein Vater hat uns in der D-Jugend übernommen. Natürlich war das nicht immer einfach, aber wir haben das gut hinbekommen. Im Rückblick bin ich unglaublich dankbar dafür, ich habe viel von ihm gelernt.

SPOX: Also die beste Vorbereitung für den Wechsel zum FC Bayern?

Hamann: Auf jeden Fall. Die Bayern hatten mich schon länger auf dem Zettel und ich habe zuvor schon einmal abgesagt, weil mir der Wechsel zu früh kam. Auch 1860 hatte immer wieder mal Interesse. Aber wir hatten bei Wacker eine tolle Mannschaft mit großem Teamgeist und haben die Bayern auch manchmal besiegt. Später bin ich als B-Jugend-Spieler für unsere A-Jugend gegen die Bayern aufgelaufen und habe recht ordentlich gespielt. Und dann rief Gerland an. Er hat ganz locker gefragt, ob ich mir einen Wechsel jetzt vorstellen könnte. Das war dann der nächste Schritt.

Teil 2 der Serie: Die Geschichte von Wacker-Keeper Vitali Matvienko

SPOX: Heute spielt Ihr Ex-Verein sportlich eine kleinere Rolle. Dafür macht man als mit verschiedenen Sozialprojekten einen guten Namen.

Hamann: Das stimmt. Ich lese häufig über das Engagement des Vereins und freue mich über diese Entwicklung. Mittlerweile ist der Kontakt zum Verein etwas abgerissen, weil ich selten in München bin. Aber ich schaue mir regelmäßig die Ergebnisse und Tabellen an.

SPOX: Am 11. Juli steht für Wacker das große Traumspiel gegen den FC Bayern an. Haben Sie einen Tipp?

Hamann: Ganz einfach: Die Jungs sollen Spaß haben und sich viel abschauen. Sie werden nur einmal in ihrem Leben gegen die vielleicht beste Mannschaft der Welt spielen, das muss man genießen. Ich bin sicher, dass es ein riesengroßes Erlebnis für den Verein wird.

SPOX: Sie haben im Amateurfußball begonnen und dann eine internationale Karriere hingelegt. Wie wichtig sind die Amateurvereine? Gerade außerhalb der Städte klagen viele Klubs über schwindende Mitgliederzahlen und aktive Spieler...

Hamann: Unglaublich wichtig. Der Amateurfußball leistet einen immens wichtigen Beitrag. Auch die ganz großen Kicker fangen bei kleinen Vereinen an. Außerdem kann nicht jeder in einer Topliga spielen. Ohne die kleinen Vereine wäre Fußball nicht möglich, ganz einfach. Deshalb ist es umso bemerkenswerter, dass sich viele Trainer und Funktionäre ehrenamtlich bei den Amateurklubs engagieren.

Seite 1: Didi Hamann über die Anfänge bei Wacker

Seite 2: Didi Hamann über den CL-Sieg und seine Zukunft als Coach

SPOX: Im Rückblick haben Sie viel erlebt und sehr viel gewonnen. Würden Sie etwas anders machen?

Hamann: Überhaupt nichts. Ich hatte das große Glück bei tollen Vereinen zu spielen. Dazu noch die Länderspiele und die starke WM 2002. Absolutes Highlight war natürlich der Champions-League-Sieg mit Liverpool. Nach diesem unglaublichen Spiel gegen Milan.

SPOX: Bei dem saßen Sie zu Beginn erst einmal auf der Bank...

Hamann: Das stimmt und natürlich war ich enttäuscht. Aber Fußball ist ein Teamsport. Dann lagen wir zur Halbzeit 0:3 zurück und ich kam in die Partie. Das war natürlich auch nicht gerade einfach.

SPOX: Also kam mit Ihnen die große Wende.

Hamann: Wie gesagt: Fußball ist Teamsport. Wir hatten uns in der Halbzeit vorgenommen, alles zu riskieren und ein schnelles Tor zu erzwingen. Plötzlich stand es dann 3:3. Damit waren wir im Elfmeterschießen natürlich psychologisch im Vorteil.

SPOX: Kann man die Gefühlslage vor so einem wichtigen Elfmeter beschreiben?

Hamann: Das ist schwer. Durch die unglaubliche Aufholjagd hatten wir natürlich enormes Selbstvertrauen. Ich bin dann zum Punkt gegangen und habe mir vorgenommen, nach links zu schießen, wollte aber auch auf eine frühe Reaktion des Torhüters warten. Dida ist aber lange stehengeblieben, also habe ich nach links geschossen und getroffen.

SPOX: Danach haben Sie noch für City gespielt. Sie kennen den englischen Fußball: Wie kann man den erneut schwachen Auftritt der Three Lions bei der WM erklären?

Hamann: Bei aller Stärke der Premier League: England ist seit Jahren nicht auf dem Niveau anderer Teams. Das Ausscheiden war für mich keine große Überraschung aber natürlich eine große Enttäuschung für das ganze Land. Aber: In den nächsten Jahren kommen talentierte Jungs nach. Die Zukunft sieht also besser aus.

SPOX: Trotz der Blamage will Roy Hodgson nicht zurücktreten. Zurecht?

Hamann: Er hat einen Vertrag und die FA ist scheinbar weiter von ihm überzeugt. Ob er der richtige Trainer ist? Ich bin mir nicht sicher.

SPOX: Mit Luis Suarez ist ein Reds-Spieler zum wiederholten Mal äußerst negativ aufgefallen. Wie sehen Sie seine Zukunft in Liverpool?

Hamann: Wie Sie richtig sagen, ist es nicht der erste große Fehler. Ich bin mir nicht sicher, ob der Klub ihn halten will. Gerade jetzt. Selbst für so einen Topstürmer wird der Geduldsfaden dünner. Wenn das Interesse aus Spanien bleibt, wird die Luft in Liverpool dünn für ihn.

SPOX: Mit Blick auf die positiven Erkenntnisse der WM: Ist der FC Bayern nach den tollen Auftritten Müller, Robben und Shaqiri ein Gewinner des Turniers?

Hamann: Natürlich ist es für den Klub und die Fans toll zu sehen, wenn die Spieler so gut spielen. Ob es ihnen konkret etwas nützt, ist aber eine andere Geschichte. Falls das Interesse an Shaqiri anhält, bekommt Bayern wohl ein paar Millionen mehr für ihn. Dafür muss Pep Guardiola länger warten, bis seine Spieler aus dem Urlaub kommen.

SPOX: Nach großen Turnieren ist der Start der Topteams oft recht holprig. Wie haben Sie die Vorbereitung nach so kurzen Pausen als Spieler erlebt?

SPOXHamann: Die Motivation ist kein Problem. Man ist ja Profi und will jeden Tag topfit sein. Das Problem ist vielmehr die kurze Erholungsdauer. Was noch dazukam: In England gibt es ja keine Winterpause. Nach der WM 2002 war ich zum Beispiel zwei Wochen im Urlaub. Dann ging es quasi ein Jahr ohne Pause durch. Das war schon hart.

SPOX: Sie waren bereits als Spielertrainer in England aktiv. Können wir in den nächsten Jahren mit Ihnen als Coach rechnen?

Hamann: Ich habe jedenfalls alle Scheine und würde gerne anfangen. In England gibt es allerdings viele Trainer, die einen Job suchen. Derzeit habe ich als TV-Experte und Botschafter für den FC Liverpool genug zu tun. Was die Zukunft bringt, wird man dann sehen.

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