Fußball in seiner einfachen Komplexität

Die Spieler des FC Bayern kennen und spielen das Rondo bestens
© getty

Das Rondo hat viele Namen und noch mehr Ausführungen. Über die letzten Jahre hinweg hat es sich zu einer der prominentesten Trainingsformen entwickelt und wird vom FC Bayern bis in die Kreisklasse gespielt. Doch warum und wie eigentlich?

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Zack, Zack, Zack. Es geht schnell. Ein Klatschen dort, eine kleine Berührung hier. Fünf! Zack, Zack. Thomas fetzt nach rechts, dann nach links. Zack. Acht! Thomas springt, fällt, steht sofort wieder auf. Zack, Zack. Zack. Elf! Knapp zischt der Ball am rechten Fuß vorbei, Thomas dreht sich mit. Zack, Zack. Die laute "Dreizehn!" hört er gar nicht.

Wieder dreht er sich, er springt. Er springt daneben. Zack, Zack. Fünfzehn! Plötzlich offenbart sich eine Chance, Thomas schießt aus einem Reflex heraus mit der rechten Pike nach oben und trifft. Endlich. Philipp klatscht, David lacht. Thomas liegt im Gras, das Trikot über den Kopf gezogen. Jemand reicht ihm die Hand, aufstehen will er aber noch nicht.

Es ist eine Szene des Trainings an der Säbener Straße. Hauptdarsteller: Thomas Müller. Doch eigentlich ist es völlig unerheblich, ob es nun Thomas vom FC Bayern, Thomas vom FC Barcelona oder gar Thomas vom SF Seligenstadt ist. Sie alle spielen Fußball. Sie alle kennen das, was Müller gerade durchgemacht hat. Sie alle standen in einem Rondo schon einmal in der Mitte.

Von der Magie im Eckle

Das Rondo hat viele Namen und mindestens ebenso viele Gesichter. Vom 3-gegen-1, bzw. 4-gegen-2 erzählt der DFB in seiner Ausbildung, vom Piggy In The Middle spricht der englische Sunday-League-Coach und vom Eckle oder ganz simpel Kreis hat jeder Spieler von Kreisklasse bis zur Landesliga schon einmal gehört.

Die Interpretation ist unterschiedlich, wenn sie doch auch immer auf dasselbe hinausläuft. Mehre Spieler stehen in einem Kreis um ein in Unterzahl verteidigendes Team in der Mitte, das den Ball erobern möchte. So einfach könnte es sein. Laufen, Passen, was ist schon dabei. Doch warum schwört ein Großteil der Trainerschaft auf die Spielform in engen Vierecken, warum spricht ein Spieler wie Andres Iniesta von der "Basis des Spiels, in dem die Magie des Fußballs entsteht"?

Die Antwort ist einfach: Das Rondo ist viel mehr als Ballgeschiebe. Es ist Aufwärmspielchen, Technikübung und Spielform zugleich. Von kleinster Individualtaktik und leichtesten technischen Abläufen bis hin zu Grundformen der Gruppen- und Mannschaftstaktik sowie Tricks, die es bis auf Youtube schaffen. Das Rondo ist alles. Das Rondo ist Fußball.

Alles beginnt im 3-gegen-1

Eine klare Ordnung der Gedanken fällt da schnell schwer. Wer aus der Kreisklasse stammt, spielt das Rondo anders als jemand aus der Bundesliga. Nur die wenigsten dürften auf konstante Dreiecksbildung achten, kurz kommen, sich aus dem Deckungsschatten bewegen. Kaum ein Hobbykicker dürfte jemals darüber gesprochen haben, wie man sich im begrenzten Viereck bewegt, welche Körperstellung am ehesten den Ballverlust verhindert und in welchen Fuß eigentlich gespielt wird.

Dabei ist das Prinzip schnell zu erlernen. Von leicht zu schwer, von einfach zu komplex - die methodischen Grundsätze dürften kaum anderswo so leicht zu erklären sein. Alles beginnt im 3-gegen-1.

Für mobile Nutzer: Das 3-gegen-1

Eins spielt den Ball zu Zwei, der bei einem scharfen Ball mit einer leichten Rückwärtsbewegung seine mögliche Zeit am Ball vergrößert. Gleichzeitig nimmt er bereits eine offene Körperstellung ein, das heißt, er öffnet sich zum Feld, die Blickrichtung geht als Hilfe über das diagonal gegenüberstehende Hütchen von Mitspieler eins zu Mitspieler drei. Eins hat den Ball zu Zwei möglichst auf den rechten Fuß gespielt, denn so gelingt die direkte Weiterleitung zu Drei.

Der Verteidiger versuchte eine Balleroberung und öffnete so die Mitte. Um für Zwei doch anspielbar zu sein, löst sich Eins aus dem Deckungsschatten in einem leichten Bogen, bei dem er selbst auch das Feld verlassen kann. So gewinnt er Abstand und kann gleichzeitig den Ball in seinen linken Fuß gespielt bekommen.

Zwei entscheidet sich zum Zuspiel auf Drei, der Ball ist aber vielleicht nicht sauber gespielt, er muss nun entgegenkommen und nicht mehr zurückweichen. Mit einer schnellen Aufdrehbewegung Richtung Feld nach einem bogenartigen Anlauf kann er wiederum Eins suchen, der das Dreieck erneut aufbaut. Zwei stopft die dadurch entstandene Lücke, indem er ein weiteres Hütchen aufrückt. Das Spiel setzt sich fort.

Spielnahes Lernen

Eine etwas langatmige Erklärung für ein derartig simples Passspiel. Die Lösung ist deutlich einfacher. Das Spiel selbst zwingt die Spieler zum Lernen, der Trainer muss nicht die Hauptrolle einnehmen und durch sein Erläutern wertvolle Zeit am Ball verhindern. Das Rondo ist eine Spielform, ein Wettkampf, der mit seiner Zielsetzung - als Team den Ball behalten, bzw. den Ball möglichst schnell erobern - selbst für Entwicklung sorgt.

Kein Spieler wird in die Mitte wollen, schon gar nicht, wenn es nach einer bestimmten Anzahl an Pässen die berüchtigten Extrarunden gibt. So wird jeder für sich selbst Fortschritte machen, das Dreiecksspiel herstellen, sich mit Lang- oder Kurzbewegungen Raum verschaffen und früher oder später auch stets offen zum Spielfeld stehen.

Der Trainer selbst ist hier nur Hilfestellung. Die Synchroninformation, also das direkte Reinrufen in die Übung mit kurzem Feedback, ist für die Spieler eine helfende Hand und gleichzeitig Rückmeldung. Durch Fragestellungen kann er zudem seine Spieler selbst zum Nachdenken bringen, das bleibt schneller und vor allem länger im Gedächtnis.

Die Spielnähe führt gleichzeitig zu Schwankungen im Ablauf. Das macht nicht nur das Spiel an sich interessanter als eine fest vorgegebene Passfolge, sondern verlangt von den Spielern auch die Eigenschaft ab, sich auf Situationen unter Gegnerdruck stets neu einzustellen. "Wir müssen die Spieler immer wieder in Entscheidungssituationen bringen", erklärte Ralf Rangnick der TAZ seinen Ansatz für schnelle Fortschritte.

Das Rondo wird weitergesponnen

Einfache Vorgaben wie eine Kontaktbegrenzung können die Zielsetzung zusätzlich beeinflussen. Nur ein Kontakt fördert die Bewegung, die Beinarbeit vor dem Zuspiel. Mindestens zwei Kontakte dagegen fördern die Ballannahme, mindestens drei die Ballan- und mitnahme unter Gegnerdruck - die Sinnhaftigkeit dieser Vorgabe im Rondo sei allerdings dahin gestellt. Die Kontaktanzahl ist eine von vielen Variablen, die komplett unterschiedliche Schwerpunkte ermöglichen.

Der Schritt in das 4-gegen-2 bringt die Diamantform und den Schnittstellenball durch zwei Verteidiger hindurch in den Fokus. Ebenso kann das Spiel über den Dritten intensiviert werden, Lang-Kurz-Kombinationen eingebunden werden. Das 4+1-gegen-2 ist dafür ein klassisches Beispiel. Vier Spieler stehen um das Viereck herum, ein Einzelner spielt zwischen den Verteidigern.

Die Spieler lernen somit spielerisch simple Kommandos wie Klatsch oder Dreh, das Lücken aufziehen bei mannorientierter Verteidigung oder das direkte Weiterleiten auf einen weiteren Spieler. Selbst die Defensive kann prima geschult werden: Die Tiefenstaffelung ist entscheidend, um Bälle durch die Mitte, die eine komplette Neuorientierung erfordern, zu vermeiden. Themen wie Antizipieren, Anlaufen und dabei den Deckungsschatten nutzen, Verteidigen in Unterzahl und die Basisabläufe im raumorientierten Spiel gegen den Ball oder auf kleinster Ebene im Pressing sind schulbar.

Für mobile Nutzer: Drei Variationen des Rondos

Seite 1: Das Kreisspiel und seine Variationen

Seite 2: Die Entwicklung bis ins Elf gegen Elf