Nach tagelangem Spiel auf Zeit will der erste große Verband dem russischen Sport die Rote Karte zeigen. Nach SID-Informationen befindet sich die Führungsebene der Europäischen Fußball-Union (UEFA) derzeit in einem ständigen Austausch, der nach einer weiteren Sitzung des Exekutivkomitees am Montagabend (Beginn um 18.00 Uhr) zu Ergebnissen bezüglich eines Ausschlusses Russlands führen wird. Zuletzt hatte die UEFA bereits St. Petersburg das Champions-League-Finale entzogen, zudem wird sie wie Schalke 04 wohl den Vertrag mit dem russischen Großsponsor Gazprom kündigen.
Nach zahlreichen Gesprächen am Wochenende auf höchster Ebene scheint nun klar: Russische Mannschaften werden unter dem Dach der UEFA bis auf Weiteres keine Spiele mehr bestreiten. Es ist eine Position, die mittlerweile zahlreiche Verbände in Europa vertreten, unter anderem die mächtige englische FA. Auch der Deutsche Fußball-Bund (DFB) befürwortet diese gemeinsame Haltung.
"Ich kann mir nicht vorstellen, dass es Spiele gegen Russland geben wird. Das kann und darf es nicht geben. Es geht um Krieg. Da muss man eine klare Haltung einnehmen", sagte DFB-Präsidentschaftsbewerber Peter Peters dem SID . Als Mitglied des Councils des Weltverbandes FIFA rät er seinen Kollegen zudem: Die Entscheidung der europäischen Verbände "ist richtig, die FIFA sollte dem folgen".
Der Deutsche Eishockey-Bund (DEB) hat schon reagiert. Er unterstützt die Forderung der baltischen Verbände nach einer Suspendierung Russlands durch den Weltverband IIHF. "Solange dieser unfassbare Krieg nicht aufhört", sagte DEB-Präsident Franz Reindl dem SID, "kann auch der Sport nicht einfach weitermachen". Das IIHF-Council will am Montagabend über Konsequenzen beraten - auch für Belarus.
Russland-Ausschluss? Was macht die FIFA?
Entscheidend aber ist vor allem: Was machen UEFA und FIFA? Auf europäischer Ebene hieße ein Ausschluss aller russischen Mannschaften: RB Leipzig muss im Achtelfinale der Europa League nicht gegen Spartak Moskau spielen - und Russland wird von der Frauen-EM in England im Juli ausgeschlossen: Gruppengegner wären dort die Niederlande sowie die Boykott-Befürworter Schweden und Schweiz.
Auch die FIFA steht nun schwer unter Druck. Neben den Schweden wollen auch Polen und Tschechen das Spiel auf Zeit nicht mehr mitmachen, ihre Verbände weigern sich, in den Play-offs der WM-Qualifikation gegen Russland zu spielen. Polens Verbandspräsident Cezary Kulesza nannte dies "die einzig richtige Entscheidung". Das Team um Robert Lewandowski träfe am 24. März auf Russland.
Weil im Falle eines russischen Erfolgs auch der danach mögliche Gegner Schweden oder Tschechien ein Spiel verweigert, steht die FIFA nun vor der Wahl: Erhalten die Russen die Rote Karte - oder einen Freifahrtschein zur WM in Katar? Bislang hat Russland von der FIFA nur die Gelbe Karte bekommen, also: Spiele auf neutralem Boden, ohne den Namen Russland, ohne Nationalflagge und Hymne.
IOC: Sanktionen statt Ausschluss
Ein paar Sanktionen also, aber kein Ausschluss trotz schwerster Vergehen - auch das Internationale Olympische Komitee (IOC) bleibt dieser, seiner Linie treu. Sie wird außerdem vom Internationalen Paralympischen Komitee (IPC) vertreten, das ab kommenden Freitag seine Paralympics in Peking abhält (bis 13. März). Heißt: Das russische Team startet - wenn auch nicht unter "Russland".
In den Fokus gerät neben Russland zunehmend dessen Kriegspartner Belarus, nicht zuletzt in dem Brief, den die Vereinigung Global Athletes im Namen ukrainischer Sportlerinnen und Sportler sowie des Vereins Athleten Deutschland an IOC und IPC geschickt hat. Beide Verbände werden darin zur sofortigen Suspendierung der Nationalen Olympischen sowie Paralympischen Komitees aufgefordert.
"Wenn das IOC und das IPC sich weigern tätig zu werden, ermutigen Sie die Verletzung internationaler Gesetze sowie Ihrer eigenen Charta durch Russland und Belarus", heißt es in dem Statement. "Ihre Tatenlosigkeit wird an jeden Sportler und an die Welt die Botschaft senden, dass Sie die Interessen von Russland und Belarus über die der Athleten stellen."
Wie es geht, zeigt als erstes ein kleiner, aber immerhin vom IOC anerkannter Verband: Der Orientierungslauf-Weltverband IOF gab am Montag bekannt, dass er Russland suspendiert habe. Rote Karte also.