Ein wirtschaftlicher Totalschaden liegt vor, wenn nach einem Auto-Unfall die Reparaturkosten am beschädigten Wagen höher sind als der Kauf eines neuen Fahrzeugs. Sagt die Rechtssprechung.
Ein wirtschaftlicher Totalschaden liegt aber auch vor, wenn im Sommer für zwei unzufriedene Spieler im Kader lukrative Angebote abgegeben werden, der Verein dennoch auf einen Verkauf verzichtet - und ein halbes Jahr später womöglich mit leeren Händen dasteht.
Der FC Schalke 04 machte am Sonntag "Nägel mit Köpfen" (Kicker), "holte direkt den Vorschlaghammer raus" (Bild) und "griff hart durch" (WAZ), indem Manager Andreas Müller und Trainer Fred Rutten die beiden Reservisten Albert Streit und Peter Lövenkrands in die zweite Mannschaft degradierten.
Was sie aber auch machten: etliche Millionen in den Sand setzen.
Verfall des Marktwerts
Für Lövenkrands etwa gab es im Sommer eine Offerte des FC Fulham (angeblich um die zwei Millionen Euro), das Müller ablehnte, weil er eine Ablöse von mindestens 2,8 Millionen erwirtschaften wollte.
Hertha, Köln und Frankfurt wiederum zeigten vor der Saison Interesse an Streit, der sagt: "Da hatte ich eine richtig gute Option und wollte bereits weg. Stattdessen meinte Rutten: 'Du bist ein Riesentalent und Super-Fußballer. Du bleibst.'"
Doch Riesentalent hin, Super-Fußballer her: Die Abschiebung ins Regionalliga-Team bedeutet einen rasanten Verfall des Marktwerts. Müller erklärte die Entscheidung zwar damit, dass sich beide nicht "voll und ganz allein auf Schalke" konzentrieren würden, doch so sehr sie aus teaminternen Gründen verständlich ist - aus finanzieller Sicht gleicht sie einem Desaster.
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Streit: "Ich kann wohl ablösefrei gehen"
Warum sollte Fulham für einen aussortierten Spieler zwei Millionen bieten? Wie soll Königsblau die vor einem Jahr für Streit investierten 2,6 Millionen ansatzweise refinanzieren, wenn der ehemalige Nationalmannschaftskandidat selbst sagt: "Ich habe noch drei Jahre Vertrag. Aber ich glaube nicht, dass Schalke mir noch Steine in den Weg legt. Wenn ein Angebot kommt, kann ich wohl ablösefrei gehen."
Für Lövenkrands und Streit sind demnach wenn überhaupt nur geringe Transfereinnahmen zu erwarten. Was wiederum bedeutet, dass Schalke deutlich weniger für mögliche Zugänge bereit steht wie erwartet.
So erklärte Aufsichtsratsboss Clemens Tönnies bereits im Herbst, dass Müller im Winter per se nur fünf Millionen für einen Offensivspieler ausgeben dürfte. Für einen Pogrebnyak müsste man da nicht mit bieten. Sollte der Manager mehr Geld benötigen, müsse er dies mit Verkäufen wieder reinholen.
Totes Kapital mal vier
Nur wie? Ausgerechnet Streit und Lövenkrands waren bis vor 24 Stunden die einzigen Problemfälle im Kader, mit denen Schalke eine Millionen-Ablöse hätte einnehmen können.
Nach einem angeblichen Trinkgelage mit Gustavo Varela, dessen Vertrag aufgelöst wurde, trat 3,5-Millionen-Flop Carlos Grossmüller vor einigen Wochen bereits den Gang zur zweiten Mannschaft an. 3-Millionen-Fehlkauf Ze Roberto II hingegen ist in Brasilien untergetaucht und will nach eigenem Bekunden nicht nach Deutschland zurückkehren.
Streit, Lövenkrands, Grossmüller und Ze Roberto II. Totes Kapital mal vier.
Durch die missglückte Qualifikation für die Champions League, das Ausscheiden im UEFA-Cup sowie das drohenden Verpassen eines internationalen Wettbewerbs in der nächsten Saison als aktueller Bundesliga-Siebter steht Müller demnach vor der betriebswirtschaftlich vielleicht schwersten Aufgabe als Manager.
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Rutten ein Problem für Müller
Doch Müller machte bereits zu Ende der Hinrunde einen angeschlagenen Eindruck. Einerseits, weil er angesichts der sportlichen Stagnation seit der Slomka-Entlassung und der unglücklichen Personalpolitik von Tönnies öffentlich in Frage gestellt und von den Fans ausgepfiffen wurde. Anderseits, weil ihm offenbar auch seine zweite Kernaufgabe neben den Transfers - die Führung des Trainerstabs und der Spieler - große Probleme bereitet.
Rutten, dessen Schicksal eng mit dem von Müller verbunden ist, bietet seit Wochen mit seiner ausweichenden, wenig verbindlichen Art (zum Teil unnötige) Angriffsflächen für die Medien.
Zum Beispiel, als er beim Vorbereitungsauftakt gleich 10 von 27 Profis unter unklaren Voraussetzungen das Recht einräumte, einen Tag länger Urlaub zu machen, wobei sich Rutten jedoch standhaft weigerte, den Sonderstatus der zehn Spieler näher zu erklären - was wiederum für Verwunderung im Vereinsumfeld sorgt.
Alkohol, Party und Rote Karten
Für den "Reviersport" ist die Episode ein Indiz dafür, dass die Mannschaft den "Machtkampf" gegen den Trainer und gegen den Manager gesucht und gewonnen hätte.
Zumal Alkohol- und Party-Eskapaden eines Rafinha oder Disziplinlosigkeiten auf dem Platz (mit fünf Platzverweisen Ligaspitze) ebenfalls darauf hindeuten, dass eine Kluft zwischen der Vereinsführung und der Mannschaft entstanden ist.
Sollte es sich bestätigten, steht Schalke vor dem Totalschaden. Und da hilft auch keine Vollkasko-Versicherung mehr.
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