Schleifer, Taktikfuchs, Klopp-Verschnitt

Daniel Börlein
05. Mai 201013:57
Sforza, Bilic, Schuster, Favre (von links): Landet einer von ihnen in der Bundesliga?spox
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Ein Spieltag steht in dieser Bundesliga-Saison noch auf dem Programm, längst beschäftigen sich die Klubs allerdings mit der kommenden Spielzeit. Für fast die Hälfte der Bundesliga-Vereine lautet dabei die zentrale Frage: Wer ist in der nächsten Saison eigentlich Trainer?

Der Hamburger SV, der VfL Wolfsburg sowie der VfL Bochum suchen derzeit intensiv nach einem neuen Coach für die kommende Saison. In Hoffenheim kokettierte Ralf Rangnick zuletzt mit Rücktritt, in Köln scheint noch nicht abschließend geklärt, ob Zvonimir Soldo weiter auf der Bank sitzen wird.

Bei Hertha BSC steht Friedhelm Funkel vor dem Aus. Hinzu kommt die Frage, was aus Mirko Slomka und Dieter Hecking bei einem möglichen Abstieg von Hannover bzw. Nürnberg wird.

Doch was gibt der Trainermarkt im Moment her, wer kommt für welchen Klub überhaupt in Frage und wen zieht es nach Deutschland? SPOX stellt 20 Trainer vor, die für deutsche Klubs interessant sein könnten.

Namen wie Jürgen Klinsmann, Lothar Matthäus oder Frank Rijkaard fehlen in der Liste, weil kein Interesse an einem Trainerjob in Deutschland besteht, kein Bedarf seitens der Vereine herrscht oder eine Verpflichtung nicht realistisch erscheint.

Bernd Schuster (50): Wurde im Dezember 2008 bei Real Madrid entlassen, ist seitdem ohne Job. Zählt in Hamburg und Wolfsburg zum Kandidatenkreis. Die Bundesliga würde ihn reizen. Wäre allerdings wohl eine sehr teure Lösung. Gilt aufgrund seiner sportlichen Vergangenheit als Weltmann mit exzellenten Kontakten. Bewies in seiner Zeit bei Levante und Getafe, dass er Mannschaften eine Handschrift verleihen kann. Fachlich unumstritten, im Umgang mit Klubverantwortlichen durchaus unbequem.

Einschätzung: Die Bundesliga kommt für Schuster nur ein Spitzenteam in Frage - oder ein Klub, der ihm die Möglichkeiten aufzeigt, eines zu werden.

Steve McClaren (49): Aktuell Coach bei Twente Enschede, das er in dieser Saison zur ersten Meisterschaft der Vereinsgeschichte führte. Sein Vertrag läuft bis 2011, gilt aber in Wolfsburg nach Houlliers Absage als heißester Kandidat. Wurde international bekannt, als er als Nationalcoach mit England in der Quali zur EM 2008 scheiterte. Als Vereinstrainer allerdings schon vor Twente bei Middlesbrough sehr erfolgreich (u.a. UEFA-Cup-Finale). Arbeitete zudem drei Jahre als Co-Trainer unter Alex Ferguson bei ManUnited. Gilt als moderner Trainer. Ließ bei Twente meist im 4-3-3 spielen.

Einschätzung: Hat in Enschede bewiesen, dass er sich auch außerhalb Englands schnell zurechtfinden kann, in einem Jahr aber schon fast das Maximum erreicht. Eine neue Herausforderung ("Es gibt einige Angbote") wäre daher reizvoll. In der Bundesliga allerdings nur bei einem der Top-Klubs.

Fatih Terim (56): Trat im Oktober 2009 als türkischer Nationaltrainer zurück. Hatte zuvor die WM-Teilnahme verspielt. Führte die Türkei 2008 allerdings ins EM-Halbfinale. Gewann als Klubtrainer 2000 mit Galatasaray Istanbul den UEFA-Cup und trainierte anschließend Florenz und Milan, musste dort jedoch jeweils vorzeitig gehen. Steht für Offensivfußball. Gilt als harter Hund und Motivator, bisweilen allerdings auch als sturer Kopf, der auf möglichst viele Kompetenzen pocht. Ein ähnlicher Typ wie Mourinho, der in der Öffentlichkeit gerne polarisiert. Bei seinen Spieler aber sehr beliebt.

Einschätzung: Ein Job in der Türkei kommt nach Galatasaray und der Nationalelf nicht mehr in Frage. Bleibt das Ausland, wobei er zu einem Klub aus der Spitzengruppe der Bundesliga wohl nicht nein sagen würde. Manko: Spricht nicht Deutsch.

Marco van Basten (45): Erklärte im Mai 2009 wegen Erfolglosigkeit seinen Rücktritt bei Ajax Amsterdam, seither ohne Job. Zuvor vier Jahre lang Bondscoach der niederländischen Nationalmannschaft, mit mäßigem Erfolg (EM-Viertelfinale 2008). Hatte große Probleme mit Stars wie Ruud van Nistelrooy und Mark van Bommel, gab andererseits vielen talentierten Spielern eine Chance. Wurde bereits mit Wolfsburg und Hamburg in Verbindung gebracht, Milan-Patron Silvio Berlusconi sähe ihn allerdings auch gerne als Leonardo-Nachfolger.

Einschätzung: Ein Top-Klub in der Bundesliga hätte seinen Reiz für van Basten. Wenn Milan ihn allerdings tatsächlich will, hat wohl kein anderer Klub eine Chance.

Mark Hughes (46): Derzeit arbeitslos. Wurde im Dezember 2009 bei Manchester City gefeuert. Konnte bei den Citizens nicht an seine erfolgreichen vorherigen Stationen als walisischer Nationalcoach und Trainer bei den Blackburn Rovers anknüpfen. Ist deshalb den Beweis noch schuldig, eine Spitzenmannschaft führen zu können. Zeigte vor allem in Blackburn ein gutes Händchen für die Kaderzusammenstellung. Spricht deutsch. Steht für eine offensive Spielweise.

Einschätzung: Wurde in Deutschland bislang kaum gehandelt. Bevorzugt, wieder einen Klub auf der Insel zu übernehmen. In der Bundesliga wären für ihn nur Top-Klubs interessant.

Michael Laudrup (45): Wurde im April 2009 nach nur sieben Monaten bei Spartak Moskau entlassen. Spielte als Aktiver unter anderem bei Top-Klubs wie Juve, Real und Barca. Als Trainer noch ohne Erfahrung bei Spitzenvereinen. Wurde in Moskau und Getafe nicht glücklich, bei Bröndby Kopenhagen dagegen äußerst erfolgreich. Gilt als ruhiger Trainer.

Einschätzung: Ist grundsätzlich für alles offen, auch für einen Klub im Bundesliga-Mittelfeld. Aufgrund seiner fehlenden Sprachkenntnisse sei Deutschland für ihn allerdings "im Grunde ungeeignet".

Teil 2: Von Bilic bis Sforza

Teil 3: Von Babbel bis Gisdol

Slaven Bilic (41): Verlängerte jüngst seinen Vertrag als Nationaltrainer Kroatiens. Scheiterte zuvor in der WM-Quali und blieb weit hinter den (eigenen) Erwartungen zurück. Noch ohne Erfahrung als Klubtrainer. Wurde beim HSV bereits vor zwei Jahren gehandelt. Derzeit auch ein Kandidat für einen Job in der Premier League (u.a. West Ham). Emotionaler Trainertyp, taktisch gewieft, von seinen Spieler sehr geschätzt. Besitzt aus seiner aktiven Zeit beim KSC gute Deutschkenntnisse.

Einschätzung: Fühlt sich in Kroatien wohl, will früher oder später aber einen Verein übernehmen, bevorzugt einen aus der Premier League. In der Bundesliga müsste es deshalb schon ein Klub mit großen Ambitionen sein.

Eric Gerets (55): Trainiert derzeit bei Al Hilal in Saudi Arabien, sportlich eine eher weniger attraktive Adresse. Zuvor bei fast all seinen Stationen (u.a. Brügge, Eindhoven, Galatasaray, Marseille) erfolgreich. International total anerkannt. Kennt die Bundesliga aus seiner Zeit in Wolfsburg und Kaiserslautern bestens. Ist angeblich ein Kandidat beim HSV. Ein Mann klarer Ansagen, der deren Umsetzung fordert. Gilt als Schleifer. Nicht immer einfach im Umgang mit Klubverantwortlichen.

Einschätzung: Die Bundesliga wäre für Gerets reizvoller als jedes andere Land, denn: Seine deutsche Frau zieht es zurück in die Heimat. Selbst ein Klub, der noch nicht zu den Spitzenklubs der Liga zählt, könnte deshalb interessant sein.

Lucien Favre (52): Im September 2009 war in Berlin Schluss. Dass es auch ohne ihn nicht zum Klassenerhalt reichte, spricht für den Schweizer. Hat sich in seiner Zeit in Berlin einen guten Namen in Deutschland gemacht und kennt die Bundesliga mittlerweile bestens. Taktisch herausragend, im Umgang mit Stars und Vereinsführung allerdings nicht immer einfach. Hat klare Vorstellungen und verlangt, dass diese umgesetzt werden. Ließ man ihn in Ruhe arbeiten, hatte er bislang bei allen seinen Stationen Erfolg.

Einschätzung: Bewies bei der Hertha, dass er durchaus ein Mann für einen Spitzenklub ist. Würde auch gerne wieder in Deutschland trainieren. Ein Abstiegskandidat kommt aber wohl nicht mehr in Frage.

Walter Zenga (50): Im Januar bei US Palermo entlassen. Leistete dort allerdings wie schon bei Catania Calcio gute Arbeit und erwarb sich dadurch seine Meriten in Italien. Zuvor in Rumänien, Serbien, Türkei und Saudi-Arabien angestellt und durchaus erfolgreich (u.a. Doublegewinn mit RS Belgrad). Würde gerne wieder im Ausland trainieren. Charismatischer Typ, der engen Kontakt zu seinen Spielern pflegt. Klopp-Verschnitt.

Einschätzung: Hat mittlerweile viele Erfahrungen im Ausland gesammelt und könnte sich auch einen Klub in Deutschland vorstellen. Spricht allerdings nicht deutsch.

Marcel Koller (49): Im Herbst 2009 nach viereinhalb Jahren in Bochum entlassen. Schaffte im ersten Jahr den Aufstieg aus der 2. Liga und in den folgenden Spielzeiten jeweils den Klassenerhalt. Genießt einen ausgezeichneten Ruf als Fußball-Fachmann und Taktikexperte. Ruhiger und sachlicher Analytiker. War bei Bochums Fans allerdings nie sonderlich beliebt. War in Stuttgart und Hannover Kandidat, nun angeblich auch beim HSV.

Einschätzung: In der Branche traut man dem Schweizer weitaus mehr zu als Abstiegskampf. Die Bundesliga ist Kollers erste Option, deshalb hört er sich grundsätzlich auch alles an.

Armin Veh (48): Nach nicht mal sieben Monaten in Wolfsburg entlassen. Musste auch in Stuttgart vorzeitig gehen. Der Vorwurf: Griff nicht hart genug durch. Führte den VfB 2007 allerdings überraschend zum Meistertitel. Zuvor in Augsburg, Rostock, Reutlingen und Fürth eher Zweitligatrainer. Legt viel Wert auf einen engen Draht zu seinen Spielern. Lässt gerne offensiv agieren. Verfechter der Mittelfeldraute.

Einschätzung: Wollte nach dem schnellen Rauswurf in Wolfsburg erstmal etwas Abstand. Zur neuen Saison aber durchaus wieder offen für Angebote. 2. Liga oder ein Abstiegskandidat kommen aber wohl erstmal nicht in Frage.

Ciriaco Sforza (40): Seit Anfang der Saison Trainer bei Grasshoppers Zürich. Hat noch Vertrag bis 2011. Zuvor Coach beim FC Luzern. Machte parallel dazu seine Fußball-Lehrerlizenz. Plant seine Karriere Schritt für Schritt. Die Bundesliga ist laut eigener Aussage ein Ziel. In der Schweiz wird bereits über mögliche Nachfolger spekuliert. Pflegt noch gute Kontakte nach Deutschland. Akribischer Arbeiter, der in der Lage ist, schnell auf Situationen zu reagieren.

Einschätzung: Wie schon als Spieler hat die Bundesliga für Sforza nun auch als Coach eine besondere Anziehungskraft. Allerdings ist ihm wichtig, dass "Zeitpunkt und Verein passen".

Teil 1: Von Schuster bis Laudrup

Teil 3: Von Babbel bis Gisdol

Markus Babbel (37): Seine erste Station als Cheftrainer endete im Dezember 2009 mit dem Rauswurf beim VfB Stuttgart. Machte danach seine Fußball-Lehrerlizenz und ist nun offen für Angebote. Lieferte in Stuttgart bis zu den Problemen wegen der Trainerausbildung gute Arbeit ab. Orientierte sich bislang laut eigener Aussage an Ottmar Hitzfeld, vor allem in Sachen Rotation und Mannschaftsführung.

Einschätzung: Will im Sommer wieder ran - und zwar als Cheftrainer und am liebsten bei einem Spitzenteam. Kann sich allerdings auch vorstellen, bei einem "ambitionierten Zweitligisten" anzuheuern.

Franco Foda (44): Seit knapp vier Jahren Chefcoach bei Sturm Graz, zuvor Jugend- und Amateurtrainer bei den Österreichern. Wurde in der Vergangenheit schon in Stuttgart und Kaiserslautern gehandelt. Nun heißer Kandidat in Bochum und Berlin. Besitzt eine Ausstiegsklausel. "Ich hoffe noch, dass er bei uns bleibt", sagt Sportdirektor Kreuzer. "Aber es wird die Zeit kommen, wo Franco wieder in die deutsche Bundesliga zurückkehrt." Steht für Offensivfußball, was in der Vergangenheit allerdings häufig zulasten einer stabilen Defensive ging.

Einschätzung: Über kurz oder lang zieht es Foda wieder zurück nach Deutschland. Beim richtigen Angebot könnte es zur neuen Saison schon soweit sein, wohl aber nur bei einem ambitionierten Zweitligisten oder einem Bundesliga-Klub aus dem unteren Tabellendrittel.

Michael Oenning (44): Schaffte mit Nürnberg den Aufstieg, wurde dann jedoch in der Winterpause entlassen. Seitdem wieder Assistent von Marcel Reif beim Pay-TV-Sender Sky. Vor seiner Zeit beim Club nur als Co-Trainer tätig. Unkonventioneller Typ, der gut mit jungen Spielern kann. Lockeres Auftreten, in Nürnberg wünschte man sich von Klub- wie auch Spielerseite aber mehr Härte. Steht für offensiven Fußball, hat Mut zum Risiko.

Einschätzung: In Nürnberg hat Oenning sich einen Namen gemacht. Für einen Top-Klub reicht's aber wohl nicht, fürs Bundesliga-Mittelmaß oder einen guten Zweitligisten allemal. Berlin denkt angeblich über ihn nach.

Christian Ziege (38): War schon Jugend- und Co-Trainer bei Borussia Mönchengladbach, fungierte kurzzeitig auch mal als Interimscoach und war zwischendurch Sportdirektor. Hat sich nun allerdings auf den Trainerjob festgelegt und seine Trainerlizenz (drittbester Abschluss) gemacht. Sammelte als Profi viel Erfahrung bei zahlreichen Top-Klubs (u.a. Bayern, Milan, Liverpool). Legt viel Wert auf Kommunikation mit den Spieler, hat allerdings auch seinen eigenen Kopf.

Einschätzung: Hätte sich durchaus vorstellen können, an der Seite von Gerard Houllier in Wolfsburg als Co-Trainer zu arbeiten. Will nicht den zweiten vor dem ersten Schritt machen und erstmal weiter Erfahrung sammeln. Ein guter Zweitligist wäre eine Option.

Jörn Andersen (47): Seit seiner Entlassung im August 2009 in Mainz ohne Job. Schaffte mit Mainz den Aufstieg aus der 2. Liga - und das im ersten Jahr nach Klopp. War 2006 als Co-Trainer von Jogi Löw im Gespräch. Gilt als Kenner der Szene und besitzt einen guten Blick für Situationen (Feulner als Sechser) und Spieler (Bance). Manko in Mainz: Zu hart, nicht kompromissbereit, taktisch mit Schwächen.

Einschätzung: Trotz Entlassung in Mainz noch nicht verbraucht. Würde auch gerne wieder in Deutschland trainieren. Mögliche Einsatzgebiete: Unteres Drittel Bundesliga oder Spitzengruppe 2. Liga.

Ulf Kirsten (44): Ist seit 2005 Trainer der zweiten Mannschaft von Bayer Leverkusen. Stieg dort zwischenzeitlich in die Oberliga ab, schaffte aber den sofortigen Wiederaufstieg. Ist ein Mann klarer Worte. Setzt als Trainer auf die Tugenden, die er als Spieler selbst verkörperte: Engagement, Disziplin, Leidenschaft. War vor dieser Saison bei Energie Cottbus im Gespräch und grundsätzlich nicht abgeneigt.

Einschätzung: Nach fast fünf Jahren als Bayer-Coach kann er sich etwas Neues vorstellen. Für einen Bundesliga-Klub fehlen ihm allerdings noch Erfolge und Erfahrung. Die Zweite Liga würde passen.

Markus Gisdol (40): Derzeit Coach der zweiten Mannschaft bei 1899 Hoffenheim und im erweiterten Trainerteam von Rangnick. Verlängerte seinen Vertrag vor kurzem um zwei Jahre. Steht mit seiner Mannschaft vor dem Aufstieg in die Regionalliga. Davor unter anderem Trainer beim SSV Ulm und in der Nachwuchsabteilung des VfB Stuttgart. Hat ein gutes Händchen für junge Spieler. Gilt als ambitionierter und moderner Trainer.

Einschätzung: Hat einen ähnlichen Weg hinter sich wie Mainz-Coach Thomas Tuchel, wartet allerdings noch auf den Sprung in den Profi-Fußball.

Teil 1: Von Schuster bis Laudrup

Teil 2: Von Bilic bis Sforza