Eigentlich war es für Michael Ballack schon vorbei, bevor es überhaupt richtig begonnen hatte. Mit 16 Jahren verletzte er sich schwer am Knie. Der Knorpel im Gelenk war beschädigt, eine Operation unumgänglich.
Als Ballack aus der Narkose erwachte, erklärte ihm der Arzt lächelnd, dass alles gut verlaufen sei. Nur Fußball könne er nicht mehr spielen. Für Ballack brach eine Welt zusammen.
Abfinden wollte er sich mit seiner Diagnose allerdings nicht. Nach einem Jahr Pause stand er wieder auf dem Platz. Der Rest der Geschichte ist bekannt. Über die Stationen Chemnitz, Kaiserslautern, Leverkusen, Bayern und Chelsea legte Ballack eine Weltkarriere hin.
Comeback nach vier Monate Pause
"Die Verletzung war ein Schlüsselerlebnis für mich. Ich habe gespürt, wie schnell im Fußball von heute auf morgen Feierabend sein kann", erzählte Ballack der "Frankfurter Rundschau" vor einiger Zeit. "Ich habe so früh gelernt, Ehrgeiz zu entwickeln, um wieder zurückzukommen."
Im Moment bastelt Ballack wieder an einem Comeback. Nach viermonatiger Verletzungspause wegen einer Fraktur des Schienbeinköpfchens kämpft der 34-Jährige in der Vorbereitung darum, ab dem Rückrundenstart wieder für Bayer Leverkusen ins Bundesliga-Geschehen eingreifen zu können.
Auf nur vier Pflichtspieleinsätze hat es Ballack für Leverkusen nach seinem Wechsel vom FC Chelsea bislang gebracht. Zuvor war er monatelang wegen eines Syndesmosebandrisses im Sprunggelenk ausgefallen. "Es wird nicht leicht für ihn nach zwei schweren Verletzungen in so kurzer Zeit", sagt Bayer-Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser.
Auch Trainer Jupp Heynckes weiß das und forderte in der "Bild" deshalb: "Die Öffentlichkeit muss Geduld mit ihm haben - aber auch er braucht Geduld. Denn Michael muss die Zeit, die er weg war, jetzt aufholen."
Wird Ballack wieder der Alte?
Dafür schuftet der Mittelfeldspieler derzeit besessen. Mehrere Stunden täglich absolviert er Übungen mit Konditionstrainer Dr. Holger Broich sowie Physio Sven Elsinger, quälte sich in einer speziellen Höhenkammer und gönnte sich nur an den Weihnachtsfeiertagen sowie zum Jahreswechsel eine kurze Auszeit.
Zumindest in einem Testspiel kam Ballack jetzt bereits zum Einsatz. Beim 2:1-Erfolg der Werkself gegen Oberhausen erfolgte das Comeback zur zweiten Halbzeit. "Ich brauche Spielpraxis. Das war ein guter Anfang", sagte Ballack nach dem Spiel. Sein Trainer Heynckes ergänzte: "Er hat sich gut bewegt."
Doch kaum feierte Ballack auf dem Platz seine Rückkehr, da muss der Nationalmannschaftskapitän den nächsten Rückschlag verkraften: Nur einen Tag nach dem Sieg gegen RWO fehlte der 34-Jährige am Freitag wegen eines möglichen Infektes beim Training.
"Kein Grund zur Sorge"
"Nach Rücksprache mit Vereinsarzt Karl-Heinrich Dittmar und dem Spieler besteht aber kein Grund zur Sorge", sagte Bayers Kommunikations-Direktor Meinolf Sprink. Ballack soll bereits am Samstagmorgen wieder an der Trainingseinheit teilnehmen.
"Wer sieht, wie der Junge alleine stundenlang trainiert, der weiß: Michael Ballack brennt", sagt Holzhäuser. Die große Frage allerdings ist: Wird er nochmal der Alte?
Schon einmal musste sich Ballack diese Frage stellen. Im April 2007 fiel der damalige Chelsea-Star nach einem Foul von Newcastles Titus Bramble für acht Monate aus. Ballack kam zurück, spielte stark auf und zog mit Chelsea und der Nationalmannschaft ins Endspiel von Champions League und Europameisterschaft ein.
Ballack: "Ich bin vorsichtig mit Prognosen"
Seitdem hat sich allerdings einiges verändert - nicht zuletzt Ballack selbst. "Ich bin ja nun etwas älter geworden. Das vergessen Außenstehende und sogar mitunter meine engen Freunde, die gerne sagen: 'Klar kommst du zurück und machst das wieder so!'", sagt er. "Ich versuche die dann immer zu bremsen. Ich bin jetzt 34. Da wird es natürlich schwerer. Ich bin lieber vorsichtig mit Prognosen."
Auf medienwirksame Kampfansagen verzichtet Ballack. Er ist nachdenklicher geworden in den letzten Monaten. "In solch einer Situation muss man viel mit sich allein ausmachen. Da kann einem niemand helfen", sagt er.
Eigentlich hatte er damit geliebäugelt, seine Karriere nach einer erfolgreichen Weltmeisterschaft zu beenden. Seine Verletzung und das damit verbundene WM-Aus durchkreuzten diese Pläne allerdings. "Ich habe mir gesagt: Triff jetzt nicht eine Entscheidung, die du später vielleicht bereust", so Ballack.
Podolski: "Ballack muss sich beweisen"
Ein sofortiges Karriereende ist inzwischen vom Tisch. In Leverkusen läuft der Vertrag des viermaligen deutschen Meisters noch eineinhalb Jahre. Erst dann will sich Ballack verabschieden - möglichst mit dem EM-Titel.
Einen Platz in der Nationalmannschaft muss er sich allerdings erst wieder erkämpfen. Einen Freifahrtschein mochte ihm Bundestrainer Joachim Löw nicht ausstellen, von den Kollegen im DFB-Team hat sich bislang kaum einer explizit für seine Rückkehr ausgesprochen.
"Ballack hat für die Nationalmannschaft Großes geleistet, aber auch er muss sich wie wir alle der täglichen Herausforderung im Fußball stellen. Michael Ballack muss sich beweisen", sagte Lukas Podolski dem "Focus".
Kahn rät zum Rücktritt
Ballacks Standing innerhalb des Nationalteams hat während seiner Verletzungspause gelitten. Andere wie Schweinsteiger, Lahm, Mertesacker oder Friedrich haben das Kommando übernommen. Mit Miroslav Klose ist nur noch ein Akteur aus der Ballack-Generation übrig.
Ballacks langjähriger Weggefährte Oliver Kahn riet ihm auch deshalb im "Kicker", seine DFB-Laufbahn zu beenden. "Er muss selbst entscheiden, ob er eine EM in Polen und der Ukraine noch braucht. Oder ob er sich nicht eher auf Leverkusen konzentriert. Es ist nicht leicht für einen Spieler, den richtigen Zeitpunkt des Aufhörens zu erwischen."
Nicht nur Kahn ist der Meinung, dass Ballack diesen Zeitpunkt bereits verpasst hat. Viele Beobachter glauben nicht, dass der Capitano noch einmal für Deutschland auflaufen wird. Aufgeben will Ballack allerdings nicht. Und er weiß ja, wie man zurückkommt, wenn es eigentlich schon vorbei ist.