Bayern 2011/12: Fehlt nur noch Mister X

Thomas Gaber
08. Juni 201123:30
Die große Frage: Wie gestaltet der neue Trainer Jupp Heynckes den FC Bayern München um?Getty / SPOX
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In der kommenden Saison soll beim FC Bayern München vieles besser werden. Der FCB plant den Angriff auf Meister Borussia Dortmund, im Mai 2012 würde man zudem gerne das Champions-League-Finale im eigenen Stadion spielen. Was bleibt, was ist neu? Wie sieht Jupp Heynckes' Wunschelf aus? Die Bayern 2011/12.

Der Kader:

Mit Miroslav Klose verlässt der vierte Profi den FC Bayern. Hamit Altintop wechselt zu Real Madrid, Andreas Ottl und Thomas Kraft schließen sich Hertha BSC an. Zudem wurde der an Nürnberg ausgeliehene Mehmet Ekici nach Bremen verkauft. Keiner dieser Spieler gehörte in der letzten Saison zur Stammelf, von Kraft in der Rückrunde einmal abgesehen. Der Qualitätsverlust ist daher überschaubar.

Mit dem neuen Trainer Jupp Heynckes sind die Bayern-Bosse übereingekommen, dass der Kader bis zum Trainingsstart am 27. Juni komplett sein soll. "Wir wollen diesmal schon am 20. Juni fertig sein", sagte der Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge.

Last-Minute-Einkäufe wie Mark van Bommel 2006 oder Arjen Robben 2009 sollen der Vergangenheit angehören.

Manuel Neuer der wichtigste Transfer

"Es ist wichtig, dass Jupp Heynckes zum Trainingsstart alle Mann zur Verfügung hat. Die Spieler hatten dann ausreichend Urlaub. Unser Vorteil ist, dass in diesem Jahr keine WM oder EM stattfindet und wir alle Spieler zur gleichen Zeit an Bord haben", so Rummenigge.

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Der wichtigste Transfer ist zweifelsohne Manuel Neuer. Seit dem Abschied von Oliver Kahn haben mehrere Bayern-Trainer viel ausprobiert auf der Torhüter-Position - ohne Nachhaltigkeit.

Mit Neuer haben die Bayern wieder den besten deutschen Torhüter und einen der besten der Welt und auf Jahre hinaus Ruhe im Kasten.

Philipp Lahm wechselt auf links

Aus der Serie A kommt Rafinha, an dem die Bayern schon 2009 dran waren. Beim FC Genua war der Brasilianer die Allzweckwaffe in der Defensive. Rechtsverteidiger, rechtes Mittelfeld, linkes Mittelfeld, zentrales Mittelfeld - Rafinha wurde überall eingesetzt.

Heynckes plant mit ihm als Rechtsverteidiger, Lahm soll dafür wieder auf links wechseln. Der Coach verspricht sich von Lahm dadurch mehr Einfluss auf das Offensivspiel.

Bayern-Präsident Uli Hoeneß hatte Rafinhas Art und Spielweise einst als "widerlich" bezeichnet, sieht in ihm aber nun ein Puzzleteil, dass den Bayern in der Zeit nach dem Abgang von Mark van Bommel fehlte. Auch Heynckes schätzt dessen aggressive Spielweise.

Hoeneß' Basis für "große Erfolge"

Für Nils Petersen setzte sich Heynckes ebenfalls vehement ein. "Ich hatte sehr überzeugende Gespräche mit ihm. Heynckes hat mir zu verstehen gegeben, dass er voll mit mir plant", sagte Petersen. An Mario Gomez wird der 22-Jährige jedoch kaum vorbeikommen.

Sollte Heynckes auf 4-4-2 wechseln, darf sich Petersen Chancen auf einen Platz in der Stammelf ausrechnen. Er ähnelt in der Spielanlage Miro Klose, hat einen schnellen Antritt und einen harten, platzierten Schuss. Möglich, dass Petersen im System mit nur einem Stürmer die Rolle hinter Gomez einnimmt, als Backup für Thomas Müller.

Fehlt nach Hoeneß' Ansicht eigentlich nur noch ein Innenverteidiger von Weltklasseformat. "Ich bin ein Verfechter der Philosophie, dass Schlüsselpositionen gut besetzt sein müssen", sagte er im "Sport-Bild"-Interview.

Dafür bräuchte man einen guten Torwart (Neuer), einen starken Abwehrspieler (Mister X), einen zentralen Mittelfeldspieler (Schweinsteiger) und einen Stürmer (Gomez). Hoeneß: "Wenn du diese Kette hast, ist das die Basis für große Erfolge."

Vidal ist Heynckes' Wunschspieler

Deswegen sollen noch weitere Spieler kommen. Der Wechsel von Jerome Boateng scheiterte allerdings bislang an der hohen Ablöseforderung von Manchester City (ca. 20 Millionen Euro). "Bei Boateng sind wir guter Dinge, müssen aber jetzt abwarten. Kommt er nicht, wird es eine Alternative werden", bestätigte Hoeneß.

Boateng (oder der Mister X) müsste sich im Kampf um einen Platz in der Innenverteidigung gegen Holger Badstuber, Daniel Van Buyten und Breno durchsetzen.

Heynckes' Wunschspieler für die Mittelfeldzentrale ist Arturo Vidal. Der Spieler will nach München, Bayer Leverkusen weigert sich aber bislang beharrlich gegen einen Verkauf. Hoeneß gibt sich allerdings gelassen: "Wenn der eine oder andere nicht kommen sollte, ist das auch kein Beinbruch. Der Kader steht im Großen und Ganzen."

Breno steht vor Problemen

Mit Takashi Usami soll zudem der beste japanische Export neben Shinji Kagawa als weiterer Perspektivspieler verpflichtet werden. Schon im Januar waren die Bayern am 19-Jährigen dran.

Gert Engels, der seit über 20 Jahren als Trainer in Japan arbeitet und zuletzt Chefcoach von Urawa Red Diamonds war, sagte bei SPOX über Usamis Stärken: "Seine Stärke ist sein Gefühl im Fuß, die vorbildliche Ballannahme in Spielrichtung und sein herausragender Abschluss."

Mit dem lange verletzten Ivica Olic haben die Bayern einen weiteren "Neuzugang". Der Kroate arbeitet seit Mai verbissen für sein Comeback. David Alaba kehrt vorerst aus Hoffenheim zurück, 1899 würde den Österreicher gerne behalten.

Schwierig dürfte die Saison für Breno, Danijel Pranjic und Anatolij Tymoschtschuk werden. "Mit Brenos Entwicklung ist der ganze Verein unzufrieden. Er weiß auch, dass er jetzt nach drei Jahren professioneller werden muss", sagt Rummenigge.

Pranjic ohne Chance auf Stammplatz

Tymoschtschuk dürfte den Verein verlassen, sollte Vidal kommen. Pranjic hat durch Heynckes' Planspiele mit Lahm kaum Chancen auf einen Platz in der Stammelf und bietet sich nur als Backup auf allen Außenpositionen sowie im defensiven Mittelfeld an.

Mit Luiz Gustavo hat Heynckes zudem einen in der Defensive vielseitig einsetzbaren Spieler in der Hinterhand, der sich allerdings auch erstmal hinten anstellen muss.

Toni Kroos machte in seiner Entwicklung unter Heynckes in Leverkusen einen großen Schritt nach vorne. Die Saison danach in München war eine einzige Enttäuschung. Wie kommt Kroos bei Bayern unter Heynckes zurecht? Eine der spannendsten Fragen der kommenden Saison.

FC Bayern 2011/12: Der Trainer

FC Bayern 2011/12: Das Umfeld

Der Trainer:

Jupp Heynckes war bereits vor 24 Jahren, zwischen 1987 und seiner Entlassung im Oktober 1991, Bayern-Trainer. Nach dem unrühmlichen Ende in Mönchengladbach 2007 wollte Heynckes nie wieder als Trainer arbeiten, konnte dem Lockruf von Freund Uli Hoeneß im April 2009 aber nicht widerstehen.

Als Interimstrainer nach Jürgen Klinsmann führte Heynckes die Bayern mit 13 Punkten aus fünf Spielen sicher in die Champions League - und fand wieder Motivation.

Seine neu entfachte Leidenschaft lebte Heynckes anschließend bei Bayer Leverkusen aus und hinterließ bei den Bayern-Bossen nachhaltig positive Wirkung. In den nächsten zwei Jahren soll der 66-Jährige Titel holen und den "Spaß in diesem Verein zurückbringen" (Hoeneß).

Heynckes setzt auf Eigenverantwortung

Van Gaal war der beratungsresistente Alleingänger mit despotischen Zügen, Heynckes ist mitunter kumpelhaft, aber stets um gegenseitigen Respekt bemüht. Als er für fünf Spiele bei Bayern einsprang, gewöhnte er Ribery beispielsweise ab, Schuhe und Schmutzwäsche einfach in den Schacht zu schmeißen.

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Einen Knigge-Katalog wird es für die Spieler aber nicht geben. "Ich sehe keinen Sinn, Spieler zu etwas zu zwingen. Die Spieler wissen selbst, was gut und was schlecht ist. Mit Eigenverantwortung erzieht man sie", sagt Heynckes.

Der Coach will mündige Spieler und fördert einen offenen Austausch. In Leverkusen bezog er die Mannschaft oft in Besprechungen ein und verlangte mögliche Verbesserungsvorschläge.

Matthäus: "Heynckes eine Art Vaterfigur"

Rummenigge erhofft sich von Heynckes auch einen Schub für die zweite Reihe: "Bei van Gaal haben immer die ersten Elf gespielt, Jupp hat einen anderen Stil. Bei ihm sind es die besten 16,17 Spieler. Die werden bei ihm durchrotieren. Das fördert den Teamgeist. Das war ja das Problem von Altintop und Tymoschtschuk, dass sie sich nicht als dazugehörend gefühlt haben."

Van Gaal hat sich intensiv mit dem Nachwuchs beschäftigt und innerhalb von acht Monaten aus Müller und Badstuber Nationalspieler gemacht. Ähnlich wie der Niederländer hat auch Heynckes eine positive Ausstrahlung auf junge Spieler.

"Ich habe gehört, dass Jupp die Musik von Rihanna und Lady Gaga kennt. Er setzt sich mit der Jugend auseinander, weiß, was bei ihr abgeht und sie beschäftigt. Das hilft ihm im Job. Er ist eine Respektsperson, sowohl die erfahrenen als auch die jungen Spieler schauen zu ihm auf. Heynckes ist nicht nur Trainer, sondern auch eine Art Vaterfigur", sagte Lothar Matthäus der "Welt am Sonntag".

Heynckes soll Kardinalproblem lösen

Heynckes steht für eher kontrollierten Fußball. Leverkusen büßte unter ihm an Eleganz ein, doch die direkte Qualifikation für die Champions League gab Heynckes recht. Der 66-Jährige braucht kein Spektakel.

"In Leverkusen habe ich nach einem halben Jahr das Spiel etwas umgestellt. Weniger Risiko, mehr Achtung auf die Rückwärtsbewegung. Das hat uns gut getan", sagt Heynckes rückblickend.

Nach der Balleroberung setzt Heynckes jedoch auf schnelles Umschalten und viel Zug zum Tor. Bei den Bayern stimmte in der letzten Saison die Balance zwischen Defensive und Offensive nicht.

Heynckes soll dieses Kardinalproblem lösen - auch wenn er strategisch gesehen aufgrund seines Alters freilich keine Langzeitlösung für die nächste Dekade sein kann.

"Eine Traumvorstellung wäre es, wenn er mit uns gemeinsam seinen Nachfolger suchen würde", sagt Hoeneß. Jürgen Klopp ist dabei ein ganz heißer Kandidat.

FC Bayern 2011/12: Das Umfeld

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Das Umfeld:

Jedes Jahr ohne Titel ist beim FC Bayern ein verlorenes Jahr. Heynckes ist zum Erfolg verdammt. "Ich weiß, dass man als Bayern-Trainer Titel holen muss", sagt der Coach.

Heynckes kennt die Gesetzmäßigkeiten an der Säbener Straße. Vor 20 Jahren musste er gehen, weil der Erfolg ausblieb.

Heynckes als "kontrollierbarer" Trainer

Rummenigge setzte bereits die ersten Signale: "Der neue Trainer hat mehr als einen Monat Zeit zur Vorbereitung - mit dem gesamten Kader. Und der Kader hat eine hohe Qualität. Es wird keine großen Qualitätsunterschiede geben, wenn sich ein Spieler verletzt."

In den letzten Jahren wollten die Verantwortlichen bewusst Veränderungen im Verein. Klinsmann durfte eine Palast-Revolution starten, auch van Gaal hatte lange Zeit Narrenfreiheit. Letztlich sind beide gescheitert, weil die Bosse eine "feindliche Übernahme" des Vereins nicht zuließen.

Hoeneß und Rummenigge wollten nach van Gaal wieder einen Trainer, den sie "kontrollieren" können. Einen wie Ottmar Hitzfeld. Hoeneß ist mit Heynckes seit dessen erstem Engagement in München eng befreundet.

Vorstand mit Heynckes auf einer Wellenlänge

Eine (mehrmalige) öffentliche Abrechnung mit dem neuen Trainer, wie in der letzten Saison mit van Gaal, wird es nicht geben. Gegen den Niederländer gab es von Beginn an Vorbehalte im zwischenmenschlichen Bereich. Zwischen Heynckes und dem Vorstand stimmt die Chemie.

Heynckes wird auch im Umgang mit den Medien einen anderen Stil pflegen.

Van Gaal trieb in den Presserunden am Tag vor den Spielen gerne sein Spielchen mit den Journalisten und stellte einzelne Medienvertreter immer mal wieder als komplett inkompetent bloß.

Auch Heynckes wird sich regelmäßig in kleineren Runden den Medien stellen. Der Trainer behandelt die Journalisten mit der nötigen Distanz, aber auch dem nötigen Respekt und bietet im Gegensatz zu van Gaal weitaus weniger Angriffsfläche.

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