Als sich Borussia Dortmund in den Wochen vor dem Pflichtspielstart auf die neue Spielzeit vorbereitete, gab es mit Ausnahme der handelsüblichen Gerüchte um mögliche Abgänge oder Verpflichtungen keinerlei größere Aufregung. Die Personalplanungen waren zu diesem Zeitpunkt längst abgeschlossen, der Kader stand.
BVB immer mit derselben Mittelfeldformation
Und so fiel der Fokus recht schnell auf die Besetzung des Mittelfelds und die Frage, wer den Abgang von Nuri Sahin kompensieren soll und wie man mit Ivan Perisic, dem teuersten Neuzugang seit 2002, verfahren wird. Nominell stritten sich in diesem Mannschaftsteil zwölf Spieler um fünf Positionen.Nun, gut einen Monat nach dem Start der Bundesliga, lässt sich festhalten, dass Trainer Jürgen Klopp an allen vier Spieltagen dieselbe Formation aufgeboten hat. Nach den Eindrücken der Vorbereitungsphase blieben Überraschungen aus: Ilkay Gündogan kam auf der Sahin-Position zum Einsatz und der mit der ungewohnten Intensität kämpfende Perisic fand sich ebenso wie Kapitän Sebastian Kehl auf der Bank wieder.
"Es besteht kein Anlass, fünf oder sechs Wechsel vorzunehmen, wir haben eben jetzt viele Spieler auf einem sehr hohen Level", begründet Manager Michael Zorc die wenigen Veränderungen im Vergleich zur Meistersaison.
Wer ersetzt Mario Götze?
Am kommenden Wochenende im Heimspiel gegen Hertha BSC (Sa., 15.15 Uhr im LIVE-TICKER) muss Klopp jedoch erstmals eine Position neu besetzen. Grund dafür ist die Zwei-Spiele-Sperre von Mario Götze nach der Roten Karte beim Remis in Leverkusen.
Wer sich die letzten Wochen für Fußball interessiert hat, weiß spätestens jetzt, dass Götzes individuelle Qualität nur sehr schwer für den BVB zu ersetzen sein wird. Kreativität, Spielwitz, Torgefahr - niemand in Dortmunds Kader bringt diese Eigenschaften so konstant auf den Platz wie der 19-Jährige.
Bange sein muss der Borussia dennoch nicht. Der Kader ist in Tiefe und Breite gut bestückt, die Nachrücker sind motiviert und scharren bereits mit den Hufen. Missgunst innerhalb der Mannschaft bleibt beim BVB ein Fremdwort.
Entscheidung wohl zwischen Kuba und Perisic
"Wir haben genügend Alternativen. Wichtig ist, dass alle Spieler gesund von den Länderspielen zurückkehren", reagiert Klopp gelassen auf Götzes Fehlen.Seit Saisonbeginn rief der Trainer seine Ersatzspieler zu Geduld auf und kündigte an, in den kommenden intensiven Wochen jedem Profi genügend Einsatzzeiten zu geben.
Für Samstag dürfte sich Jakub Blaszczykowski gute Chancen ausrechnen, erstmals von Beginn an aufzulaufen. Der Pole ist die naheliegendste Antwort auf die Götze-Sperre, die rechte Außenbahn sein ausgemachtes Spezialgebiet. Kuba wurde zudem bereits zweimal für Götze eingewechselt, um ihn Eins-zu-Eins zu ersetzen und hinterließ dabei einen ordentlichen Eindruck.
Der Nationalspieler wechselte sich bislang mit Perisic als erste Option für eine Einwechslung ab. Der Kroate kam dabei jedoch fast ausschließlich auf der linken Seite zum Zug, kann aber auch rechts spielen. Zorc erläutert Perisics Vorteil: "Ivan gibt uns alle Alternativen im kompletten Offensivbereich." Das lässt sich über Kuba nicht sagen.
Leichtigkeit bisweilen verschwunden
Seit Pflichtspielstart kommt Perisic zumindest immer besser in Schwung. Die neu gewonnene Leichtigkeit des Neuzugangs brachte stets frischen Wind in die Partie, mit etwas mehr Glück (zweimal Aluminium, einmal Glanzparade) hätte er bereits drei Tore erzielen können.
Schaut man vergleichbare Fälle in der Vergangenheit an, dann hat Klopp meist so wenig verändert wie möglich. Perisic plötzlich auf rechts zu ziehen wäre daher eine Überraschung.Immerhin gäbe es mit Kevin Großkreutz auf der Götze-Position und Perisic auf dem linken Flügel noch eine weitere Option - Ausdruck der enormen Vielseitigkeit der Dortmunder Mittelfeldakteure.
Egal wer Götze letztlich ersetzen wird - dem Meister hatte nach dem grandiosen Saisonstart gegen Hamburg in den letzten Partien die spielerische Leichtigkeit und Variabilität gefehlt, die das Team in der Meistersaison vor allem aus dem Mittelfeld heraus ausgestrahlt hat. "Hatten wir auch in der vergangenen Saison nicht in allen 34 Spielen", lautet Geschäftsführer Hans-Joachim Watzkes trockener Konter.
Hummels: "Wir spielen uns tot"
Auch wenn es vermessen ist, von dieser Mannschaft eine Steigerung des Vorjahres zu erwarten, mangelte es zuletzt ergebnisunabhängig an der Abstimmung im Zusammenspiel der Mittelfeldketten. Unnötige Fehlpässe, falsche Laufwege, bisweilen sogar Behäbigkeit - seit dem HSV-Spiel haperte es zumindest in Ansätzen, die letzten paar Prozentpunkte fehlten.
"Wenn wir Freiräume haben, dann schalten wir im Moment etwas zu langsam. Wir verzetteln uns immer wieder in einer Ecke und spielen uns tot. So kommen wir nicht in die freien Räume", bemängelt Mats Hummels.
Bislang hat sich jeder Mittelfeldspieler mindestens ein schwächeres Spiel genehmigt. Shinji Kagawa hing zuletzt etwas durch, die Partien in Hoffenheim und gegen Nürnberg liefen größtenteils an ihm vorbei - nach seiner langen Verletzungspause und den Reisen zur Nationalmannschaft allerdings auch keine allzu überraschende Phase.
Leverkusen mit elf Torschüssen nach 45 Minuten
Auch Gündogan erwischte in diesen Spielen zwei unterdurchschnittliche Tage mit spielerischen Ungenauigkeiten und kämpft noch mit dem richtigen Timing im Umschaltverhalten.
Dem BVB war die Kreativität bisher teilweise vor allem dadurch zu nehmen, dass die Kontrahenten durch konsequentes Verschieben in beide Richtungen das Mittelfeld extrem eng machten und die Borussia genau dort zu umständlich und wenig spritzig agierte.
So standen in Leverkusen nach den ersten 45 Minuten elf Torschüsse für den Gegner auf dem Statistikzettel - 2010/2011 waren es in der gesamten Spielzeit maximal acht.
Torchancen zu Genüge
Als besonders besorgniserregend bewertet jedoch keiner der Beteiligten diese bisherigen Begleiterscheinungen - schnelle, direkte Passfolgen und daraus resultierende Torchancen hatte der BVB in jedem Spiel genügend, zumal das Mittelfeld gegen Bayer wieder deutlich leidenschaftlicher zu Werke ging.
Auch die beiden Gegentore - ein unbedeutendes gegen Hamburg und ein 35-Meter-Freistoßtreffer gegen Hoffenheim - geben wenig Anlass zur Sorge. Und Mario Götze ist ja bald auch wieder dabei.
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