Der Kampf um die Torjäger-Kanone ist spannend wie selten. Dabei hat jeder Stürmer seinen eigenen Stil - der sich statistisch belegen lässt. Welche Schwachstelle hat Mario Gomez? Warum spielt Klaas-Jan Huntelaar so viel besser als im Vorjahr? Und was macht Lukas Podolski zu einem Dreifach-Phänomen? Die elf besten Torjäger der Bundesliga unter der Lupe.
1. Mario Gomez (FC Bayern München): 16 Tore
Der Fußball der Moderne wird bestimmt von kleinen, rastlos umherschwirrenden Offensivspielern, die sich durch permanentes Rochieren jedem Gegner und jeder exakten Positionsbeschreibung entziehen. Gomez ist entsprechend ein Anachronismus: ein klassischer Mittelstürmer, der jedes Klischee erfüllt.
In der gesamten Hinrunde bestritt er 45 Dribblings, von denen er lediglich 3 Duelle für sich entschied. Das bedeutet eine Erfolgsquote von leidlichen 6,7 Prozent. Außerdem liegt er bei der Laufarbeit, wie es dem Vorurteil entspricht, im mannschaftsinternen Vergleich nur im unteren Drittel (9,8 Kilometer pro 90 Minuten).
Die Vorzüge überwiegen dennoch bei weitem: Seine 32 Tore im Kalenderjahr 2011 sind eine Marke, die zuletzt vor 34 Jahren von Dieter Müller (39 Tore) erreicht wurde. Herausragend seine 16 Hinrunden-Tore und seine Beständigkeit: Die längste torlose Zeit war die Phase zwischen dem 13. und 15. Spieltag.
Ein Beleg seiner immensen Bedeutung für die Bayern: Kein Bundesliga-Spieler erzielte so oft das 1:0 (sechsmal), genauso ein Topwert sind die 24 Treffer in allen 24 Pflichtspielen.
Dass der 26-Jährige aber nur 57,9 Prozent aller Großchancen verwertet, will so gar nicht zum Bild des Weltklasse-Neuners passen wie folgende statistische Anomalie: Trotz seiner hünenhaften 1,89 Meter auf 88 Kilogramm ist Gomez' Kopfballspiel nur mittelmäßig - was sich belegen lässt.
Zwar schloss er in der Hinrunde von seinen insgesamt 55 Torschüssen fast genauso viele per Kopf (18) wie mit dem rechten (20) oder linken Fuß (16) ab. Die Ausbeute ist jedoch wenig erbaulich: Nur 2 seiner 16 Bundesliga-Tore fielen nach einem Kopfball.
Huntelaar: Das Upgrade des Schalkers
Podolski: Das statistische Faszinosum
Platz 4: Lewandowski und Pizarro
Platz 10: Mandzukic und Ribery
2. Klaas-Jan Huntelaar (FC Schalke 04): 15 Tore
Das Urteil schien gefällt: Huntelaar ist ein Torjäger, der vom Toreschießen abgesehen keine andere Fähigkeit besitzt, die ihn für die internationale Spitze befähigt. Das mittelmäßige Debütjahr auf Schalke und die durchwachsenen Leistungen bei Milan und Real Madrid hätten dies hinlänglich bewiesen.
Doch in dieser Saison zeigt sich der Niederländer in allen Belangen verbessert. Seine Treffsicherheit (68,8 Prozent verwertete Großchancen) beeindruckt ohnehin, dem fügte er nicht geahnte spielerische Qualitäten hinzu. Huntelaar sieht mit dem Ball am Fuß noch immer ungelenk aus, ist aber mittlerweile besser ins Zusammenspiel eingebunden: Vergangenes Jahr gab er nur 1 Torvorlage, jetzt sind es nach der Hinrunde bereits 5 Assists.
Stellvertretend dafür: seine Vorlage zum zweiten Treffer beim 5:0 gegen Bremen (siehe Video). Statt nur auf seinen eigenen Abschluss zu achten, passt er quer zu Raul.
Auffällig außerdem, wie er an seinem Defensivverhalten arbeitete: Unter den Top-11-Stürmern läuft keiner so viel (11,0 Kilometer pro 90 Minuten) wie Huntelaar - genau wie seine hohe Anzahl an Fouls (34) ein Indiz für sein Bemühen im Spiel gegen den Ball.
Dass er zudem gezielt an seinen Sprint-Fähigkeiten arbeitete, deutet seine Gefährlichkeit bei Kontern an: Gleich fünfmal traf er nach einem Schnellangriff - Topwert hinter Podolski (6). Aus dem eindimensionalen Huntelaar wurde ein kompletter Stürmer.
Podolski: Das statistische Faszinosum
Platz 4: Lewandowski und Pizarro
Platz 10: Mandzukic und Ribery
3. Lukas Podolski (1. FC Köln): 14 Tore
Er ist ein statistisches Faszinosum. Mr. 100 Prozent. Mr. Linksfuß. Mr. Konter.
Es gibt niemanden, der sich auf solche Extreme reduzieren lässt: Podolskis Erfolgsquote bei Großchancen beträgt unglaubliche hundert Prozent, Podolski erzielte alle 14 Saisontore mit dem linken Fuß, Podolskis 6 Tore nach Kontern sind ebenfalls unerreicht.
Vor allem seine Fokussierung auf den linken Fuß ist erstaunlich: Dass ihm weder mit dem rechten Fuß noch mit dem Kopf ein Tor gelang, ist das eine. Das andere, dass von seinen 45 Torschüssen gleich 43 auf seinen linken Fuß gehen.
Podolski verlässt sich fast ausschließlich auf seine Spezialwaffe - und läuft zudem so wenig wie kein anderer. 9,4 Kilometer und überschaubare 12,4 Sprints pro 90 Minuten sind beides der Minuswert unter den Top-11-Stürmern.
All das ist aber zu verschmerzen angesichts seiner Wertigkeit für Köln: An 19 der 27 Treffer war Podolski direkt beteiligt, womit er der wertvollste Bundesliga-Spieler ist.
Huntelaar: Das Upgrade des Schalkers
Platz 4: Lewandowski und Pizarro
Platz 10: Mandzukic und Ribery
4. Claudio Pizarro (Werder Bremen): 12 Tore
Felix Magath erklärte vor einigen Wochen, dass Pizarro der beste Stürmer sei, mit dem er je zusammengearbeitet hat. Ein berechtiges Lob, ist der Perunaer doch der statistisch kompletteste Stürmer der Liga. Er lässt sich in keine Kategorie packen, weil er im Grunde keine Schwäche hat und den Wesenszugs einer Nummer 9 und Nummer 11 in sich vereint.
Pizarro ist eiskalt (66,7 Prozent verwertete Großchancen) und kopfballstark (4 Treffer), gleichzeitig dribbelt er vorzüglich (31 von 95 gewonnen) und versteht sich als Bindeglied zwischen Mittelfeld und Angriff.
368 gespielte Pässe und 39 Torschussvorlagen sind für einen reinen Stürmer überdurchschnittlich, genauso die 47 Ballkontakte pro 90 Minuten. Und: Von den Top-11-Torjägern ist er hinter Ribery der beste Assistgeber (7 Vorlagen).
4. Robert Lewandowski (Borussia Dortmund): 12 Tore
Ähnlicher Spielertyp wie Pizarro: Der Pole lässt sich ebenfalls häufig zurückfallen (10,6 Kilometer pro 90 Minuten), ist ein spielender Stürmer (6 Vorlagen) - und geht resolut in die Zweikämpfe (30,6 Duelle pro 90 Minuten). Kein Top-11-Stürmer außer Mandzukic wird so oft gefoult (40 Mal) oder foult selbst (36 Mal).
Erstaunlich die gleichmäßige Aufschlüsselung seiner Torabschlüsse: 21 gehen auf seinen rechten Fuß, 16 auf seinen linken Fuß, 16 auf seinen Kopf. Bemerkenswert seine neu entwickelte Nervenstärke: 58,3 Prozent verwertete Großchancen sind genauso evident wie seine 5 Treffer, die das 1:0 für den BVB bedeuteten.
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Podolski: Das statistische Faszinosum
Platz 10: Mandzukic und Ribery
6. Raul (FC Schalke 04): 10 Tore
Der Spielmacher im Körper eines Torjägers: Als hängende Spitze nicht weiter verwunderlich, spielt Raul mehr Pässe als jeder andere Top-11-Stürmer (578) und bereitete 5 Tore vor. Dass er sich bevorzugt im Mittelfeld aufhält, um dann seinem Gegenspieler zu entwischen und in die gefährliche Zone zu schleichen, zeigte das zwischenzeitliche 2:0 gegen Bremen (siehe Video).
Zwar fehlt ihm der Antritt vergangener Tage, 10,2 Sprints pro 90 Minuten und die Höchstgeschwindigkeit von 29,8 km/h sind jeweils der schlechteste Wert unter den Top-11-Stürmern. Dass er dennoch an 15 Schalker Toren beteiligt war und 80 Prozent der Großchancen verwertete, beweist seine Ruhe und Cleverness. Vermutlich verdankt er auch seiner Fußball-Intelligenz die gute Bilanz von 40,9 Prozent gewonnenen Zweikämpfen.
6. Marco Reus (Borussia Mönchengladbach): 10 Tore
Die Offenbarung der Saison: Ungemein präsente Spielweise für einen Stürmer mit 63,3 Ballkontakten pro 90 Minuten und 118 Dribblings in der Hinrunde, von denen er konkurrenzlose 47 gewann.
Sein Antritt ist dafür verantwortlich, dass er die gegnerische Abwehr aufreißt und entweder selbst zum Abschluss kommt (41,7 Prozent verwertete Großchancen), seine Mitspieler einsetzt (46 Torschussvorlagen, 4 Assists) oder häufig regelwidrig gestoppt wird (35 Mal gefoult worden).
Seine Schwachstelle: der Kopfball. Von 61 Abschlüssen war keiner per Kopf, ebenso verliert er überproportional viele Kopfball-Zweikämpfe (73,8 Prozent).
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Platz 10: Mandzukic und Ribery
8. Mohammed Abdellaoue (Hannover 96): 9 Tore
Das Gesicht zum Hannover-Fußball. Das Verhalten von 96 lässt sich in Kurzform so zusammenfassen: über Konter zum Torerfolg kommen und ansonsten dem Gegner das Feld überlassen. Genau das setzt Abdellaoue um.
Er geht nur im Notfall ins Dribbling (nur 31 Versuche), läuft fast so wenig wie Podolski (9,7 Kilometer pro 90 Minuten) und seine 126 Pässe sowie 14 Torschussvorlagen werden von jedem anderen Top-11-Stürmer übertroffen.
Der Norweger lässt sich auf seine große Stärke reduzieren: den Tor-Abschluss (88,9 Prozent verwertete Großchancen).
8. Papiss Cisse (SC Freiburg): 9 Tore
Es mag verwundern, aber Cisse ist entgegen der oberflächlichen Vermutung kein Stürmer, der nur in vorderster Front verharrt und auf Chancen wartet. Zwar steht er so oft wie kein anderer Stürmer im Abseits (40 Mal), dennoch ist er gewillt, zum Spielaufbau beizutragen (44,2 Ballkontakte) und bei Bedarf auch auf die Außen auszuweichen.
Seine 34 geschlagenen Flanken, von denen 2 zu Toren führten, sind der Bestwert unter den Top-11-Stürmern. Diese Betriebsamkeit könnte jedoch auch dazu führen, dass ihm in den entscheidenden Situationen die nötige Konzentration abgeht: 38,9 Prozent verwertete Großchancen ist die schwächste Ausbeute unter den Topleuten.
Huntelaar: Das Upgrade des Schalkers
Podolski: Das statistische Faszinosum
Platz 4: Lewandowski und Pizarro
Platz 10: Mandzukic und Ribery
10. Mario Mandzukic (VfL Wolfsburg): 8 Tore
Der vielleicht beste Kopfballspieler: Während er den linken Fuß nur für den Stand nutzt, trifft er mit rechts (4 Tore) und vor allem mit dem Kopf (4 Tore) hochprozentig. Von den 48 Torabschlüssen verteilen sich 26 Versuche auf rechts und 19 auf den Kopf, nur dreimal zog er mit links ab.
Immerhin stimmt der Ertrag: Der Kroate verwandelt 83,3 Prozent seiner Großchancen. Seine Bedeutung für das sonst so schwache Wolfsburg wird durch sein starkes Zweikampfverhalten (45,5 Prozent gewonnene Duelle) und die beispiellose Zähigkeit (46 Mal gefoult worden, 54 Mal selbst gefoult) untermauert.
10. Franck Ribery (FC Bayern München): 8 Tore
Sein Aufblühen unter Jupp Heynckes lässt sich auch empirisch nachzeichnen: 85,1 Ballkontakte pro 90 Minuten und 42 Torschussvorlagen fallen genauso auf wie die hohe Anzahl an gewonnenen Dribblings (77 von 176), die hohe Passsicherheit (83,6 Prozent) sowie die Effektivität vor dem Tor (60 Prozent verwertete Großchancen).
Sogar mit seinem schwachen linken Fuß erzielte er genauso viele Tore wie mit dem rechten Fuß (je 4 Treffer).
Die Kehrseite: Wegen seines Zugs zum Tor vernachlässigt er das klassische Flügelspiel: Von 37 Flanken führte keine zu einem Tor.
Huntelaar: Das Upgrade des Schalkers
Podolski: Das statistische Faszinosum