Uli Hoeneß: "Wir sind am Hort der Glückseligkeit"

Fatih Demireli
30. Dezember 201109:03
Uli Hoeneß auf dem Münchner Oktoberfest mit seiner Frau SusanneGetty
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Im ersten Teil des SPOX-Interviews anlässlich seines 60. Geburtstags am 5. Januar sprach Uli Hoeneß über sein Lebenswerk, Arbeitsethos und seine Vorliebe für die Streitkultur. Im zweiten Teil spricht der Präsident des FC Bayern München über Lebensfreude, Kartenspielen am Tegernsee, Burnout im Fußball und seine berufliche Zukunft.

SPOX: Herr Hoeneß, gibt es in Ihrem Leben noch das ganz große Ziel oder den ganz großen Wunsch?

Hoeneß: Vielleicht klingt das langweilig, aber es soll uns nicht schlechter gehen als heute. Ich muss nicht nach Hawaii oder auf die Malediven. In München auf den See schauen, ist auch schön. Wir Deutschen müssen jeden Tag drei Kerzen anzünden. Schauen Sie sich die hohe Jugend-Arbeitslosigkeit in Spanien oder England an. Wir sind im Hort der Glückseligkeit.

SPOX: Schauen Sie denn öfter genussvoll zu Hause auf den Tegernsee?

Hoeneß: Ich habe zum ersten Mal nach dem Champions-League-Finale 2001 eine Zigarre geraucht. Heutezutage ist es für mich das allerhöchste Glücksgefühl, eine Zigarre zu rauchen. Ich rauche nicht jede Woche eine, aber wenn Jens Jeremies und Manni Schwabl zum Schafkopfen kommen, wird eine geraucht. Ich habe gelernt, Zufriedenheit zu genießen.

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SPOX: Überkommt Sie mit 60 Jahren das Gefühl, den Großteil des Lebens hinter sich gebracht zu haben und dass jetzt der Rest kommt?

Hoeneß: Dieses Gefühl habe ich nicht. Es überkommt mich, wenn jemand im nahen Umfeld schwer erkrankt oder stirbt. Diese Einschläge kommen häufiger als vor zehn Jahren, das ist klar, aber damit muss ich fertig werden.

SPOX: Haben Sie Vorsätze für das neue Jahr?

Hoeneß: Wie immer will ich fünf bis zehn Kilo abnehmen. Die beste Therapie für mich ist aber, stressfrei zu bleiben. Es muss alles passen: die Börsen, die Wurstfabrik, der FC Bayern.

SPOX: Beim FC Bayern passt ja auch sportlich einiges zusammen.

Hoeneß: Selten hat es ein Jahr gegeben, in dem wir so zufrieden sein konnten, wie jetzt. Es ist nicht nur der Zustand, dass wir Herbstmeister sind, sondern die wirtschaftliche Situation, die Ruhe im Verein. Es gibt keine großen Konflikte. Das Geheimnis ist: intern Ruhe haben. So kann man angreifen. So wie wir das vor allem in den Heimspielen getan haben. Ich denke an Hertha, Freiburg oder Hamburg - da war nach einer halben Stunde alles erledigt. Da sitze ich ganz anders auf der Tribüne, kann in der Pause auch mal einen Glühwein trinken oder einen Apfelstrudel essen.

SPOX: Ist es auf der Tribüne schöner als auf der Bank?

Hoeneß: Auf der Bank ist es intensiver. Das war pures Adrenalin, wenn man den Linienrichter beschimpfen konnte. Ich bin total entspannt da oben. Ich bin im Gegensatz zu Karl-Heinz Rummenigge wie ein Lamm.

SPOX: Aber nach einem Spiel lassen Sie gerne noch Dampf ab.

Hoeneß: Ja, ich habe ab und zu das Bedürfnis. Wie zum Beispiel in Hannover. Da habe ich gesagt: 'Ich gehe jetzt runter und hau' den Pinto an die Wand.' Nicht nur wegen unserem Spiel, sondern immer wenn ich Hannover gucke, ist eine Schauspielerei von Pinto dabei. Wir sprechen im Vorstand ab, wer was sagt.

SPOX: Sie sind nach wie vor ein gern gesehener Gesprächspartner für die Medien. Bereuen Sie manchmal Ihre Popularität?

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Hoeneß: Ganz selten. Nur wenn ich nicht gut drauf bin und meine Ruhe haben will. Aber manchmal ist es schon Wahnsinn. Wenn ich früher aufs Oktoberfest gegangen bin, war ich zwölf Stunden draußen und habe einige Maß Bier getrunken. Heutzutage werde ich 500 Mal fotografiert, wenn ich aus einem Bierzelt komme. Da muss ich aufpassen, dass ich noch gerade laufe. Die neueste Krankheit ist, dass berühmte Menschen einfach fotografiert werden. Ich gehe ungern im Stadion in den VIP-Raum, weil ich es bescheuert finde, dass man sich vollfrisst und dann zu spät zum Spiel kommt. Wenn ich aber dann da stehe, habe ich 15 Minuten Fotosession.

Lesen Sie weiter: Hoeneß über Burnout im Fußball und seine berufliche Zukunft

SPOX: Fühlen Sie sich verfolgt?

Hoeneß: Nein, aber alles, was ich tue, ist geprägt von Aufpassen. In der Wurstfabrik geben wir mehr Geld als jede andere Firma auf der Welt für Hygiene aus. Wir wissen: Wehe es passiert etwas...Es geht aber nicht nur um mich, es geht um den gesamten Fußball. Wir alle werden ja 24 Stunden lang berieselt. Das ist ein Problem. Wenn ich früher einer Zeitung ein Interview gegeben habe, haben am nächsten Tag die anderen Zeitungen noch einen kurzen Auszug gebracht. Wenn ich Ihnen heute um 12 Uhr ein Interview gebe und da ist was Lustiges drin, ist das spätestens um 13 Uhr im Internet. Damit ist das Spiel ohne Grenzen erreicht. Das ist kein Vorwurf, aber es ist Fakt. Abgesehen davon, fehlt mir in den Medien oft der Respekt.

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SPOX: Nennen Sie ein Beispiel.

Hoeneß: Ich würde es nie erlauben, dass es in einem Fußball-Magazin die Rubrik "Der schlechteste Schiedsrichter" gibt. Das ist respektlos. Die Medien müssen die Dinge transportieren, aber man darf es nicht übertreiben. Als ich für Rene Obermann (Vorstandsvorsitzender der Deutschen Telekom, d. Red.) in Berlin eine Laudatio halten sollte, waren 1000 Leute und 50 Journalisten da. Auf dem roten Teppich haben mich zehn Leute hintereinander gefragt, wie ich die Italien/Griechenland-Krise lösen würde? Ich habe gesagt: 'Ich bin nicht der Messias, aber ich würde Ihnen allen verbieten, drei Monate über das Thema zu schreiben.'

SPOX: Neben dem "schlechtesten Schiedsrichter" gibt es aber auch den "schlechtesten Spieler" bzw. "die Enttäuschung des Jahres". Muss man sich dem nicht stellen?

Hoeneß: Ein Spieler kann sich wehren, ein Schiedsrichter nicht.

SPOX: Wie kann sich der Spieler wehren?

Hoeneß: Indem er besser Fußball spielt.

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SPOX: Der Schiedsrichter kann besser pfeifen.

Hoeneß: Das ist die Frage. Vielleicht kann er es nicht besser.

SPOX: Vielleicht kann es der Spieler auch nicht besser.

Hoeneß: Dann muss er einen anderen Beruf suchen. Die Schiedsrichter sind schon in einem anderen Spannungsfeld als die Spieler. Wenn ein Spieler einen schlechten Tag hat, können dich die anderen zehn Spieler da rausziehen. Wenn du ein Eigentor machst, kannst du dennoch 2:1 gewinnen. Wenn du als Schiedsrichter ein Riesenproblem hast, musst du wieder raus. Nach dem Fall Babak Rafati gab es zwei, drei Spiele, nach denen ich dem Schiedsrichter am liebsten richtig meine Meinung gesagt hätte. Ich habe es nicht gemacht - genau deswegen.

SPOX: Es gab nach Rafati viele, die sich nicht daran gehalten haben.

Hoeneß: Aber das gehört ja auch dazu. Entscheidend ist, dass ich nicht glaube, dass es einen Schiedsrichter kaputt macht, wenn ich ihm sachlich begründen kann, dass er einen Mist gepfiffen hat. Wenn er und seine Familie aber jeden morgen lesen müssen, was wieder passiert ist, nimmt ihn das mit. Da unterschätzen die Medien ihren Einfluss. Insgesamt denke ich, dass das Thema in den letzten Jahren im Fußball zu hochgespielt wird. Bei Siemens gibt es proportional sicher mehr Burnouts als im Fußball.

SPOX: Können Sie sich vorstellen, neben dem Präsidenten-Amt beim FC Bayern noch andere Ämter im Fußball zu übernehmen? Immerhin haben Sie in der Vergangenheit über den Posten des Liga-Präsidenten nachgedacht.

Hoeneß: Das ist auch ein großer Unterschied zum Amt des DFB-Präsidenten. Das kam für mich nie in Frage. Als Liga-Präsident könnte ich weiter Klub-Präsident bleiben. Eins steht auf alle Fälle fest: Den FC Bayern gebe ich nicht so schnell auf.

Hier lesen Sie den ersten Teil des Interviews mit Uli Hoeneß