Bayer Leverkusen drückt mit der Dutt-Entlassung auf die Reset-Taste. Alles steht auf dem Prüfstand - selbst Boss Wolfgang Holzhäuser gibt sich ungewohnt selbstkritisch. Die Liste an Trainer-Kandidaten ist lang und prominent. Die 5 brennenden Fragen.
1. Frage: Wie ist der aktuelle Stand?
Immerhin: Die Zusammenarbeit wurde Sonntagmittag mit Anstand beendet. Robin Dutt bat eigens die Bayer-Verantwortlichen darum, bei der Pressekonferenz vor die Medien treten zu dürfen, um sich würdevoll zu verabschieden: "Ich bin durch die Vordertür rein und möchte nicht durch die Hintertür raus."
BLogVon Stanislawski bis Sammer - wer passt zu Bayer?
Der freigestellte Trainer verteidigte die Spieler und sprach eigene Fehler an: "Der Schritt des Vereins ist nachzuvollziehen. Den Schlüssel suche ich ausschließlich bei mir. Ich mache der Mannschaft keinen Vorwurf. In den letzten vier Wochen sind Dinge passiert, die ich so nicht analysieren kann. Es gibt Dinge, die ich in Zukunft anders machen werde."
Am Tag zuvor hatten Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser und Sportdirektor Rudi Völler aus Entsetzen über den desolaten Auftritt beim 0:2 gegen Freiburg noch während der Partie die Tribünenplätze verlassen, um sich in der Abgeschiedenheit von Völlers Büro zu beraten.
Die fünf Niederlagen in Folge und das mögliche Verpassen eines Europa-League-Platzes gaben den Ausschlag für die Entlassung von Dutt und dessen Assistenten Damir Buric und Marco Langner. "Wir mussten ein Zeichen setzen", sagte Holzhäuser.
Als Nachfolger wurde eine Doppellösung vorgestellt: Ex-Profi Sami Hyypiä übernimmt als Teamchef gemeinsam mit dem A-Jugendtrainer Sascha Lewandwoski. Völler: "Mit dem Team Hyypiä/Lewandowski wollen wir das Ruder herumreißen und wieder richtig Fahrt aufnehmen."
1. Frage: Wie ist der aktuelle Stand?
2. Frage: Warum übernehmen Hyypiä/Lewandowski?
3. Frage: Welche Lehren ziehen die Entscheidungsträger?
4. Frage: Wie geht es in Leverkusen weiter?
5. Frage: Welches Gesicht bekommt die Mannschaft?
2. Frage: Warum übernehmen Hyypiä/Lewandowski?
Sie ist die Mutter aller Interimslösungen: Mit Sami Hyypiä wurde ein in der Mannschaft und bei den Fans außergewöhnlich beliebter und respektierter Ex-Profi zum Teamchef berufen, der Kraft seiner weltmännischen Aura die pessimistische Grundstimmung im Verein verbessern soll.
Über welch Ansehen der 38-Jährige verfügt, beweist eine Aussage von Bayern-Trainer Jupp Heynckes. So seien ihm in der langen Karriere drei Fußballer besonders in Erinnerung geblieben: Lothar Matthäus ("Einer der besten Spieler, den ich je trainiert habe"), Fernando Redondo ("Der Prototyp eines Profis") und eben Hyypiä. In seiner letzten aktiven Saison in Leverkusen agierte der Finne unter Heynckes als inoffizieller Co-Trainer auf dem Platz, weil er die nötige Autorität und die Weitsicht mitbrachte.
spoxDa Hyypiä aber nicht über die von der DFL zwingend vorgeschriebene Fußballlehrer-Lizenz verfügt, stellt ihm Leverkusen mit Sascha Lewandowski einen - zumindest formal - gleichberechtigten Partner zu Seite.
Der 40-jährige Lewandowski beendete Anfang 2011 den einjährigen Fußballlehrer-Kurs als Drittbester und tritt offiziell als Cheftrainer auf.
Im Gegensatz zu Hyypiä war Lewandowski keine illustre Profi-Karriere vergönnt, dafür gehört er seit mehreren Jahren zu den besten Jugendtrainern Deutschland. 2007 wechselte er von Bochum zur U 19 von Bayer und weist seitdem einen imposanten Schnitt von 2,2 Punkten pro Spiel auf. In den ersten vier Saisons lag Leverkusens A-Jugend in der Abschlusstabelle der Bundesliga West nie schlechter als auf Rang drei, zweimal zog sie sogar in das Endspiel der deutschen Meisterschaft ein.
Aus dem aktuellen Profikader trainierte Lewandowski drei Spieler: Danny da Costa, Bastian Oczipka und der von den Bayern umworbene Reservekeeper Fabian Giefer.
DFB-Sportdirektor Matthias Sammer sagte bei "Sky": "Lewandowski hat auf mich einen positiven Eindruck gemacht. Ich traue ihm das zu. Ich finde, die Situation in Leverkusen gar nicht so uninteressant."
1. Frage: Wie ist der aktuelle Stand?
2. Frage: Warum übernehmen Hyypiä/Lewandowski?
3. Frage: Welche Lehren ziehen die Entscheidungsträger?
4. Frage: Wie geht es in Leverkusen weiter?
5. Frage: Welches Gesicht bekommt die Mannschaft?
3. Frage: Welche Lehren ziehen die Entscheidungsträger?
Der sonst so bärbeißige Wolfgang Holzhäuser zeigte sich ungewohnt emotional, als er die Entlassung von Dutt bekanntgab: "Mir ist es noch nie so schwer gefallen wie diesmal. Ich bedauere dies zutiefst und es geht mir menschlich auch sehr nahe."
Mehr noch: Leverkusens Geschäftsführer gestand offen Verfehlungen ein. "Vielleicht haben Rudi Völler und ich, ich insbesonders, am Anfang den einen oder anderen Fehler in der Kommunikation gemacht. Vielleicht hätten wir erkennen müssen, dass man kommunikativer nach außen wirken muss, bevor man mit Robin Dutt ein mittel- und langfristiges Konzept versucht umzusetzen."
Die Einsicht kommt zur rechten Zeit, ist die misslungene Öffentlichkeitsarbeit doch mitverantwortlich für die Misere. Holzhäuser gerierte sich allzu übertrieben als mächtiger Vorgesetzter (Leitsatz: "Ich kann es mir rausnehmen als Klubchef") und brachte die Mannschaft unter anderem mit der Kritik an Renato Augusto ("Alibi-Kicker") gegen sich auf. Ebenso endete die Posse um Michael Ballack in einem PR-Desaster, weswegen sich sogar Intimus Völler von Holzhäuser distanzierte.
Noch in der vergangenen Woche wurde Ex-Trainer Dutt von Holzhäuser öffentlich gemaßregelt, als dieser über ein mögliches Abschiedsspiel für Torwart Rene Adler sprach. "Wir haben im Moment größere Sorgen, als ein Rene-Adler-Abschiedsspiel zu diskutieren", sagte Holzhäuser und sorgte damit für eine weitere unappetitliche Episode.
Entsprechend kritisch wird der ohnehin polarisierende Holzhäuser nun gemustert. DFB-Sportdirektor Matthias Sammer: "Herr Holzhäuser hat in den letzten Monaten viel erzählt. Mir wäre es lieber gewesen, er hätte in der letzten Zeit weniger erzählt." Die Botschaft ist bei Holzhäuser offensichtlich angekommen.
1. Frage: Wie ist der aktuelle Stand?
2. Frage: Warum übernehmen Hyypiä/Lewandowski?
3. Frage: Welche Lehren ziehen die Entscheidungsträger?
4. Frage: Wie geht es in Leverkusen weiter?
5. Frage: Welches Gesicht bekommt die Mannschaft?
4. Frage: Wie geht es in Leverkusen weiter?
Sami Hyypiä und Sascha Lewandowski werden bis Saisonende die Mannschaft betreuen, danach sind alle Varianten denkbar: Die beiden werden je nach Erfolg fest installiert - oder Leverkusen sucht sich einen neuen Cheftrainer.
Mögliche Kandidaten gibt es zuhauf: Als Favorit gilt der dieses Jahr wegen Burn-out pausierende Ralf Rangnick, der es in Hoffenheim verstand, sich mit einem Finanzier (Dietmar Hopp) zu arrangieren und etwas Nachhaltiges aufzubauen. Leverkusen als Werksklub des Bayer-Konzerns ist von der Organisationsform her mit Hoffenheim zu vergleichen.
In Betracht kommen ebenfalls Holger Stanislawski und Bernd Schuster, zwischen 1993 und 1996 in Leverkusen als Spieler tätig. Beide sind vertragslos.
Weitere arbeitslose Trainer, deren Chancen aufgrund fehlender oder verloren gegangener Reputation jedoch verschwindend gering sind: Ex-Coach Michael Skibbe, Thomas Doll, Fred Rutten, Lothar Matthäus. Christian Wörns (jüngst die Fußballlehrer-Lizenz erworben), Bernd Schneider (A-Lizenz) und Ulf Kirsten (Ex-Trainer Bayer II) gehören zum Kreis jener Ex-Leverkusen-Stars mit Coaching-Ambitionen.
Thomas Tuchel (Mainz), Dieter Hecking (Nürnberg) und Mike Büskens (Fürth) sind zwar gebunden, würden mit ihrem Gespür für Talente aber Leverkusens Anforderungsprofil perfekt entsprechen.
Eine interessante Option: Laut "Express" denkt Bayer daran, Bayerns Assistenten Peter Herrmann im Sommer zurückzuholen. Hermann arbeitete von einer einjährigen Unterbrechung in Nürnberg abgesehen zwischen 1989 und 2011 durchgängig in Leverkusen und wechselte vor dieser Saison gemeinsam mit Jupp Heynckes nach München. Er ist einer der wenn nicht der beste Co-Trainer Deutschlands und würde sich als Mentor für Hyypiä anbieten.
1. Frage: Wie ist der aktuelle Stand?
2. Frage: Warum übernehmen Hyypiä/Lewandowski?
3. Frage: Welche Lehren ziehen die Entscheidungsträger?
4. Frage: Wie geht es in Leverkusen weiter?
5. Frage: Welches Gesicht bekommt die Mannschaft?
5. Frage: Welches Gesicht bekommt die Mannschaft?
Es war nur ein Nebensatz bei Robins Dutts Abschiedspressekonferenz. Doch es war ein Nebensatz, der aufhorchen ließ. Explizit bedankte sich der Ex-Trainer bei den "jungen Spielern" im Kader, "die die Stange gehalten und Gas gegeben haben".
Die Aussage dient als weiterer Beleg für das Offensichtliche: Leverkusens Mannschaft ist in zwei Lager gespalten. Hier die Talente, dort die Erfahrenen. Das gescheiterte Ballack-Projekt nahm Holzhäuser daher zum Anlass, die grundsätzliche Frage nach der zukünftigen Kadergestaltung zu stellen.
So ließ er bereits im Sommer wissen: "Wir werden Ende des Jahres beginnen, den Kader auf Dauer umzustrukturieren. Unsere Leistungsträger wie Stefan Kießling oder Simon Rolfes werden ja nicht jünger. Wir müssen uns nach Spielern umschauen, die Nachfolger unserer Noch-Leistungsträger werden können."
Entsprechend wahrscheinlich ist es, dass die Mannschaft nach dieser Saison weiter verjüngt wird. Philipp Wollscheid (23 Jahre) und Jens Hegeler (24) stoßen definitiv dazu und könnten die Planstellen von Manuel Friedrich (32) und Rolfes (30) übernehmen.
Bei aller Nachwuchsförderung bleibt jedoch ein Grundübel: Durch die Demontage eines Ballack oder Rolfes fehlt der Mannschaft eine Hierarchie. Zwar wurden die Jüngeren gestärkt - doch diese zeigen sich ob der Verantwortung überfordert.
Ein auffälliges Muster: Mit Gonzalo Castro, Renato Augusto (beide 24), Stefan Reinartz, Daniel Schwaab, Eren Derdiyok, Bastian Oczipka (alle 23), Lars Bender, Ömer Toprak (beide 22) sowie Andre Schürrle und Karim Bellarabi (beide 21) sind gleich zehn Spieler aus dem erweiterten Stamm zwischen 24 und 21 Jahre alt. Doch von Bender abgesehen ging ihnen bei allem Talent die nötige Stabilität ab.
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2. Frage: Warum übernehmen Hyypiä/Lewandowski?
3. Frage: Welche Lehren ziehen die Entscheidungsträger?