SPOX: Herr Kovac, Sie waren fast 15 Jahre in der Bundesliga aktiv, unter anderem für Bayern und Dortmund. Derzeit scheint es so, als seien beide Klubs mehr mit Streitereien außerhalb des Feldes beschäftigt als mit dem Geschehen auf dem Platz. Werden Erinnerungen an Ihre Zeit wach?
Robert Kovac: Das gehört doch dazu, wenn zwei Teams jedes Jahr die Titel unter sich ausmachen. Die Bundesliga macht so etwas doch viel interessanter. Das war früher mit Leverkusen oder Bremen als Bayern-Jäger auch nicht anders.
SPOX: Gerade Karl-Heinz Rummenigges Äußerungen über die Ausstiegsklausel von Marco Reus sorgten für reichlich Diskussionen. Ist der Bayern-Boss zu weit gegangen?
Kovac: Rummenigge übernimmt derzeit etwas den Part, den früher Uli Hoeneß inne hatte. Der FC Bayern will eben nur die besten Spieler holen. Und dass Dortmund sehr gute Spieler hat, ist ja unbestritten. Es geht aber nicht in erster Linie darum, den Gegner zu schwächen, sondern sich selbst zu verstärken. Außerdem haben Transfers innerhalb der Liga einen großen Vorteil: Der Neuzugang kennt das Land, die Gegner und kann meistens auch schon die Sprache. Das ist bei internationalen Wechseln selten der Fall.
SPOX: Mit Mehdi Benatia und Xabi Alonso kamen kurz vor dem Ende der Transferperiode trotzdem noch zwei namhafte Spieler aus dem Ausland. Bleibt die Frage: Was passiert, wenn alle fit sind?
Kovac: Diese Frage ist berechtigt. Solange einzelne Stars verletzt sind, kommt keine Unruhe auf. Aber Guardiola ist ein großer Trainer und hat in Barcelona bewiesen, dass er mit einem breiten Kader gut umgehen kann. Ottmar Hitzfeld hatte zu meiner Zeit eine ähnliche Herausforderung und hat das mit viel Rotation sehr erfolgreich gelöst.
SPOX: Trotzdem hat sich sofort die Diskussion entzündet, inwieweit die Identität des FC Bayern durch Guardiolas Transfers noch als solche vorhanden ist. Sollten Neuer und Lahm ausfallen, wäre eine Top-Elf ohne einen deutschen Spieler jederzeit möglich.
Kovac: Das sind typische Diskussionen. Louis van Gaal hat in Barcelona mit mehreren Niederländern große Erfolge gefeiert. Nur darum geht es. Wenn Erfolg da ist, ist es total egal, wer spielt. Natürlich hat Guardiola die Mannschaft in einem Jahr umgebaut. Aber er weiß, was er tut. Ich mache mir keine Sorgen um die Bayern.
SPOX: Dieser Umbau forderte auch Opfer, unter anderem Mario Mandzukic. Er musste die Bayern verlassen. Können Sie das nachvollziehen?
Kovac: Mario war einfach unzufrieden. Im Jahr davor hat er überragend gespielt und war maßgeblich am Triple beteiligt. Unter Guardiola war er dann nicht mehr so eingebunden. Mario will im Strafraum spielen und sich dort die Chancen erarbeiten, im neuen System war er aber vermehrt auch außerhalb gefordert.
SPOX: Trotzdem wurde er harsch kritisiert. Das Bad-Boy-Image haftet nicht erst seit dem offenen Streit mit Guardiola an ihm.
Kovac: Mario ist kein Bad Boy. Er ist ein netter Junge, der immer alles für die Mannschaft gibt. Seine harte Spielweise führt manchmal zu kritischen Bemerkungen. Und natürlich ist es schwer, wenn du nach dem Triple so gefeiert wirst, und im nächsten Jahr weniger Einsätze bekommst. Ich bin mir sicher, dass er bei Atletico wieder aufblühen wird.
SPOX: Das Beispiel Mandzukic zeigt gut, dass Guardiola seinen Weg geht. Das gilt auch für die Integration der Dreierkette bei den Bayern. Sie haben als Spieler beide Abwehr-Formationen gespielt. Was macht in München mehr Sinn?
Kovac: Wenn man genau hinsieht, hat Guardiola auch über weite Strecken der letzten Saison schon eine Art Dreierkette mit sehr offensiven Außenverteidigern spielen lassen. Wenn man so wie er den Ballbesitz im Mittelfeld weiterentwickeln möchte, macht das durchaus Sinn. Mich persönlich überzeugt die Viererkette etwas mehr, aber es kommt natürlich auch auf den Kader an. Der FC Bayern hat mit Alaba und Lahm die wohl besten Außenverteidiger der Welt, da sind beide Formationen kein Nachteil.
SPOX: Dafür fehlt ein klarer Abwehrchef. Braucht man den heute eigentlich noch? Wie war die Rollenverteilung in Ihrer Münchner Zeit?
Kovac: Entscheidend ist, dass man zusammen mit dem Torhüter die Abwehr bestmöglich organisiert. Da sind alle gefragt. Bei uns hat das mit Thomas Linke und Sammy Kuffour sehr gut geklappt. Außerdem stand mit Oli Kahn der wahre Abwehrchef ja hinter uns im Tor (lacht).
SPOX: Geändert hat sich der Anspruch in puncto Spielaufbau für Abwehrspieler. Mats Hummels wird oft als Paradebeispiel für eine starke Spieleröffnung genannt. Können Sie das als ehemaliger Verteidiger bestätigen?
Kovac: Auf jeden Fall! Übertrieben gesagt musste man früher als Verteidiger seinen Zweikampf gewinnen und dann den Ball abgeben. Heutzutage soll man frühzeitig die gegnerische Offensive binden, um dann mit einer schneller Verlagerung eine Überzahl im Mittelfeld zu schaffen. Dazu kommen mit der Generation um Manuel Neuer Torhüter, die offensiv agieren und das Spiel dadurch viel schneller machen.
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