"KHR übernimmt den Hoeneß-Part"

Jonas Schützeneder
03. September 201413:35
Gemeinsam erfolgreich: Niko und Robert Kovac wollen mit Kroatien zur EM 2016.getty
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Robert Kovac hat die Seiten gewechselt. Nach seiner aktiven Zeit als Profi, in der er unter anderem für die Bayern und Borussia Dortmund spielte, arbeitet der ehemalige Innenverteidiger mittlerweile als Co-Trainer für die kroatische Nationalmannschaft. Im Interview spricht der 40-Jährige über den Rekordmeister unter Pep Guardiola, den Abschied von Mario Mandzukic und Kroatiens Youngsters um Alen Halilovic.

SPOX: Herr Kovac, Sie waren fast 15 Jahre in der Bundesliga aktiv, unter anderem für Bayern und Dortmund. Derzeit scheint es so, als seien beide Klubs mehr mit Streitereien außerhalb des Feldes beschäftigt als mit dem Geschehen auf dem Platz. Werden Erinnerungen an Ihre Zeit wach?

Robert Kovac: Das gehört doch dazu, wenn zwei Teams jedes Jahr die Titel unter sich ausmachen. Die Bundesliga macht so etwas doch viel interessanter. Das war früher mit Leverkusen oder Bremen als Bayern-Jäger auch nicht anders.

SPOX: Gerade Karl-Heinz Rummenigges Äußerungen über die Ausstiegsklausel von Marco Reus sorgten für reichlich Diskussionen. Ist der Bayern-Boss zu weit gegangen?

Kovac: Rummenigge übernimmt derzeit etwas den Part, den früher Uli Hoeneß inne hatte. Der FC Bayern will eben nur die besten Spieler holen. Und dass Dortmund sehr gute Spieler hat, ist ja unbestritten. Es geht aber nicht in erster Linie darum, den Gegner zu schwächen, sondern sich selbst zu verstärken. Außerdem haben Transfers innerhalb der Liga einen großen Vorteil: Der Neuzugang kennt das Land, die Gegner und kann meistens auch schon die Sprache. Das ist bei internationalen Wechseln selten der Fall.

SPOX: Mit Mehdi Benatia und Xabi Alonso kamen kurz vor dem Ende der Transferperiode trotzdem noch zwei namhafte Spieler aus dem Ausland. Bleibt die Frage: Was passiert, wenn alle fit sind?

Kovac: Diese Frage ist berechtigt. Solange einzelne Stars verletzt sind, kommt keine Unruhe auf. Aber Guardiola ist ein großer Trainer und hat in Barcelona bewiesen, dass er mit einem breiten Kader gut umgehen kann. Ottmar Hitzfeld hatte zu meiner Zeit eine ähnliche Herausforderung und hat das mit viel Rotation sehr erfolgreich gelöst.

SPOX: Trotzdem hat sich sofort die Diskussion entzündet, inwieweit die Identität des FC Bayern durch Guardiolas Transfers noch als solche vorhanden ist. Sollten Neuer und Lahm ausfallen, wäre eine Top-Elf ohne einen deutschen Spieler jederzeit möglich.

Kovac: Das sind typische Diskussionen. Louis van Gaal hat in Barcelona mit mehreren Niederländern große Erfolge gefeiert. Nur darum geht es. Wenn Erfolg da ist, ist es total egal, wer spielt. Natürlich hat Guardiola die Mannschaft in einem Jahr umgebaut. Aber er weiß, was er tut. Ich mache mir keine Sorgen um die Bayern.

SPOX: Dieser Umbau forderte auch Opfer, unter anderem Mario Mandzukic. Er musste die Bayern verlassen. Können Sie das nachvollziehen?

Kovac: Mario war einfach unzufrieden. Im Jahr davor hat er überragend gespielt und war maßgeblich am Triple beteiligt. Unter Guardiola war er dann nicht mehr so eingebunden. Mario will im Strafraum spielen und sich dort die Chancen erarbeiten, im neuen System war er aber vermehrt auch außerhalb gefordert.

SPOX: Trotzdem wurde er harsch kritisiert. Das Bad-Boy-Image haftet nicht erst seit dem offenen Streit mit Guardiola an ihm.

Kovac: Mario ist kein Bad Boy. Er ist ein netter Junge, der immer alles für die Mannschaft gibt. Seine harte Spielweise führt manchmal zu kritischen Bemerkungen. Und natürlich ist es schwer, wenn du nach dem Triple so gefeiert wirst, und im nächsten Jahr weniger Einsätze bekommst. Ich bin mir sicher, dass er bei Atletico wieder aufblühen wird.

SPOX: Das Beispiel Mandzukic zeigt gut, dass Guardiola seinen Weg geht. Das gilt auch für die Integration der Dreierkette bei den Bayern. Sie haben als Spieler beide Abwehr-Formationen gespielt. Was macht in München mehr Sinn?

Kovac: Wenn man genau hinsieht, hat Guardiola auch über weite Strecken der letzten Saison schon eine Art Dreierkette mit sehr offensiven Außenverteidigern spielen lassen. Wenn man so wie er den Ballbesitz im Mittelfeld weiterentwickeln möchte, macht das durchaus Sinn. Mich persönlich überzeugt die Viererkette etwas mehr, aber es kommt natürlich auch auf den Kader an. Der FC Bayern hat mit Alaba und Lahm die wohl besten Außenverteidiger der Welt, da sind beide Formationen kein Nachteil.

SPOX: Dafür fehlt ein klarer Abwehrchef. Braucht man den heute eigentlich noch? Wie war die Rollenverteilung in Ihrer Münchner Zeit?

Kovac: Entscheidend ist, dass man zusammen mit dem Torhüter die Abwehr bestmöglich organisiert. Da sind alle gefragt. Bei uns hat das mit Thomas Linke und Sammy Kuffour sehr gut geklappt. Außerdem stand mit Oli Kahn der wahre Abwehrchef ja hinter uns im Tor (lacht).

SPOX: Geändert hat sich der Anspruch in puncto Spielaufbau für Abwehrspieler. Mats Hummels wird oft als Paradebeispiel für eine starke Spieleröffnung genannt. Können Sie das als ehemaliger Verteidiger bestätigen?

Kovac: Auf jeden Fall! Übertrieben gesagt musste man früher als Verteidiger seinen Zweikampf gewinnen und dann den Ball abgeben. Heutzutage soll man frühzeitig die gegnerische Offensive binden, um dann mit einer schneller Verlagerung eine Überzahl im Mittelfeld zu schaffen. Dazu kommen mit der Generation um Manuel Neuer Torhüter, die offensiv agieren und das Spiel dadurch viel schneller machen.

Seite 1: Kovac über die Bayern, Guardiola und Mandzukic

Seite 2: Kovac über Kroatien, Halilovic und Urlaub mit Schweinsteiger

SPOX: Das klingt wie die Erklärungen eines Cheftrainers. Momentan sind Sie allerdings noch Assistent bei der kroatischen Nationalmannschaft. Haben Sie einen Karriereplan im Kopf?

Kovac: Zuerst einmal will ich meine Trainer-Ausbildung erfolgreich abschließen und die Quali zur EM schaffen. Danach kann so etwas natürlich möglich sein. Aktuell passt die Aufgabe in der zweiten Reihe allerdings hervorragend. Ich kann in Ruhe arbeiten und fühle mich total wohl im Team.

SPOX: Beim kroatischen Verband sind Sie auch verstärkt als Manager gefragt. Wie sieht Ihre Tätigkeit abseits der Spiele aus?

Kovac: Ich verfolge sehr viele Partien in ganz Europa. Unter der Woche ist zudem Planung und Organisation angesagt. Wir sind nicht so groß wie der DFB, deshalb sind bei uns alle gefragt. Vor allem die Anreise und Logistik rund um die Spiele sind enorm wichtig.

SPOX: In Ihrer Funktion als Co-Trainer waren Sie bei der WM in Brasilien dabei. Denken Sie manchmal noch an die 69. Minute im Eröffnungsspiel und das Elfmeter-Geschenk für Brasilien?

Kovac: Deutlich seltener, obwohl wir natürlich sehr enttäuscht waren. Wir haben ein super Spiel gemacht, alles gut umgesetzt und am Ende unglücklich verloren. Die WM ist aber abgehakt, jetzt zählt nur noch die EM-Qualifikation.

SPOX: Trotzdem: In einer Gruppe mit Brasilien, Kamerun und Mexiko wäre das Achtelfinale schon realistisch gewesen, oder?

Kovac: Natürlich hatten wir uns das vorgenommen. Wir haben insgesamt auch einen tollen Fußball gespielt. Gegen Kamerun haben wir klar dominiert, im entscheidenden Spiel gegen Mexiko waren wir am Drücker, bevor wir wegen eines Standards verloren haben.

SPOX: Jetzt warten mit Italien und Norwegen zwei harte Gegner in der Quali. Wie schätzen Sie die Chancen ein?

Kovac: Es ist ganz normal, dass man in der Qualifikation solche Hochkaräter als Gegner bekommt. Italien ist immer ein Topteam und in Norwegen entsteht eine sehr gute Mannschaft. Aserbaidschan mit Berti Vogts und Bulgarien darf man auch nicht vergessen. Aber wir haben ein gutes Team, Ziel ist ganz klar die Qualifikation.

SPOX: Vor einem Jahr waren Sie noch im Trainerteam der U 21. Plötzlich wurden Sie befördert, standen vor über einer Milliarde Zuschauer im Eröffnungsspiel. Haben Sie die letzten Monate schon richtig realisiert?

Kovac: Es stimmt schon, es ging unglaublich schnell. Im Fußball passiert so etwas und man muss sich dann von der einen auf die andere Sekunde umstellen. Wir sind mit der klaren Idee angetreten, einen neuen Spielstil zu entwickeln. Und daran arbeiten wir jetzt.

SPOX: Wie soll der Stil aussehen?

Kovac: Kurz gesagt: so wie Deutschland. Wir wollen ein offensives Pressing und ein schnelles Umschaltspiel. Dazu mehr Qualität im eigenen Ballbesitz. Natürlich braucht so etwas Zeit, aber wir haben ein starkes Team und sind von unserem Weg überzeugt.

SPOX: Kroatiens Cheftrainer ist Ihr älterer Bruder Niko. Was zeichnet ihn als Coach aus?

Kovac: Er hatte als Spieler eine großartige Karriere und hat dabei bei verschiedenen Vereinen Erfahrung gesammelt. Niko ist äußerst zielstrebig und hat eine klare Vision vom Fußball. Außerdem lässt er sich nicht von seinem Weg abbringen, was gerade als Nationaltrainer sehr wichtig ist.

SPOX: Kroatien war nach der tollen WM 1998 die Nummer 3 der Weltrangliste. Danach klappte aber nur 2008 der Sprung über die Vorrunde hinaus. Was ist schief gelaufen?

Kovac: Der Erfolg von 1998 hängt natürlich mit der starken Generation dieser Jahre zusammen. Danach haben wichtige Spieler ihre Karriere beendet und wir haben eine sehr schwere Qualifikationsgruppe erwischt. Für ein so kleines Land ist deshalb jede Teilnahme an einer Endrunde ein großer Erfolg.

SPOX: Ähnlich verlief die Entwicklung nach der starken EM 2008. Es war Ihr letztes internationales Turnier.

Kovac: Das Ausscheiden gegen die Türkei schmerzt auch heute noch. Wir waren klar besser und kassierten in der Nachspielzeit den Ausgleich. Dann gehst du mit einem psychologischen Nachteil ins Elfmeterschießen. Auch danach haben wieder mehrere Leistungsträger aufgehört. Für uns ist es heutzutage wichtig, auch nach Erfolgen weiter hart zu arbeiten und sie nicht als selbstverständlich zu sehen. Das darf man sich nicht mehr erlauben.

SPOX: Blicken wir doch mal auf Ihren Kader. Mit Rakitic, Modric und Mandzukic haben Sie absolute Weltklasse im Team. In der Breite können Sie aber nicht ganz mit den Topteams konkurrieren.

Kovac: Kroatien ist ein sehr kleines Land mit nur vier Millionen Einwohnern. Deshalb müssen wir im Nachwuchsbereich noch intensiver arbeiten, um diesen Nachteil wettzumachen. Bisher gelingt uns das recht gut. Wir haben einige Talente und unsere Leistungsträger können noch mehrere Jahre spielen. Das macht uns schon optimistisch.

SPOX: Bei Talenten müssen wir natürlich über Alen Halilovic sprechen. Er ist der jüngste Nationalspieler Kroatiens aller Zeiten und hat jüngst auch in Barcelona eine starke Premiere gefeiert.

Kovac: Darüber sind wir sehr glücklich. Aber Alen ist noch ein sehr junger Spieler. Er kann kein Team führen. Aber als Mittelfeldspieler kann er bei uns von großen Spielern lernen und noch besser werden. Man muss ihm nur Zeit geben und Schritt für Schritt aufbauen.

SPOX: Den nächsten Schritt hat im vergangenen Jahr definitiv Ivan Rakitic gemacht. Zur Belohnung gab es den Wechsel nach Barcelona. Wie haben Sie seine Entwicklung verfolgt?

Kovac: Für ihn ist es ein Traum, das Barca-Trikot zu tragen. Er hat in den letzten Jahren unglaublich zugelegt und verdient es, bei diesem Top-Klub zu spielen. Ivan wird sich in Barcelona noch mal weiterentwickeln, da bin ich mir sicher.

SPOX: Abschließend ein kurzer Rückblick auf Ihren Sommer-Urlaub. Sie waren in Ihrer Heimat als Reiseleiter für Bastian Schweinsteiger gefragt. War er zufrieden?

Kovac: Ich denke schon (schmunzelt). Bastian kam damals als junger Spieler zu den Profis und wir haben uns immer gut verstanden. Deshalb habe ich ihm meine Heimat natürlich gerne gezeigt. Wir haben viel gesehen und er hatte nach der WM natürlich großen Erholungsbedarf. Er hat die Zeit dort sehr genossen.

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Robert Kovac im Steckbrief