SPOX: Sie haben sich mit der Zeit aber darauf eingestellt. Wie würden Sie Ihr Spiel als Angreifer beschreiben?
Di Santo: Ich bin groß, eckig, robust und vielleicht habe ich auch ein wenig Können in meinen Füßen. Es gibt nicht diese eine Eigenschaft, die mich ausmacht. Ich bin flexibel, ich arbeite viel nach hinten. Ich musste in jeder meiner Mannschaften anders spielen. Bei Chelsea und in Blackburn im Zentrum, in Wigan auf den Flügeln oder als zweiter Stürmer. In Bremen unter Robin Dutt auf der Halbposition im Mittelfeld und jetzt bei Viktor Skripnik wieder als zentraler Angreifer. Aber ich fühle mich nicht als die klassische Nummer 9, die wartet bis der Ball kommt und dann abschließt. Ich bewege mich freier auf dem Feld.
SPOX: Werders Saisonstart war schlecht, der Trainer musste früh gehen. Was hat sich unter Viktor Skripnik verändert?
Di Santo: Über Robin Dutt kann ich nichts Schlechtes sagen. Er hat mich hierher geholt und mir immer vertraut. Dafür bin ich sehr dankbar. Viktor hat neuen Schwung gebracht, ein neues System, eine positive Art. Dazu kommt Torsten Frings, der diesen Klub und seine jüngere Geschichte verkörpert. Sie sagen uns immer: "Wir sind Werder Bremen, wir sind ein gutes Team, die anderen müssen Respekt haben vor uns." Der Wechsel auf der Trainerposition hat einiges bewirkt.
SPOX: Trotzdem steht Werder immer noch tief unten drin. Sie waren lange verletzt, sind der ganz große Hoffnungsträger im Abstiegskampf. Ist das Ansporn? Großer Druck? Beides zusammen?
Di Santo: Ich sehe das als Vorteil für mich an, ich mag diesen positiven Druck und kann damit gut umgehen. Die Leute erwarten mehr von mir, vielleicht hilft mir das ja, mich jeden Tag weiterzuentwickeln.
SPOX: Was ist von Werder in der Rückrunde zu erwarten?
Di Santo: Wir haben eine gute Mannschaft und in einigen Spielen der Hinrunde auch ein wenig Pech. Wir werden eine gute Rückrunde spielen, die Mannschaft wird zeigen, dass sie besser ist als der aktuelle Tabellenplatz. Und wir werden nicht absteigen.
SPOX: Wegen Ihrer Verletzung waren Sie zuletzt auch nicht mehr bei der argentinischen Nationalmannschaft eingeladen. Trainer Gerardo Martino habe sie trotzdem jederzeit im Blick. Besteht derzeit Kontakt?
Di Santo: Zu ihm persönlich nicht. Das Trainerteam hat sich erkundigt, wie es mir nach der Verletzung geht. Wir warten jetzt die nächsten Monate ab, dann sehen wir weiter. Aber man darf auch nicht vergessen, dass Argentinien die besten Angreifer der Welt hat: Messi, Higuain, Agüero, Tevez, Palacios, Lavezzi. Ich konzentriere mich auf mich selbst und warte auf meine Chance.
SPOX: Wie sehen Ihre Ziele mit der Albiceleste aus?
Di Santo: Ich will zurückkommen. Ich will wieder mit den Besten spielen - und mit dem Besten der Besten. Mit Leo Messi will nicht nur jeder Argentinier zusammenspielen, sondern jeder Spieler auf der Welt. Neymar hat gesagt, mit Messi zu spielen, mache alles einfacher. Und das stimmt. Halte dich nur in seiner Nähe auf, dann hast du die Gewissheit, dass du jeden Moment ein Tor erzielen kannst. Er ist dem Gegenspieler nicht einen Schritt voraus, sondern zwei, drei oder vier. Einfach nur unglaublich.
SPOX: Ist es eine seiner größten Leistungen, dass er trotz des Ruhms vergleichsweise bescheiden geblieben ist?
Di Santo: Er ist für uns Fußballprofis ein ganz großes Vorbild. Er hat alles erreicht, was er erreichen wollte und fast alles gewonnen - bis auf den WM-Titel. Er hat sich dadurch aber nicht verändert, er ist bescheiden geblieben, ruhig, immer fröhlich, nie arrogant.
SPOX: Was ist Ihnen durch den Kopf gegangen, als Gonzalo Higuain im WM-Finale diese eine ganz große Chance zur Führung vergeben hat?
Di Santo: Ich konnte mit ihm fühlen. Als Angreifer ist es doch oft so, dass man nur diese eine Chance im Spiel bekommt. Umso unglücklicher war dieser Schuss. So etwas passiert ihm einmal bei zehn Versuchen. Die nächsten neun hätte er gemacht, da bin ich mir sicher.
SPOX: Menotti, Bilardo, Valdano, Bielsa - die großen Fußball-Philosophen und Intellektuellen kommen aus Argentinien. Was ist das Besondere am Fußball in Ihrem Land?
Di Santo: Vielleicht hängt es damit zusammen, dass sich diese Leute durch ihre Erfolge als Spieler und Trainer so viel Respekt erarbeitet haben, dass man ihnen besonders gut zuhört. Und dass der Fußball in der argentinischen Gesellschaft einen enormen Stellenwert hat. So genau kann ich das aber auch nicht beantworten.
SPOX: Welchen Beruf würden Sie heute eigentlich ausüben, wenn Sie kein Fußballprofi geworden wären?
Di Santo: Ich wäre wohl zur Uni gegangen. Ich liebe Tiere und wäre zu gerne auch Veterinär geworden. Oder Architekt.
SPOX: Sie interessieren sich für Häuser? Wie finden Sie das Bremer Stadtbild?
Di Santo: Es ist jetzt nicht so, dass ich ein geschultes Auge dafür hätte. Mir gefällt das eigentlich ganz gut: Diese kleinen, schmalen Häuschen. Was mich aber wirklich erstaunt hat, auch in England: Die Häuser schauen alle gleich aus. In Argentinien sieht man so etwas gar nicht, dass ganze Straßenzeilen aus einem bestimmten Haustyp bestehen. Da ist alles total unterschiedlich. Als ich nach England gewechselt bin, war ich total erstaunt. Jetzt in Bremen habe ich mich fast schon daran gewöhnt.
Seite 1: Di Santo über das Abenteuer Chile, Chelsea und "Big Sam"
Seite 2: Di Santo über seine Rolle, Werder und Lionel Messi