"Klopp? Schmidts Fußball ist extremer"

Ähnlich und doch anders: Leverkusens Coach Roger Schmidt und Jürgen Klopp
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SPOX: Also gibt es die eine Antwort, weshalb Leverkusen in dieser Saison so wenige Verletzte zu beklagen hatte, gar nicht?

Bartlett: Nein. Das Thema Regeneration gehört ebenso zur Prävention wie das Kraft- und Mobilitätstraining selbst. Der Aufbau und die Belastung von Muskulatur wirken gleichzeitig präventiv gegen Muskelverletzungen. Damit die Ermüdungsresistenz immer hoch ist, belasten wir im Fußballerischen möglichst nahe am Maximum - ohne es zu überschreiten. All dies zusammen, also die Steuerung der Belastung, die Messung der körperlichen Reaktion darauf und die Art des zusätzlichen Trainings führen dazu, dass unser Verletzungsrisiko in den beeinflussbaren Bereichen relativ niedrig ist.

SPOX: Das war in Dortmund anders, dort brach nach Ihrem Abgang 2012 eine lange Verletztenmisere aus. Statistisch gesehen resultieren 70 Prozent der Verletzungen im Sport aus Überanstrengungen. Auch wenn Sie nicht gerne über Ihre Zeit beim BVB reden: Ist die intensive Spielweise der Borussia daran schuld?

Bartlett: Das lässt sich von außen nur schwer beurteilen. Eine intensive Spielweise erhöht grundsätzlich das Verletzungsrisiko. Sicherlich hat sich der BVB mit diesem Thema beschäftigt.

SPOX: Ihre Arbeit beim BVB fruchtete enorm, die Mannschaft rannte in der Zeit zwischen 2010 und 2012 die Gegner regelrecht tot und spielte ein intensives Pressing über weite Teile des Spielfelds.

Bartlett: Genau. Ich habe die Werte der Spieler immer bei Prof. Dr. med Tim Meyer, dem Mannschaftsarzt der deutschen Nationalelf, testen lassen. In meiner letzten Saison beim BVB 2012 waren sie auffällig gut. Die Laktatwerte waren sehr gut und verteilten sich sehr homogen innerhalb der gesamten Mannschaft.

SPOX: Welche Aufgabengebiete haben Sie in Ihrer Zeit beim BVB abgedeckt und wie unterscheidet sich das von Ihrer Arbeit in Leverkusen?

Bartlett: Ich war in Dortmund für den athletischen Teil des Trainings sowie für das Aufwärmen, die Regeneration und die Einzeltrainingseinheiten der Spieler zuständig. Auch präventive und rehabilitative Programme gehörten zu meiner täglichen Arbeit. Durch meine jetzige Position als Co-Trainer Athletik kann ich, in Zusammenarbeit mit Roger Schmidt, auf die Belastungssteuerung Einfluss nehmen.

SPOX: Roger Schmidt und Jürgen Klopp sind sich fußballphilosophisch sehr nahe. Finden Sie, dass das intensive Balljagen und extreme Pressing, das Bayer spielt, noch einmal eine Stufe über der Messlatte steht, die Dortmund in den Jahren 2010 bis 2013 gelegt hat?

Bartlett: Wenn ich das Training vergleiche, würde ich sagen, dass Roger Schmidts Fußball noch choreographierter, ballorientierter und somit extremer ist. Ich gebe zu, dass ich zu meiner Anfangszeit in Dortmund noch weniger Einsicht in das hatte, was vom Fußballerischen alles dahinter steckt. Wenn ich jetzt aber andere Fußballspiele anschaue, erscheinen mir andere Herangehensweisen teilweise viel zu langsam. In gewissen Szenen frage ich mich zuweilen, weshalb der Spieler jetzt nicht attackiert wird. Das vergleiche ich dann intuitiv mit dem Fußball, den wir zurzeit in Leverkusen spielen wollen.

SPOX: Sie haben in Ihrer Diplomarbeit über die schottischen Highland Games geschrieben, wo es unter anderem um Baumstammwerfen, Steinstoßen oder Hammerwerfen geht. Würde es Sie einmal reizen, eine andere Sportart oder einen einzelnen Sportler zu betreuen?

Bartlett: Im Moment bin ich mit dem Fußball wunschlos glücklich. Was andere Sportarten angeht, informiere ich mich besonders über Entwicklungen in der Trainingslehre. Das betrifft auch statistische Auswertungen, vor allem das Thema "Moneyball". Diese moderne Form der statistischen Analyse schaue ich mir seit einiger Zeit sehr intensiv an. Das wird meiner Ansicht nach auch im Fußball Einzug erhalten.

SPOX: "Moneyball" geht zurück auf Billy Beane, der General Manager bei der Baseball-Mannschaft Oakland Athletics ist und mittlerweile auch als Berater beim AZ Alkmaar fungiert. Es geht darum, die Aussagekraft von Statistiken und Analysen zu hinterfragen und zu sehen, was erfolgreich ist und was nicht.

Die Oakland Athletics und das "Moneyball-Prinzip": Die Kunst zu gewinnen?

Bartlett: Wir haben das auch bei uns mit an Bord genommen. Es stellen sich aber noch viele Fragen: Wenn wir erfolgreich spielen, wo sind dann unsere starken Werte, welche Kriterien sind relevant und welche nicht? In welchen Bereichen des Spielfelds sollte man schießen, wo sollte man lieber noch einen Pass spielen? Das lässt sich auch individualisieren: Welche Spieler mit welchen Qualitäten sind wofür wichtig? Sind in einem 4-2-3-1 andere Spielertypen wichtiger als in einem 4-4-2? Wäre dies der Fall, könnte man sie bereits im Vorfeld entsprechend scouten und anhand der Datenauswertungen überlegen, ob eine Verpflichtung überhaupt Sinn macht. Dies würde auch eine andere Art von Scouting mit sich bringen, wenn man, ohne den Spieler gesehen zu haben, bereits dank der Statistikauswertungen beurteilen kann, ob man ihn sich letztlich genauer anschauen sollte oder nicht.

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