"Ter Stegen hat alles richtig gemacht"

Uwe Kamps steht seit 1982 in Diensten von Borussia Mönchengladbach
© Dirk Päffgen
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SPOX: Auch in diesem Sommer hat sich in Ihrem Team wieder etwas getan. Janis Blaswich wurde nach Dresden verliehen, dafür Tobias Sippel aus Kaiserslautern verpflichtet. Wie ordnen Sie diese Transfers ein?

Kamps: Wir möchten Janis die Chance geben, sich weiterzuentwickeln und uns zu zeigen, dass er auch unter Druck ein guter Torwart ist. Er hat schon viele gute Spiele gemacht, aber es ist eine völlig andere Situation, regelmäßig vor 20.000 bis 30.000 Zuschauern aufzulaufen. Da ist Dresden schon eine Hausnummer mit vielen Fans und großer Tradition. Dort kann er sich nun beweisen. Bei Tobi wussten wir, dass sein Vertrag ausläuft und konnten ihn ablösefrei verpflichten. Einen so erfahrenen Keeper kann man mit gutem Gefühl jederzeit reinwerfen, das war uns sehr wichtig.

SPOX: Zwischen den Torhütern einer Mannschaft besteht eine besondere Konkurrenz-Situation. Wie geht man damit als Trainer um?

Kamps: Auch das gehört zum Torhütersein, die Jungs kennen es seit der Jugend nicht anders. Ich achte darauf, dass der Umgang zwischen den Keepern stimmt, mein Ziel ist eine Mannschaft in der Mannschaft. Auf der anderen Seite muss man den Jungs aber auch die Chance aufweisen, sich mit guten Leistungen für die erste Position zu empfehlen. Es ist wichtig, immer mit offenen Karten zu spielen, damit sich keiner der Keeper ungerecht behandelt fühlt.

SPOX: Kommt es auch schon mal vor, dass die Torhüter untereinander im Clinch liegen oder versuchen, den Nebenmann zu schwächen?

Kamps: Das hat es in der Vergangenheit schon gegeben. Wir hatten mal ein Team, in dem alle Keeper fast gleich alt waren und unbedingt spielen wollten. Dafür muss man einen Blick haben und wissen, wie man die Dinge einordnet. Aber ohne einen Zusammenhalt unter den Jungs geht es nicht, darauf achte ich sehr. Für Quertreiber ist da kein Platz.

SPOX: Wie genau sieht denn die Zusammenarbeit mit Lucien Favre aus? Sitzen Sie regelmäßig zusammen und sprechen über die Torhütersituation?

Kamps: Das ist Teil meines Jobs. Ich berichte, wie die letzten Trainingseinheiten gelaufen sind und wer welche Fortschritte gemacht hat. Auch wenn man sich fast immer einig ist, liegt die Entscheidung, welcher Torwart letztendlich spielt, immer beim Trainer.

SPOX: Gab es auch schon mal den gegenteiligen Fall, in dem Sie Ihrem Trainer zu einem Torwartwechsel geraten haben?

Kamps: Wie gesagt, solche Entscheidungen treffen wir immer als Team, wie zum Beispiel bei der Hereinnahme von Marc. Wir standen damals mit dem Rücken an der Wand und galten als fast abgestiegen. Wir waren uns sicher, dass er in dem für Gladbach immer besonderen Spiel gegen Köln einen besonderen Impuls für die Mannschaft und die Fans geben würde. Glücklicherweise haben wir damals alles richtig gemacht, kann man heute sagen.

SPOX: Damals arbeiteten Sie bereits einige Jahre intensiv mit ter Stegen zusammen. Wann haben Sie zum ersten Mal gedacht: Oha, aus dem könnte wirklich einer werden?

Kamps: In dem Maße ist er mir zum ersten Mal aufgefallen, als wir mit der U17 und U19 trainiert haben. Marc war damals in der U15 und hat am hinteren Ende des Platzes Torschussübungen und Spielformen geübt. Da konnte man seine ausgezeichneten Anlagen schon erkennen, obwohl er eigentlich noch in der U14 hätte spielen können.

SPOX: Wie ging es danach weiter?

Kamps: Ich habe ihn dann zeitnah mit hochgenommen und regelmäßig mit ihm trainiert. Marc war so immer eine Stufe über seiner Altersklasse, manchmal sogar zwei. Aber das hat ihm nichts ausgemacht, er war schon immer sehr ehrgeizig und wollte so viel und so hoch wie möglich spielen. Die Arbeit mit ihm hat mir großen Spaß gemacht, wir haben immer gute Lösungen gefunden und an seinen Fähigkeiten gefeilt. Es ist toll zu sehen, was für ein großartiger Torwart aus ihm geworden ist.

SPOX: Ter Stegens Leistungen riefen die Top-Teams Europas auf den Plan. Wie haben Sie dafür gesorgt, dass er bei all dem Trouble nicht die Bodenhaftung verliert?

Kamps: Das war kein großes Problem, Marc war schon immer sehr geerdet und gut sortiert. Er hatte seine Ziele klar vor Augen und hat sich davon nicht ablenken lassen.

SPOX: Sie rieten ter Stegen damals, in Gladbach zu bleiben. Sind Sie heute auch im Sinne Ihres Schützlings froh, dass er nicht auf Sie gehört hat?

Kamps: Ich wäre ja bescheuert gewesen, wenn ich ihm das nicht geraten hätte. Wir wollten ihn ja unbedingt halten und haben ihm deshalb auch ein entsprechendes Angebot vorgelegt. Marc hat sich alles in Ruhe angeguckt, seine Entscheidung getroffen und an dieser auch konsequent festgehalten. In seinem ersten Jahr in Barcelona hat er sofort drei Titel geholt, unter anderem die Champions League. Man kann also sagen, dass er alles richtig gemacht hat. Aber das haben wir auch.

SPOX: Weil Sie den perfekten Nachfolger gefunden haben?

Kamps: Genau. Yann ist der absolut richtige Mann für den Verein, menschlich und sportlich. Er hat eine Top-Saison und auf gleichem Niveau wie Marc gespielt.

SPOX: Wie ist der Kontakt zu Marc-André ter Stegen heute?

Kamps: Nach wie vor sehr gut. Wir telefonieren viel und sprechen über seine Zeit in Barcelona. Manchmal geht es um ganz konkrete Situationen, in denen ich ihm helfen kann. Wir gehen diese dann detailliert durch und analysieren, was er anders oder besser machen kann. Er hat mich auch zum CL-Finale eingeladen, was ich zeitlich leider nicht geschafft habe. Ich hätte vieles in Bewegung gesetzt, ihn dort live spielen sehen zu können.

SPOX: Marc-André ter Stegen und Yann Sommer gelten als die neue Torwart-Generation: smart, jung, technisch versiert. Sind Keeper der Marke Oliver Kahn, Roman Weidenfeller oder Gabor Kiraly eine aussterbende Art?

Kamps: Dieser Wandel zeichnet sich ab. Es hat aber nicht so sehr mit den Typen an sich zu tun, sondern vielmehr mit dem, was heute gefordert ist. Heute sind Keeper gefragt, die etwas mit dem Ball anfangen können. Darauf wird in der Jugend schon hintrainiert. Früher war es ein probates Mittel, den Ball wegzudreschen, heute will man ihn in den eigenen Reihen halten. Ein technisch guter Keeper ist zum Beispiel in der Lage, einen pressenden Angreifer mit einem Pass ins Mittelfeld auszuspielen und so Überzahl zu schaffen.

SPOX: Hätten Sie sich ein solches Training auch gewünscht?

Kamps: Natürlich. Früher war der Co-Trainer für die Übungen mit den Torhütern zuständig, echte Torwart-Trainer gab es erst viel später. Ich war 30 Jahre alt, als ich regelmäßig mit einem Torwart-Trainer arbeiten konnte.

SPOX: Wie haben Sie sich dann verbessert?

Kamps: Man hat sich viel bei anderen Torhütern abgeschaut. Wie lösen die bestimmte Situationen, wie verhalten die sich beim Rauslaufen oder nach Ecken?

SPOX: Demnach wäre auch bei Ihnen noch Steigerungspotential gewesen?

Kamps: Das versuche ich ja schon die ganze Zeit anzudeuten (lacht). Natürlich stellt man sich die Frage, wie man sich mit den heutigen Trainingsmethoden hätte entwickeln können. Ich bin mir sicher, dass da noch etwas drin gewesen wäre.

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