SPOX: Herr Kamps, was verbinden Sie mit dem Satz "Uwe hat´s gesehen"?
Uwe Kamps: Einen der emotionalsten Tage meiner Karriere. Das war beim letzten Spiel auf dem Bökelberg. Ich wurde in der 81. Minute für Jörg Stiel eingewechselt. Nur wenig später krachte ein Schuss von Martin Stranzl, der damals noch für 1860 München spielte, an den linken Pfosten. Die Fans haben dann laut "Uwe hat's gesehen" gesungen.
SPOX: Hatten Sie den Ball tatsächlich ausgeguckt?
Kamps: Ehrlich gesagt, habe ich ihn überhaupt nicht gesehen (lacht). Erst, als er vom Pfosten abgesprungen war und hinter mir Richtung Torauslinie trudelte. Dann konnte ich ihn mir schnappen und weiter ging's.
SPOX: Noch heute gellt oft ein langgezogenes "Uwe, Uwe" durch den Borussia-Park, wenn Sie über den Rasen laufen. Wie erleben Sie diese Situationen?
Kamps: Das ist immer ein toller Moment. Allerdings ist es heute anders als früher, es geht ja nicht mehr um mich, sondern um den Torwart, der auf dem Platz steht. Deshalb halte ich den Ball bewusst flach und mache dann kein großes Theater.
SPOX: Sie sind mittlerweile seit 33 Jahren im Verein und haben auch die chaotischen Jahre mitbekommen, als Gladbach zweimal abgestiegen ist. Damals wurden auf Biegen und Brechen Spieler wie Wesley Sonck und Marek Heinz verpflichtet. Haben Sie die Borussia in diesen Zeiten überhaupt noch wieder erkannt?
Kamps: Das waren tatsächlich harte Jahre. Die Kontinuität, die Gladbach immer ausgemacht hat, war plötzlich weg. In fünf Jahren hatte ich gefühlt zehn Trainer, auch die Spieler kamen und gingen. Dazu das neue Stadion, das hohe Erwartungen weckte. Das war eine ganz neue Situation, in die man sich erstmal reinbeißen musste.
SPOX: Ab wann ging es dann wieder aufwärts?
Kamps: Nach dem zweiten Abstieg 2007 haben wir uns aufgerafft und wieder zurück zu alten Stärken gefunden. Im Verein wird seitdem wieder eine Sprache gesprochen, es gibt feste Bezugspersonen, alle arbeiten gerne miteinander. Heute können wir stolz sagen, dass der Ausdruck "Familienverein" bei uns nicht nur eine leere Phrase ist.
SPOX: Hatten Sie bei den vielen Trainerwechseln keine Angst, dass einer der neuen Coaches einen anderen Torwarttrainer mitbringt?
Kamps: Nein. Erstens verfolgt der Klub seit vielen Jahren die Strategie, dass einige Positionen gleich besetzt sind, um eine Grundbasis zu schaffen - dazu gehört der Posten des Torwarttrainers. Außerdem kannte ich viele Trainer wie Ewald Lienen, Jupp Heynckes oder Hans Meyer schon aus meinen Jahren bei den Fohlen. Was man gar nicht denken würde: Auch Dick Advocaat hatte großen Respekt davor, wie lange ich schon in Gladbach bin, und hat mich sehr geschätzt.
SPOX: In Ihrer Zeit in Gladbach haben Sie mit vielen Torhütern zusammengearbeitet, darunter echte Originale wie Kasey Keller oder Jörg Stiel. Wer war der bekloppteste Borussia-Keeper der letzten 15 Jahre?
Kamps: Die waren alle sehr speziell. Wen man auch nimmt, eine Macke hat jeder - und genau das macht sie aus. Immerhin stellen sich die Jungs hinten rein und sagen: "Im Zweifelsfall lasse ich mir das Ding jetzt aus zwei Metern auch mal vor den Kopf schießen."
SPOX: Auch Sie hatten den einen oder anderen Spleen zu Ihrer aktiven Zeit. Was denken Sie heute, wenn Sie alte Fotos von sich sehen?
Kamps: Geiler Typ natürlich (lacht). Nein im Ernst, ich freue mich natürlich darüber, dass ich in den Ranglisten der hässlichsten Trikots immer ganz vorne dabei bin. Und die Frisur, hinten lang und vorne kurz, das war halt damals in Mode. Am Ende meiner Karriere habe ich dann aber doch meist ein schwarzes Trikot gewählt - man wird also durchaus reifer.
SPOX: Logan Bailly erlebte ein sehr gutes erstes Jahr, entwickelte sich dann aber immer mehr zur Skandal-Nudel und patzte mehrfach. Wie konnte das damals so schnell passieren? Welche Rolle spielt der Kopf in solchen Situationen?
Kamps: Es ist ein absoluter Kopfsport. Wenn dann so Geschichten passieren, wie Logan sie damals erlebt hat, ist es einfach unmöglich, mit kühlem Kopf im Tor zu stehen. In solchen Situationen ist es wichtig, wie man beraten wird und mit wem man zu tun hat. Bei Logan liefen damals einfach zu viele Dinge neben der Spur. Ich freue mich aber sehr für ihn, dass er jetzt bei Celtic Glasgow wieder eine neue Aufgabe gefunden hat.
SPOX: Sie sind seit 1982 im Verein, trotzdem ist der Champions-League-Einzug auch für Sie ein Novum. Wie lange haben Sie gebraucht, um das wirklich zu realisieren?
Kamps: Das hat schon eine ganze Weile gedauert. Ich glaube am letzten Spieltag, als wir zu Hause gegen Augsburg gespielt haben, wurde es mir so richtig klar. Die Stimmung war einzigartig, alle Menschen haben eine unfassbare Euphorie ausgestrahlt. Ich muss ganz ehrlich sagen, dass es für mich eine riesen Sache ist, das noch erleben zu können. Die Jungs, das ganze Team, die Fans - alle haben mitgeholfen!
SPOX: In der Öffentlichkeit wird im Hinblick auf die Gruppenphase gewohnt tief gestapelt. Wie ist denn der Tenor innerhalb der Mannschaft?
Kamps: Dass wir sie alle weghauen (lacht). Nein, das spiegelt die Stimmung in der Mannschaft gut wider. Wir sind froh, dabei zu sein und freuen uns auf hoffentlich große Mannschaften und große Matches. Wenn wir dann am Ende als Dritter in der Europa League weiterspielen können, wäre das schon ein riesen Erfolg.
SPOX: Großen Anteil am CL-Einzug hat auch Yann Sommer. Wie sieht das Jahreszeugnis für Ihren Schützling aus?
Kamps: Yann hat das wirklich überragend gemacht. Er hat eine großartige Saison gespielt, in der Rückrunde sogar den Rekord für die wenigsten Gegentore der Geschichte gebrochen. Natürlich ist das immer auch ein Verdienst der ganzen Mannschaft, aber für einen Torwart, der neu in eine Mannschaft kommt und sich erst einfügen muss, war das schon sehr besonders.
SPOX: Dabei verlief der Start alles andere als reibungslos. Sommer patzte in mehreren Testspielen und in der Europa League. Inwiefern nimmt man als Trainer dann auch die Rolle des Psychologen ein?
Kamps: Das gehört immer dazu. Allerdings haben Yann und ich beide genügend Erfahrungswerte für solche Situationen. Wir haben darüber gesprochen und die Dinge aufgearbeitet. Vor allem, als andere versucht haben, von außen Unruhe zu stiften und meinten, es würde nicht für die Bundesliga reichen. Der Knackpunkt war dann das Spiel gegen Schalke, in dem Yann mehrfach herausragend gehalten hat. Danach war er voll drin.
SPOX: Sommers Entwicklung ist auch eine Auszeichnung Ihrer Arbeit. Welche Rolle kam Ihnen bei seinem Transfer zu?
Kamps: Das ist ja das Schöne hier im Verein, die Personalplanungen entstehen immer in Teamarbeit. Wir hatten eine Liste mit Keepern, die interessant sind, falls Marc-André ter Stegen uns verlässt. Da wir sehr früh wussten, dass er uns verlassen würde, hatten wir viel Zeit, den Markt zu sondieren, uns DVDs und Spiele anzugucken. Yann stand schon sehr lange auf dieser Liste und wir waren froh, ihn dann auch verpflichten zu können.
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