Vahid Hashemian kickte insgesamt elf Jahre in der Bundesliga. "Der Hubschrauber" spricht im Interview über seine Anfänge im Iran, Training unter Felix Magath, ein Fettnäppchen im ersten HSV-Interview und Geburtstagsglückwünsche von Peter Neururer. Zudem berichtet er von seinem Praktikum unter Pep Guardiola und seinem Traum vom Bundeliga-Trainer.
SPOX: Herr Hashemian, in Deutschland wurden Sie aufgrund ihrer Sprungkraft und Kopfballstärke "Hubschrauber" genannt. Frank Pagelsdorf soll Ihnen diesen Spitznamen verpasst haben. Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, sich diesen als Künstlernamen in den Ausweis eintragen zu lassen?
Vahid Hashemian: (lacht). Nein, das nicht. Obwohl es schon lustig klingt, aber ein Spitzname bringt keine Leistung. Mir war es immer wichtiger, dass ich durch Leistung auffalle, als durch einen besonderen Spitznamen.
SPOX: Sie spielten von 1999 bis 2010 insgesamt elf Jahre in Deutschland und leben inzwischen mit Ihrer Familie in Hamburg. Fühlen Sie sich denn inzwischen mehr als Deutscher?
Hashemian: Ich bin natürlich stolz, Iraner zu sein, aber Deutschland ist meine zweite Heimat geworden. Ich fühle mich sehr wohl hier, habe fast meine gesamte Karriere hier verbracht und auch meine Ausbildung zum Trainer absolviert. Ich bin sehr dankbar, dass ich die Möglichkeit hatte, hier meinen Lebensmittelpunkt zu haben. Zumal Deutschland auch die beste Ausbildung für Trainer bietet.
SPOX: Der Hubschrauber flog unter vielen großen Trainern. Ottmar Hitzfeld hat Sie damals zu den Bayern geholt, gekickt haben Sie unter anderem unter Felix Magath oder Dieter Hecking. Von wem haben Sie denn am meisten gelernt? Sie wollen ja auch Trainer werden...
Hashemian: Ich habe von jedem meiner Trainer etwas gelernt, perfekt ist aber natürlich niemand. Unter Felix Magath war das Training natürlich sehr hart, das ist ja bekannt. So fit wie damals war ich wirklich noch nie. Ich war zwar nur Ersatzspieler bei den Bayern, konnte deshalb aber beim Nationalteam trotzdem immer meine Leistung abrufen.
SPOX: Sie hospitierten neben den Queens Park Rangers auch fünf Wochen beim FC Bayern unter Pep Guardiola. Der Kontakt kam über den Bochumer Hermann Gerland zu Stande. Wie sieht so ein Praktikum beim FC Bayern aus?
Hashemian: Die Zeit an der Säbener Straße war in meine Fußballlehrerausbildung integriert. Bayern ist natürlich ein sehr großer Verein, das war natürlich ein Stück weit anders als bei QPR, wo man nochmal ein Stück näher dran sein konnte. Mit in die Bayern-Kabine durfte ich leider nicht, aber ich durfte bei jeder Trainingseinheit dabei sein und mir Notizen machen. Ich sollte mir Gedanken machen, wie die Trainingseinheiten aufgebaut sind, was die Ziele der Übungen sind und ob die Spieler die Einheiten im Spiel auch anwenden konnten.
SPOX: Sie sagten einmal, ein Ziel von Ihnen sei es, einmal einen Ihrer Ex-Vereine zu trainieren. Der Trainerposten bei Bayern ist aber gerade gut besetzt oder?
Hashemian: Ja, auf jeden Fall. (lacht) Ich bin ja auch erst am Anfang meiner Karriere und will noch nicht über die Zukunft philosophieren. Fußball ist kein Wunschkonzert. Ich muss erst einmal kleinere Brötchen backen. Wenn ich dann erfolgreich bin, kann ich auch Ansprüche anmelden. Mein Traum ist es aber, einmal einen Bundesligisten zu trainieren.
SPOX: Kommen wir einmal zu Ihren Anfängen. Das Fußballspielen haben Sie im Iran gelernt. Wie kann man sich das vorstellen, gibt es dort auch so etwas wie Bolzplätze oder Käfige, in denen man als kleiner Jungs das Fußball-Einmaleins lernt?
Hashemian: Das ist eigentlich ähnlich wie hier in Deutschland. Wir haben damals viel Zeit draußen verbracht, haben mit Freunden auf der Straße oder in der Schule gekickt und auf Schulturnieren gegeneinander gespielt. Es ging einfach immer um Fußball. Heutzutage ist das aber auch im Iran ein wenig anders. Die Kinder surfen lieber im Internet oder zocken Play Station. Das ist leichter und bequemer - leider.
SPOX: Sie haben den Sprung zum Profi geschafft. Was wäre ohne den Fußball aus Vahid Hashemian geworden?
Hashemian: Eine schwierige Frage, Fußball war immer mein Leben. Schon während meiner Zeit als Profi war für mich immer klar, dass ich Trainer werden will. Ich habe parallel die B-und A-Lizenz absolviert und war ja auch kurz nach meinem Karriereende bereits 15 Monate als Trainer in der Oberliga tätig. Im Anschluss habe ich meinen Fußballlehrerschein gemacht.
SPOX: Ihre erste Profi-Station war bei Pas Teheran. Wie darf man sich die Organisation bei einem iranischen Profiklub vorstellen?
Hashemian: Pas Teheran war ein großer Klub im Iran, der Anfang der Neunziger auch zweimal die iranische Meisterschaft gewonnen hat und 1992 asiatischer Champions-League-Sieger wurde. Der Klub wurde 2007 allerdings aufgelöst. Die Trainingsgelände und Trainingsbedingungen bei solch einem Klub sind nicht mit denen in Deutschland zu vergleichen. Es war alles eher semiprofessionell. Allerdings verdient man heute auch im Iran wesentlich besser, als das noch zu meiner Anfangszeit der Fall war.
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SPOX: Mit 22 Jahren wurden Sie vergleichsweise spät entdeckt. Wie kam denn der Kontakt zum HSV damals überhaupt zu Stande?
Hashemian: Im Iran galt ich schon länger als Talent und hatte einen gewissen Status. Frank Pagelsdorf hat mich dann zum Probetraining eingeladen, ich war eine Woche in Hamburg und konnte die Verantwortlichen schließlich von mir überzeugen.
SPOX: Am 14. August 1999 feierten Sie gegen den FC Bayern ihr Bundesligadebüt, als Sie für Anthony Yeboah ins Spiel kamen. Was war das für ein Gefühl, plötzlich gegen Lothar Matthäus und Co. in der Bundesliga aufzulaufen?
Hashemian: Das war natürlich ein großartiges Gefühl, aber meine Anfangszeit war auch sehr schwer für mich. Ich war noch jung, weit weg von der Familie in einem neuen Land mit fremder Sprache und einer anderen Fußballkultur. Es war zunächst schwierig Anschluss oder Freunde zu finden. Die Konkurrenz im Sturm war enorm. Wir hatten erst Anthony Yeboah, dann Sergej Barbarez oder Erik Meijer im Team und man durfte auch nur drei Nicht-EU-Ausländer einsetzen. Ich hatte dann leider auch gleich noch mit Verletzungen zu kämpfen, war fünf Monate außer Gefecht. Dennoch war das auch eine gute Lehre für mich.
SPOX: Sie haben sich in Ihrem ersten Interview auch gleich Freunde gemacht, als Sie sagten: "Mein Traumverein ist der FC Bayern München"...
Hashemian: (lacht). Ja, ich erinnere mich daran. Da kommt man gerade zum HSV und sagt so etwas, aber der FC Bayern war schon immer meine Lieblingsmannschaft. Ich habe das damals ohne nachzudenken gesagt, es war eben die Wahrheit.
SPOX: Ihre erfolgreichste Zeit erlebten Sie anschließend beim VfL Bochum, schafften dort sogar den Sprung in den UEFA-Cup. Welchen Anteil hatte der damalige Trainer?
Hashemian: Peter Neururer hatte einen sehr großen Anteil. Bochum war ein familiärer Klub, wir hatten keine Stars, aber wir hatten einfach einen guten Zusammenhalt. Neururer hat mir immer sein Vertrauen geschenkt. Das gab mir die nötige Sicherheit.
SPOX: Sie sind auch heute noch in Kontakt. Er soll sich sogar bei Ihnen gemeldet haben, kurz nachdem er aus dem Koma erwacht ist, um Ihnen zum Geburtstag zu gratulieren.
Hashemian: Ja, das hat mich wirklich sehr gefreut. Er ruft mich jedes Jahr an meinem Geburtstag an, wir schreiben auch öfters SMS. Wir verstehen uns wirklich sehr gut. Peter ist ein super Typ.
SPOX: Sie zahlten ihm in Bochum das Vertrauen mit Toren zurück, weckten sogar das Interesse des FC Bayern. Was ging in Ihrem Kopf vor, als sich plötzlich ihr "Traumverein" meldete?
Hashemian: Es ist einfach der Traum eines jeden Spielers, dort zu spielen. Bayern hatte damals eine tolle Mannschaft. Ich hatte auch andere Angebote, unter anderem auch aus dem Ausland. Aber als Bayern mich haben wollten, habe ich sofort zugesagt.
SPOX: Gegen Roy Makaay, Claudio Pizarro und Roque Santa Cruz konnten Sie sich allerdings nicht durchsetzen, erzielten in zwölf Pflichtspielen nur ein Tor. Konnten Sie aus dieser Zeit dennoch etwas Positives mitnehmen?
Hashemian: Man weiß vorher natürlich nie, wie es letztlich läuft. Man hat einfach Ups and Downs in seiner Karriere. Ich bin aber trotzdem sehr stolz darauf, dass ich als Ausländer bei Bayern München spielen durfte, auch wenn ich mir noch ein wenig mehr versprochen hatte.
SPOX: Sie sagte einmal, Ihr bester Mitspieler sei Lucio gewesen. Der ist Abwehrspieler. Haben Sie gegen ihn im Training etwa kein Land gesehen?
Hashemian: (lacht). Nein, das nicht, aber Lucio war einfach ein Vorbild in Sachen Einstellung für mich. Er hat in wirklich jeder Trainingseinheit alles rausgeholt und mich oft abgegrätscht.
SPOX: Nach Ihrer Zeit beim FC Bayern und vier Jahren in Hannover kehrten Sie nochmal zum VfL Bochum zurück und beendeten schließlich Ihre Karriere im Iran beim Traditionsclub Persepoli Teheran. Wie hat sich der Fußball dort in den zehn Jahren geändert, als Sie den Iran verließen?
Hashemian: Ich war damals schon 34 Jahre alt und hatte kein Angebot mehr aus der Bundesliga vorliegen. Deshalb habe ich nochmal den Weg in den Iran genommen, auch wenn ich nach so einer langen Zeit eigentlich nicht unbedingt nochmal dort anheuern wollte. Auch wenn sich die Strukturen im Iran deutlich verbessert haben, sind wir nach wie vor sehr weit von Deutschland und anderen Fußballländern entfernt.
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Vahid Hashemian im Steckbrief