"Gerland hat gesagt, dass ich es nicht schaffe"

Sebastian Langkamp trägt immer häufiger die Kapitänsbinde von Hertha BSC
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SPOX: Beim KSC waren beiden Premieren - sowohl das erste Spiel als auch das erste Tor - etwas Besonderes. Ihr Bundesliga-Debüt war am 1. März 2009 im Derby gegen den VfB...

Langkamp: ...und das auch noch gegen den Top-Torjäger Mario Gomez. Sie müssen sich das so vorstellen: Ich war davor immer mal dabei, dann wieder nicht, habe bei den Amateuren gespielt. Am Morgen des Spieltags hatten wir ein lockeres Anschwitzen, Eckchen spielen und Spaß haben. Da kam Ede Becker zu mir und sagte: "Du spielst heute Abend." Ich hatte null damit gerechnet. In der 15. Minute hatte ich durch diese emotionale Anspannung schon meinen ersten Krampf. Ich habe gedacht, ich kann mich auf gar keinen Fall in meinem ersten Spiel so früh auswechseln lassen und habe mich irgendwie zusammengerissen. Aber danach war es schlimm.

SPOX: Inwiefern?

Langkamp: Die nächsten vier Tage konnte ich mich nicht bewegen. Mein ganzer Körper war in einem krampfartigen Zustand, ich hatte knüppelharte Beine. Selbst beim normalen Spazierengehen hatte ich Probleme.

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SPOX: Auch Ihr erstes Profitor war nicht von schlechten Eltern. Wie oft werden Sie darauf bis heute angesprochen?

Langkamp: Mittlerweile hat es sich gelegt. (lacht) Ich muss aber nach wie vor richtig lachen, wenn ich das sehe. Ich weiß nicht, was schlimmer war: zu sagen, dass es Absicht war oder der Torjubel danach, als ich gar nicht wusste, was abgeht und vogelwild durch die Gegend gelaufen bin. Das sind Erinnerungen, die du eines Tages deinen Kindern zeigen wirst. Aber ich gebe zu: Absicht war es nicht.

SPOX: Mussten Sie danach im Mannschaftskreis einen ausgeben?

Langkamp: Ja, ich habe etwas ausgegeben, aber nur eine Kleinigkeit, weil ich damals noch einen kleineren Profivertrag hatte. Ich habe bei Starbucks Muffins geholt und alle haben mich ausgelacht. Dabei waren es sogar die teuren Blueberry-Muffins.

SPOX: Mats Hummels hat kürzlich gesagt, für einen Verteidiger sei es das geilste Gefühl, ein Tor zu erzielen. Wie sehen Sie das?

Langkamp: Ich habe mal gesagt, dass ich es geiler finde, ein Tor zu verteidigen als eines zu schießen. Das war aber in einer Phase, in der ich kein Tor mehr geschossen habe. Natürlich ist es immer etwas Besonderes, weil man als Verteidiger häufig die Tore macht, die spielentscheidend sind.

SPOX: Seit 2013 spielen Sie nun in Berlin. Nach Ihrem Wechsel haben Sie gesagt, an Berlin reize Sie besonders "das abwechslungsreiche Leben und die sympathischen Menschen". Hat sich dieser Eindruck seitdem bestätigt?

Langkamp: Total. Ich wohne ja als einziger Hertha-Spieler in Berlin-Mitte. Ich habe mich damals gefragt: Willst du abseits vom Fußball dein eigenes Leben führen, in dem du inkognito bist? In Mitte kennt mich niemand, das muss ich ganz ehrlich sagen. Hier sind die Künstler und die alternative Szene zu Hause, die Hauptsprache ist Englisch. Ich kann in Bars und Restaurants gehen, in denen sich kein Mensch für Fußball interessiert. Das ist für mich eine wichtige Qualität, weil ich nicht rund um die Uhr angequatscht werde. Mittlerweile beneidet mich auch der eine oder andere Mitspieler.

SPOX: Ist der Vergleich zu anderen Wohnorten so extrem?

Langkamp: Auf jeden Fall. Wenn ich hier ins Gespräch komme und merke, dass die andere Person interessiert ist, erzähle ich auch, dass ich Fußball spiele. Und die Leute reagieren immer gleich.

SPOX: Wie denn?

Langkamp: Sie verdrehen die Augen und fragen: "Wie Fußball? Hauptberuflich oder was? Wo denn?" Dann sage ich: "Ja, bei Hertha." Und dann heißt es immer nur: "Hertha ist im Westen irgendwo, oder?"

SPOX: Für Sie persönlich ist das angenehm. Für die Hertha ist es aber auch eine Art Fluch, weil es schwierig ist, neue Zuschauer zu erreichen.

Langkamp: Ja, das ist bei uns im Verein ein großes Thema. Deswegen finde ich gut, dass es eine Marketingstrategie gibt, die ihre Früchte tragen wird. Bei manchen Heimspielen sind nur knapp 40.000 Zuschauer im Stadion - in einer Stadt, in der fast vier Millionen Menschen leben. Insofern kann ich verstehen, dass der Verein neue Wege gehen will. Das muss von uns Spielern natürlich mitgetragen werden. Ich laufe nicht im Hertha-Trikot durch Mitte, aber man unterstützt, wo man kann.

SPOX: Wie sehen Sie in diesem Zusammenhang die ebenfalls aktuelle Stadion-Thematik? Wünscht man sich als Spieler ein kleineres Fußballstadion mit einer entsprechend höheren Auslastung?

Langkamp: Ich glaube, nicht nur wir Spieler würden davon profitieren. Ein Beispiel: Wenn Du 30.000 in Augsburg hast oder 40.000 in Berlin, ist es in Augsburg einfach lauter. So werden Stimmungen erzeugt und Einfluss aufs Spiel genommen. In Berlin hast du die imaginäre Grenze, dass du erst ab etwa 55.000 überhaupt einen Vorteil hast. Diese Auslastung haben wir leider bei wenigen Spielen. Bei den ausverkauften Topspielen macht es sehr viel Spaß, aber engere Stadien haben Vorteile für den Spieler. Und für den Verein ist es ohnehin reizvoll, wenn man eines Tages sein eigenes Stadion hat, keine Pacht zahlen, nichts von den Zuschauereinnahmen abdrücken muss oder Logenverkäufe besser vorantreiben kann.

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SPOX: Wie entscheidend ist der Faktor Publikum für einen Spieler wirklich, wenn man beispielsweise auswärts in Dortmund vor 80.000 spielt?

Langkamp: Der BVB hat zu Hause immer einen Vorteil, besonders mit der lauten Südtribüne. Da kommt schnell Hektik auf. Das beste Beispiel ist mein dummer Fauxpas gegen Emre Mor. Wenn das Stadion halbleer gewesen wäre, bezweifle ich, dass das passiert wäre.

SPOX: In der Vorsaison ist der Klub nach einer tollen Hinrunde im neuen Jahr eingebrochen. Was macht Sie zuversichtlich, dass das nicht mehr passiert?

Langkamp: Das Wichtigste ist die Erfahrung, die wir gesammelt haben, als es nicht mehr so lief. Jeder hat seine persönlichen Ziele aufgeschrieben, die man verfolgt, um die Mannschaftsziele zu erreichen. Und daran werden wir gemessen. Aber reden kann jeder, in der Rückrunde wird sich zeigen, ob wir daraus gelernt haben.

SPOX: Spielt in solch einer Situation die Berichterstattung eine Rolle?

Langkamp: In Berlin ist es so, dass eine Siegesserie honoriert wird, wenn du dann aber wieder verlierst, läufst du sofort Gefahr, in einen negativen Strudel zu kommen. Hier gibt es nun mal sieben oder acht Zeitungen, die jeden Tag etwas über die Hertha schreiben müssen. Ich verstehe, dass Medien von negativen Schlagzeilen leben. Aber dann muss man sich nicht wundern, wenn man immer wieder die gleichen Floskeln hört. Die sind ja auch nur ein Schutz der Spieler, um keine Zeilen zwischen den Zeilen zu ermöglichen. Das ist eine kultivierte Technik, nichts anderes. Ich muss immer darüber lachen, wenn ich selbst diese Floskeln nutze oder sie bei Kollegen höre.

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