Fußball ist ein schnelllebiges Geschäft. So schnell sogar, dass einem gefeierten Team des einen Spieltags schon in der darauffolgenden Woche eine handfeste Krise angedichtet werden kann.
Ob der jüngsten Ergebnisse wäre es naheliegend, eine solche auch RB Leipzig zuzusprechen. Erstmals in der noch jungen Bundesliga-Historie blieb das Team von Ralph Hasenhüttl in drei Spielen in Folge sieglos.
In der Rückrunde stehen die Leipziger weiter mit nur zehn Punkten da. In der Hinrunde hatte das Team gegen dieselben Gegner acht Punkte mehr geholt. Wenig verwunderlich hat RB nun nur noch drei Punkte Vorsprung auf Dortmund und vier auf Hoffenheim.
Krisengerede ist aber natürlich Quatsch.
RB tritt auf der Stelle
Schließlich sind die Bullen bei allem Erfolg immer noch ein Aufsteiger. Ein Neuling, der sich in der Vorrunde nie ein anderes Ziel setzte als den Klassenerhalt. Der ist längst eingetütet.
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Leipzig belagert nach wie vor Platz zwei, tritt dort aber auf der Stelle. Dass es bei RB gerade einige Reibungspunkte gibt, ist offensichtlich. Die Formkurve zeigt nach unten. Die Personalsituation kommt erschwerend hinzu.
Kräfte schwinden?
Hasenhüttls Team hat Körner gelassen. Bis auf eine Ausnahme (beim 4:1-Sieg in Freiburg) lief RB in der Hinrunde immer deutlich mehr als der Gegner. Im Schnitt waren es an den ersten 17 Spieltagen jeweils ganze 3,3 Kilometer mehr.In der Rückrunde ist der Wert auf durchschnittlich 1,2 Kilometer pro Spiel deutlich zurückgegangen. In den letzten beiden Partien (0:1 gegen Wolfsburg und 0:3 in Bremen) legten die Bullen sogar weniger Meter zurück als der Gegner.
Leipzigs sehr intensiver Spielstil kostet Kräfte - ist aber nur bei vollem Leistungsvermögen so durchzuziehen wie in der Hinrunde. Dass das nicht über 34 Spieltage funktionieren konnte, war abzusehen. Was aktuell aber fehlt, ist die Alternative: eine ökonomischere Spielweise.
Spielsysteme: Zukünftig breiter aufstellen
Dahingehend ist RB nicht gerade breit aufgestellt. "Wir haben als Problem definiert, dass wir uns gerade gegen vermeintlich schwächere Mannschaften schwer tun, die sich hinten 'reinstellen, die uns wenig Raum zum Spielen lassen, die uns unser Umschaltspiel nicht umsetzen lassen", sagte Achim Beierlorzer zuletzt der Mitteldeutschen Zeitung. Seit Sommer ist er Sportlicher Leiter der leistungsorientierten Teams von U15 bis U19 in Leipzig, zudem Trainer der U19 in der A-Junioren-Bundesliga.
Auch die Leipziger selbst haben also das Spielsystem als einen der Gründe ausgemacht, weshalb bei den Profis aktuell der Erfolg ausbleibt und der Nachwuchs in dieser Saison die Erwartungen nicht nach Wunsch erfüllt hat.
Wie im vergangenen Jahr viele Zweitligisten haben sich auch die Bundesligisten an den Leipziger Pressing-Gegenpressing-Fußball gewöhnt. RB ist gezwungen, flexibler zu werden. "Wir legen mehr Wert auf gezielten Spielaufbau", sagt Beierlorzer. Das braucht Zeit.
Auch dem Kader fehlt die Breite
In dieser aktuellen Findungsphase ist das Stichwort "Breite" auch in einem weiteren Zusammenhang wichtig: dem Kader. Hasenhüttl hatte das Glück, in der Hinrunde fast immer auf seine gesamte Truppe zurückgreifen zu können. Zuletzt aber fehlten wichtige Leistungsträger. In Bremen zum Beispiel Naby Keita und der Langzeitverletzte Yussuf Poulsen (Muskelbündelriss).
In der Länderspielpause ereilte RB die nächste Hiobsbotschaft: Auch Timo Werner wird den Bullen in den nächsten Wochen mit einem Muskelfaserriss nicht zur Verfügung stehen. Das ist insofern tragisch, als dass sich in der zweiten Reihe keine wirklichen Alternativen aufdrängen.
Davie Selke, Oliver Burke oder auch Rani Khedira durften zuletzt ran, wenn ein Stammspieler fehlte. Auch sie gelten als große Talente, sind aber eben noch nicht weit genug, um die mittlerweile extrem hohe Qualität im Leipziger Spiel aufrechtzuerhalten. Gut ist bei RB schon nicht mehr gut genug.
Gut ist nicht mehr gut genug
Natürlich ist das Leipziger Ziel, Talente zu verpflichten und sie zu Topspielern zu entwickeln. Entsprechend verwundert es nicht, dass auf der Bank bei den Bullen keine sechs oder sieben erfahrene Stars sitzen, die jederzeit ohne Qualitätsabfall in die erste Elf rotiert werden können.
Was in dieser Saison noch problemlos verschmerzt werden kann, wird aber spätestens im nächsten Jahr, wenn durch den internationalen Wettbewerb die Belastung noch weiter steigt, ganz wichtig sein: ein Kader, der nicht nur in der Spitze den Erwartungen genügt.
"Wir wollen viel mehr Talente, die enger an den Profis dran sind, die noch mehr Leistungsvermögen haben. Dazu bedarf es auch einer veränderten Kaderplanung für das nächste Jahr", sagt Beierlorzer und präzisiert: "Wir wollen nicht viele Spieler, sondern auf höchstem Level die absoluten Toptalente zu uns holen."
Spieler wie Selke, Khedira oder Burke fallen in Zukunft womöglich durch dieses Raster. Denn eine Situation wie die aktuelle soll dann erst gar nicht mehr entstehen.
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