"Ich habe es immer gesagt: Lewandowski ist ein Spieler, der meinen Stil widerspiegelt. Ich schaue mir viel von ihm ab, " sagte Lucas Alario gegenüber dem argentinischen Fernsehsender Fox Sports am Mittwoch. Soeben hatte der 24 Jahre alte Stürmer von River Plate eigenhändig seinen Wechsel nach Leverkusen offiziell gemacht. Am Donnerstagnachmittag bestätigte auch Bayer, die Ausstiegsklausel wirksam gezogen und die Ablösesumme überwiesen zu haben.
Damit ist Alario offiziell lediglich vertragslos. Eine Freigabe seitens des argentinischen Verbandes und somit auch die Spielberechtigung für Leverkusen wird "in den nächsten Tagen" erwartet.
Obwohl diese skurrile Situation sinnbildlich für das seltsame Wechselspielchen um Alario ist, wird dieser in Zukunft mit Lewandowski in einer Liga spielen und kann zeigen, was er sich genau bei ihm abgeschaut hat.
Der Weg von Alario in die Bundesliga war beschwerlich und unterwegs dahin lief sein künftiger Verein Gefahr, sich vor der FIFA für sein Vorgehen verantworten zu müssen. Das hing zum einen mit der Starrsinnigkeit von River Plate, aber auch mit einem Deal zwischen Bayer und Alarios Ausbildungsverein CA Colon zusammen.
River Plate, CA Colon und das geteilte Transferrecht
Die Krux an der Personalie Alario war das Transferrecht, das sich River und CA Colon seit dem Wechsel Alarios zur Saison 2015/16 von Santa Fe Richtung El Monumental teilten. Colon behielt dabei 40 Prozent der Transferrechte. Bei einem Verkauf von Alario hätte Colon also automatisch mitverdient.
Mit Beginn des kommenden Jahres hätte sich das schlagartig geändert. Angesichts der starken Leistungen von Alario und seinem steigenden Marktwert hätte River Plate mit Sicherheit die vereinbarte Option gezogen und sich für 1,5 Millionen Euro die restlichen 40 Prozent der Transferrechte gesichert. Die Klausel mit dem geteilten Transferrecht machte sich allerdings Bayer-Manager Jonas Boldt zunutze.
Boldt, dem vor zwei Jahren das Kunststück gelang, keinen Geringeren als den kräftig umworbenen Charles Aranguiz ins Rheinland zu lotsen, handelte einen Deal mit Colon aus. Am Ende dieses Deals zog Bayer die von River festgesetzte Ausstiegsklausel für Alario in Höhe von 24 Millionen Euro lediglich auf dem Papier. In der Praxis umging Bayer die eigentliche Forderung.
River Plate, der große Verlierer
Dabei kalkulierte Boldt ein, dass Colon neun Millionen Euro von der fixen Ablösesumme Alarios bekommen würde. Bayer handelte mit Colon aus, dass fünf Millionen Euro von dem Alario-Deal zurück nach Leverkusen wandern. Im Gegenzug erhielt Colon immerhin vier statt der 1,5 Millionen Euro, die die Vertragsoption Anfang 2018 gebracht hätten.
Somit ergab sich zwischen Bayer, Colon und River eine Win-Win-Lose-Situation, die den argentinischen Rekordmeister als großen Verlierer zurückließ. River wehrte sich mit allen verbliebenen Mitteln gegen den Abgang Alarios.
Einerseits, um 2018 doch noch die gesamten Transferrechte an Alario zu erwerben und bei einem Abgang groß Kasse zu machen. Aber auch, weil in Sebastian Driussi bereits einer der beiden Torgaranten die argentinische Hauptstadt in Richtung St.Petersburg verlassen hatte.
Geheime Medizinchecks und die FIFA
In einem dreiseitigen Schreiben forderte River das Ende des Leverkusener Werbens um Alario und drohten damit, die FIFA einzuschalten: "Für den Fall, dass Sie nicht in einer ausdrücklichen und sofortigen Stellungnahme innerhalb einer Frist von 24 Stunden vom Transfer Abstand nehmen, werden wir die Angelegenheit der FIFA vorlegen."
Bayer soll Alario zu einer einseitigen Vertragsauflösung angestiftet haben. Das würde gegen den FIFA-Paragrafen 16 verstoßen. Dabei spielte auch ein angeblich geheimer Medizincheck in einer Privatklinik in Buenos Aires eine Rolle. River Plate soll davon erst durch Medienberichte erfahren haben. Klar war aber, dass der Verein von dem Ziehen der Ausstiegsklausel informiert war.
Nicht nur deswegen sieht sich Bayer im Recht. "Wir haben uns wie in all den Jahren, in denen wir schon Transfers in Südamerika gemacht haben, völlig korrekt verhalten," kommentierte Rudi Völler. Dem Vernehmen nach soll River den letzten Verhandlungstermin mit der Bayer-Delegation geschwänzt haben. Somit wäre eine Klage völlig wirkungslos.
Alario als effektiver Chicharito-Ersatz
Die zentrale Frage wird sein, ob Alario tatsächlich die Mühe, die zähen Verhandlungen und besonders das Geld wert gewesen ist. Mit Blick auf die vergangenen Investitionen der Leverkusener sind Zweifel durchaus berechtigt. Die Millionen-Transfers des vergangenen Sommers um Kevin Volland (20 Mio.), Aleksandar Dragovic (18 Mio.) und Leon Bailey (13,5 Mio.) waren bisher nicht die erhofften Hilfen. Zumal Dragovic angeblich schon wieder vor dem Absprung steht.
Alarios Aufgabe in Leverkusen wird es sein, die Effektivität ins Sturmzentrum zurückzubringen. Sowohl in München, als auch gegen die TSG Hoffenheim ließ die Bayer-Offensive beste Chancen liegen. Das kostete wertvolle Punkte im Kampf um Europa. Für Alario spricht dagegen seine Torquote von 40 Treffern in 92 Pflichtspielen für River. Mit einer Körpergröße von 1,86 Metern ist er extrem kopfballstark. Ein Attribut, das Bayer im Sturmzentrum abhandengekommen war.
Letztlich soll Alario bei Bayer den abgewanderten Chicharito ersetzen. Dank des Deals von Boldt hat Bayer damit noch nicht einmal ein deutliches Minusgeschäft gemacht. Die kleine Erbse verließ Bayer für 18 Millionen, Alario kommt für 19 Millionen. Sollte er sich genug von Robert Lewandowski abgeschaut haben, darf man Bayer zum Deal des Sommers gratulieren.