Ob es sich bei den Standards in dieser Saison um einen einmaligen Ausreißer nach oben handelt, oder ob sich der Trend bestätigt, gerade nach Ecken verstärkt zuzuschlagen, wird man erst in den nächsten Jahren einwandfrei sagen können.
Die zweite Frage ist: Welche Vereine profitieren ganz besonders vom Fokus auf die Standards? Und welche Klubs leiden in der Verteidigung am bittersten?
Standardtore - Bundesliga 2017/18 | |||||
Rang | Verein | Tore | Tore nach Standards | in % | Anteil Zuspiele** |
1 | SC Freiburg | 20 | 12 | 60 | 43% |
2 | Hertha BSC | 27 | 15 | 56 | 44% |
3 | Hamburger SV | 15 | 8 | 53 | 47% |
4 | Hannover 96 | 28 | 14 | 50 | 47% |
5 | 1. FC Köln | 14 | 7 | 50 | 44% |
6 | Schalke 04 | 30 | 14 | 47 | 49% |
7 | Werder Bremen | 16 | 7 | 44 | 45% |
8 | VfB Stuttgart | 16 | 7 | 44 | 50% |
9 | Mainz 05 | 24 | 10 | 42 | 45% |
10 | Bor. Mönchengladbach | 30 | 12 | 40 | 50% |
11 | RB Leipzig | 31 | 11 | 35 | 57% |
12 | Eintracht Frankfurt | 24 | 8 | 33 | 45% |
13 | FC Augsburg | 28 | 9 | 32 | 45% |
14 | VfL Wolfsburg | 22 | 7 | 32 | 50% |
15 | Bayern München | 44 | 13 | 30 | 66% |
16 | Borussia Dortmund | 40 | 12 | 30 | 64% |
17 | 1899 Hoffenheim | 29 | 8 | 28 | 53% |
18 | Bayer Leverkusen | 39 | 9 | 23 | 53% |
**Prozentualer Anteil der Pässe des Teams in einer Partie. In etwa vergleichbar mit Ballbesitz.
Wie man vielleicht vermuten könnte, sind es im Schnitt eher die spielschwachen Vereine, die gerade über die Standards zum Erfolg kommen. Niemand überlässt das Spielgerät so oft dem Gegner wie Freiburg, Berlin und Köln - und alle drei Klubs befinden sich unter den Top 5, was ihre Erfolge nach Standards angeht. Die Breisgauer markierten bis zum 19. Spieltag unglaubliche 60 Prozent ihrer Tore nach ruhendem Ball.
Umgekehrt treffen die spielbestimmenden Teams wie Bayern oder Dortmund prozentual sehr viel seltener durch Standards, auch Leipzig, Hoffenheim oder Leverkusen sind in dieser Hinsicht in der "unteren Tabellenhälfte" zu finden.
Obwohl die Bayern mit James mittlerweile einen waschechten Standard-Spezialisten in ihren Reihen haben und sich unter Jupp Heynckes ("Bei Standardsituationen sind wir in dieser Saison sehr gefährlich.") noch einmal gesteigert haben - gerade mal elf Standardtore unter Carlo Ancelotti in der vergangenen Saison -, treffen drei Teams nach Standards häufiger.
Ein weiterer interessanter Aspekt: In dieser Saison treffen Abwehrspieler vergleichsweise extrem häufig. 12,42 Prozent aller Tore wurden durch Verteidiger erzielt, nur dreimal waren es seit Beginn der Datenerfassung mehr. Schicken die Teams also einfach ihre baumlangen Innenverteidiger nach vorn? Erklärt das die vielen Tore nach Ecken? "Aus dem Spiel heraus lassen wir nicht viel zu, aber bei Standards versuchen die Gegner immer alles", lamentierte Hasenhüttl zuletzt.
Andererseits sind die Teams mit den treffsichersten Hintermannschaften (Gladbach und Mainz erzielen über ein Viertel aller Tore durch Abwehrspieler) in der obigen Tabelle genau in der Mitte zu finden.
Wie sieht es bei den Gegentoren aus?
Gegentore nach Standards - Bundesliga 2017/18 | ||||
Rang | Verein | Gegentore | Gegentore nach Standards | in % |
1 | Bayer Leverkusen | 27 | 14 | 52 |
2 | 1. FC Köln | 33 | 16 | 48 |
3 | Mainz 05 | 33 | 16 | 48 |
4 | RB Leipzig | 28 | 13 | 46 |
5 | Eintracht Frankfurt | 20 | 9 | 45 |
6 | Hertha BSC | 27 | 12 | 44 |
7 | Bayern München | 14 | 6 | 43 |
8 | VfB Stuttgart | 24 | 10 | 42 |
9 | FC Augsburg | 25 | 10 | 40 |
10 | Hannover 96 | 29 | 11 | 38 |
11 | 1899 Hoffenheim | 27 | 9 | 33 |
12 | Schalke 04 | 25 | 8 | 32 |
13 | Hamburger SV | 28 | 9 | 32 |
14 | Werder Bremen | 25 | 8 | 32 |
15 | Bor. Mönchengladbach | 30 | 9 | 30 |
16 | VfL Wolfsburg | 24 | 7 | 29 |
17 | Borussia Dortmund | 25 | 7 | 28 |
18 | SC Freiburg | 33 | 9 | 27 |
Erste Erkenntnis: Der hadernde Ralph Hasenhüttl hat nicht ganz Unrecht. Die Bullen sind bei den Gegentoren nach Standards weit vorn. Was aber soll Bayer Leverkusen sagen? Die Werkself trifft nicht nur so selten wie sonst kein Team durch Ecken, Freistöße und Co., sondern kassiert gleichzeitig auch als einziges Team über die Hälfte aller Gegentreffer, wenn sich der Gegner den Ball vorher hübsch zurechtgelegt hat. Es stimmt, über ein Drittel dieser Gegentreffer fielen allein in den zwei Spielen gegen die Bayern, dennoch ist die Statistik für Trainer Heiko Herrlich auf der Jagd nach dem Champions-League-Platz besorgniserregend.
Zweite Erkenntnis: Eine Tendenz bei spielstarken und -schwachen Teams lässt sich hier schwerer feststellen. Leverkusen und Leipzig lassen sich vergleichsweise leicht bezwingen, Gladbach und Dortmund stehen bei Standards aber sehr sicher. Die Kölner treffen bei eigenen Standards, kassieren andererseits aber eben auch häufig.
Dritte Erkenntnis: Lars Voßler ist immer noch ein Genie.
Freiburgs Co-Trainer Voßler ist ein Standard-Experte
Voßler ist seit vielen Jahren Co-Trainer von Christian Streich und im Breisgau für das Einstudieren von Standardstituationen zuständig. Das machte er schon vor der WM 2014 so gut, dass Hansi Flick in der Vorbereitung auf das Turnier in Brasilien Rat bei ihm suchte, nachdem die DFB-Elf vermehrt den ruhenden Ball trainieren wollte.
Voßler präsentierte ihm seine Ideen, Flick wiederum gab sie an Löw weiter. Das Ergebnis ist bekannt: Deutschland traf in Brasilien so oft wie kein anderes Team nach Standards - und wurde am Ende Weltmeister. "Sehr dankbar" sei man Streich und dem SC für deren Offenheit, erklärte Flick später in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung.
Voßler und die Wichtigkeit von Standards in engen Spielen ist also längst kein Geheimnis mehr. Scheinbar kann ihm die Konkurrenz aber immer noch nicht das Wasser reichen: Keine Mannschaft trifft nach Standards prozentual so häufig wie der SC Freiburg - und niemand verteidigt diese Situationen so geschickt.
Mittlerweile werden sogar schon Talentscouts für viel Geld abgeworben. Da würde sich, gerade im Zuge der zunehmenden Spezialisierung im Training, vielleicht auch ein gewisser Co-Trainer anbieten.