Fritz von Thurn und Taxis im Interview: "Fast wäre ich im Gefängnis gelandet"

Fritz von Thurn und Taxis im Gespräch mit Uli und Dieter Hoeneß.
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Von einer WM ist es nicht weit zu Olympischen Spielen. Haben Sie da einen ähnlichen Moment erlebt?

von Thurn und Taxis: Ja, und zwar in Salt Lake City, das war auch 2002. Ich wusste nach den Anschlägen vom 11. September damals nicht, ob ich überhaupt fahren will und habe sehr mit mir gerungen. Letztlich bin ich doch geflogen und saß wenig später bei der Eröffnungsfeier in dem kleinen Stadion der University of Utah, 30.000 Zuschauer haben da vielleicht reingepasst. Es waren gefühlt minus 30 Grad. US-Präsident George W. Bush hat die Spiele eröffnet, über dem Stadion haben die Hubschrauber gekreist. Also wenn es einen Ort gab, an dem nichts passieren konnte, dann war es dieses Stadion. Das war auch ein Moment, der weit über den Sport reicht und mich sehr beeindruckt hat. Aber wenn wir bei Olympischen Spielen sind, denke ich sofort auch an 1972. An den Moment, als IOC-Präsident Avery Brundage diesen berühmten Satz sagt. "The Games must go on." Ein Wahnsinn. Es war gar nicht zu begreifen, wie die Spiele weitergehen sollen. Es war eine dumpfe Atmosphäre, das Requiem von Beethoven wurde gespielt. Was für ein intensiver Moment, er bleibt unvergessen.

Was viele gar nicht wissen: Ihr eigentlicher Lieblingssport ist ja Basketball.

von Thurn und Taxis: Absolut, Basketball war immer eine Herzensangelegenheit für mich, weil ich auch selbst früher aktiv gespielt habe. Wie habe ich gekämpft, um Basketball im TV zu platzieren, aber oft haben wir nur den Sendeplatz um 23.15 Uhr bekommen, bei dem dann wieder nur die Fachleute vor der Mattscheibe saßen. Der Durchbruch kam bei den Olympischen Spielen 1992 in Barcelona mit dem Dream Team. Dem einzig wahren Dream Team, das muss betont werden. Plötzlich haben alle zu einer guten Sendezeit diese Superstars spielen sehen. Plötzlich gab es so etwas wie einen Boom. Plötzlich hingen Basketballkörbe an den Garagen. Davor war Basketball ja eher eine bessere Uni-Sportart gewesen. Aber ich habe es geliebt. Ich habe mir Basketball-Schuhe aus den USA einfliegen lassen, das war für mich immer wie Weihnachten und Ostern zusammen. Es war so schwer, sich Sendeplätze zu erkämpfen. Ich erinnere mich noch an eine Abschlussbesprechung vor einem wichtigen Spiel des DBB-Teams, da habe ich gesagt: Schönen Gruß von der ARD-Programmredaktion, wenn ihr heute ausscheidet, dann ist Schluss mit Basketball. (lacht)

Fritz von Thurn und Taxis über die Taktikbesprechung mit Svetislav Pesic

Bis heute unvergessen bleibt natürlich der EM-Triumph 1993 in München.

von Thurn und Taxis: Das ist bis heute sicherlich eine der größten Sensationen. Ich hatte von Anfang an ein enges Verhältnis zu Bundestrainer Svetislav Pesic. Am Abend vor dem Russland-Spiel saßen wir noch bis in die Nacht im Hotel zusammen und haben auf Zetteln eine Taktikbesprechung gemacht. Wie können wir den russischen Spielmacher Sergey Bazarevich ausschalten? Das war damals der Schlüssel zum Erfolg. Wobei die größere Sensation eigentlich noch der Sieg im Viertelfinale gegen die Spanier war. Die waren eigentlich viel zu schnell für uns. Aber auch das hat die Mannschaft geschafft. Chris Welp, Kai Nürnberger, Hansi Gnad, Henning Harnisch, Mike Koch und wie sie alle hießen - es war eine legendäre Truppe.

Ähnlich sensationell war jetzt die Silbermedaille des DEB-Teams in Pyeongchang. 42 Jahre nach Bronze in Innsbruck haben wir ein deutsches Miracle on Ice erlebt.

von Thurn und Taxis: Ich muss natürlich sofort an Lake Placid 1980 denken, als die US-Boys um Coach Herb Brooks und Mike Eruzione die große Sbornaja um Viktor Tykhonov schlug. Wir hatten unser Hotel direkt neben der Halle. Als ich merkte, was da vor sich ging, habe ich mich schnell angezogen und bin rüber in die Halle. Es war klar: Hier passiert gerade ein Jahrhundertereignis.

Später waren Sie bei Premiere entscheidend daran beteiligt, wie Eishockey zum ersten Mal im TV völlig neuartig produziert wurde. Was war das für eine Zeit?

von Thurn und Taxis: Zusammen mit dem leider verstorbenen Günter-Peter Ploog haben wir damals Eishockey als zweite Sportart nach dem Fußball etabliert. Man darf ja nicht vergessen, wie davor Eishockey-Übertragungen produziert wurden. Oft nur mit einer oder zwei Kameras. Da hast du nicht mal gesehen, ob der Puck im Tor war. Wir haben dann die Übertragungen revolutioniert. Wir hatten plötzlich zehn Kameras zur Verfügung. Rosenheims Torhüter Karl Friesen, der Mormone, ein ganz besonderer Liebling von mir, hatte zum Beispiel eine Kamera auf seinem Helm. Und dann haben wir ja auch den Fernsehbeweis eingeführt.

Ich erinnere mich. Das war damals großes Kino.

von Thurn und Taxis: Plötzlich fuhr der Schiri raus an die Bande und schaute sich die Szene auf dem Monitor an. War der Puck drin, oder nicht? Am besten war es, wenn der Handschuh des Goalies auf dem Puck war und du nicht richtig gesehen hast, ob der Puck jetzt über der Linie ist oder nicht. Wir haben das zelebriert damals. Entscheidend war, dass jeder genau verstanden hat, was da gerade passiert. Das ist zweifellos der große Unterschied zu den Diskussionen, die wir jetzt im Fußball haben. Es war eine tolle Zeit im Eishockey, auch weil es so viel leichter war, hautnah an die Beteiligten heranzukommen. Wir wurden in die Kabine gelassen, wir durften mehr oder weniger alles machen, was wir uns ausgedacht haben.