Nach Fußball, Basketball und Eishockey müssen wir jetzt natürlich auch noch über den alpinen Skisport sprechen. Auch da waren Sie bei vielen Highlights hautnah dabei. Stichwort Calgary 1988. Marina Kiehl gewinnt die Goldmedaille in der Abfahrt.
von Thurn und Taxis: Fast wäre ich im Gefängnis gelandet.
Erzählen Sie.
von Thurn und Taxis: Nachdem Marina Kiehl gewonnen hatte und mein Kommentar zu Ende war, bekam ich die Order, dass ich direkt nach unten eilen sollte, um gleich live ein Siegerinterview mit ihr zu führen. Also bin ich runter, aber ich kam nicht an der Sicherheitskontrolle vorbei, weil ich für diesen Bereich keine Akkreditierung hatte. Fragen Sie mich nicht warum. Auf jeden Fall stand ich da und wusste genau, in einer halben Minute muss ich auf Sendung sein, ich muss jetzt hier durch, es gab keine Wahl. Also habe ich die Frau, die den Bereich bewacht hat, elegant, aber doch beharrlich, von der Seite weggeschoben, bin rein und habe das Interview gemacht.
Was war die Folge?
von Thurn und Taxis: Mir wurde sofort die Akkreditierung abgenommen und danach ging es vor einen Rat des IOC. Mein Teamchef Eberhard Stanjek war dabei, dazu Uli Köhler, der sich auch irgendwas erlaubt hatte. Klar war: Wenn du einen Volunteer angreifst und keine gute Begründung hast, dann wanderst du erstmal ins Gefängnis. Ich hatte das Glück, dass Walther Tröger als IOC-Mitglied mit am Tisch saß. Er war ein alter Basketballfreund von mir und hat mich verteidigt. Aber die wollten, dass ich einziehe. Zumindest eine Nacht. Wir konnten es zum Glück verhindern und noch am gleichen Abend saß ich wieder im Saddledome zu Calgary, um Eishockey zu kommentieren. Irre.
Fritz von Thurn und Taxis über Fußball pur
Wenn Sie vergleichen, wie Sie damals kommentiert haben und wie der Stil heute ist, was hat sich am meisten verändert?
von Thurn und Taxis: Die Informationen, die der Zuschauer zur Verfügung hat. Früher wusste der Zuschauer ja nichts, deshalb war auch der Kommentarstil völlig anders. Auch die ganze Übertragung. Wenn wir das Landesmeister-Finale 1974 in Brüssel nehmen zwischen Bayern und Atletico. Das Spiel begann um 20 Uhr und wir sind um 19.55 Uhr auf Sendung gegangen. Es gab keinen Moderator, keine Fieldreporter, keine Vorberichte, nichts. Und nach Spielende war die Übertragung nach fünf Minuten auch wieder vorbei. Es war Fußball pur. Nicht so systematisch wie heute. Es hing von den Kommentatoren ab, wie viel Infos der Zuschauer bekommen hat. Was der Kommentator gesagt hat, galt sozusagen. Gerd Rubenbauer und ich haben Ende der 70er Jahre damit angefangen, für Live-Spiele mehr Material heranzuschaffen. Aber das war völlig ungewöhnlich. Wir haben unserem Chef gesagt: "Wir brauchen mehr Honorar, wir machen mehr." Das hat keiner verstanden. Bei der EM 1992 haben Rubi und ich mitbekommen, dass die Franzosen so etwas wie ein Handy hatten. Und wir? Wir hatten keines, wir mussten zwei Stunden zu den Franzosen raus ins Trainingslager fahren.
Unvorstellbar. Genauso unvorstellbar wie die Tatsache, dass nicht mehr jedes Fußballspiel live zu sehen ist und der Spieltag immer weiter aufgesplittet wird.
von Thurn und Taxis: Auch das ist im Rückblick faszinierend. Als wir damals bei Premiere die Nachricht bekamen, dass wir pro Wochenende noch ein zweites Spiel machen sollten, haben wir uns alle angeschaut und gesagt: Wie soll das denn gehen? Wir hatten ja unglaublichen Aufwand in die Produktionen gesteckt. Wir haben sie zelebriert wie eine Oper. Wir haben tagelang an Storys gearbeitet, sind mit Ottmar Hitzfeld aus dem Flugzeug gesprungen oder haben Stefan Effenberg als Co-Kommentator aus Florenz einfliegen lassen. Zwei Produktionen zu stemmen schien unmöglich. Aber der damalige Sportchef Michael Pfad hat dann zwei separate Crews installiert, die sich auch ein bisschen reiben und für internen Wettbewerb sorgen sollten. Das hat gut geklappt. Ein Jahr später hieß es dann, dass wir jetzt drei Spiele machen müssen. Ausgeschlossen, haben wir gesagt. (lacht) Der Rest ist Geschichte.