Außerdem erklärt der 47-Jährige, warum er von ganz unten gekommen ist und wie seine Definition von Erfolg aussieht. Baumgart verrät auch, warum er seine Meinung beim Thema "Karten für Trainer" revidieren musste.
Herr Baumgart, sind Sie Kampfsport-Fan?
Steffen Baumgart: Nicht in besonderem Maße, ich schaue mir Kampfsportarten so an, wie ich mir viele andere Sportarten auch anschaue. Mich interessieren vor allem besondere Leistungen, bei denen ich sehen kann, wie viel Arbeit und Leidenschaft dahintersteckt, um sie möglich zu machen. Ich denke da spontan an die Tour de France zum Beispiel. Aber ich weiß, worauf Ihre Frage abzielt. Fußball ist für mich in erster Linie ein Kampfsport.
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Warum?
Baumgart: Weil es im Fußball nicht nur um den Ball geht. In erster Linie geht es um andere Komponenten, um Mentalität und Bereitschaft. Es geht um Zweikämpfe, Mann gegen Mann. Da musst du dich durchsetzen können. Alle taktischen Geschichten folgen später.
Sie sagen gerne, dass der Fußball manchmal zu kompliziert gemacht wird. In welchen Momenten kriegen Sie die Krise?
Baumgart: Wenn ich viele Gespräche höre, in denen dann zum Beispiel die Dreierkette zum neuen Allheilmittel gemacht wird. Dann denke ich mir: Dreierkette haben wir 1994 schon in Rostock gespielt. Was ist daran jetzt so neu? Gerade im Fernsehen wird so viel erzählt, aber so kompliziert, wie es da oftmals benannt wird, ist es in Wirklichkeit gar nicht. Wenn ich das höre, könnte ich meinen, ich müsste mich 100 Stunden lang auf ein Spiel vorbereiten, so viel Zeit habe ich aber gar nicht. Das heißt aber nicht, dass wir keine modernen Techniken benutzen. Das tun wir. Es kommt aber auch immer darauf an, wie man sie nutzt. Eine Power-Point-Präsentation kann auch einfach gestaltet sein und trotzdem Dinge klar aufzeigen.
Steffen Baumgart: "Wir wollen Fußball nicht verhindern"
Sie sind mit Paderborn dafür bekannt geworden, mit offenem Visier zu spielen. Müssen Sie in der Bundesliga nicht angesichts der Qualität der Gegner zumindest ein bisschen davon abrücken?
Baumgart: Nein, warum sollten wir das tun? Wir sind zwar der kleinste Verein mit dem kleinsten Etat, aber das ändert nichts an der Art und Weise, wie wir Fußball spielen wollen. Mit der Betonung auf spielen. Wir wollen Fußball nicht verhindern, auch nicht gegen die Bayern. Wie gut uns das Spieltag für Spieltag gelingen wird, werden wir sehen. Wahrscheinlich werden wir auch in Abwehrschlachten geraten, aber es wäre auch fatal für die Konkurrenz, wenn das gegen das vermeintlich kleine Paderborn nicht so wäre. Dennoch haben wir eine Idee vom Fußball. Wir wollen nicht nur auf Konter spielen. Wir wollen unsere Spiele nicht glücklich gewinnen. Wir wollen unseren Stil 90 Minuten lang umsetzen, egal ob es 1:0, 0:1, oder 4:2 steht. Bislang hat sich dieser Ansatz ganz gut ausgezahlt.
Paderborn-Fans hoffen wahrscheinlich auf den Klassenerhalt mit einem Torverhältnis von 70:70.
Baumgart: (lacht) Bei uns ist auf jeden Fall nie Stillstand, da können sich alle sicher sein.
Sie waren als Spieler immer jemand, der seine Meinung gesagt hat, auch Ihrem Coach. Genießen Sie jetzt auf der anderen Seite die kritische Auseinandersetzung mit Ihren Spielern, fordern diese vielleicht sogar ein?
Baumgart: Das entscheidende Wort ist für mich Dialog. Nur weil sich ein Spieler mit Dingen auseinandersetzt und nicht immer meine Meinung teilt, ist das für mich keine Kritik. Solange ein Spieler das nicht in der Öffentlichkeit macht, sondern den Mut hat, es mit mir unter vier Augen zu besprechen, finde ich das richtig und wichtig. Am Ende muss einer das Sagen haben, das bin in dem Fall ich, das ist auch klar. Aber trotzdem freue ich mich, unterschiedliche Sichtweisen aus der Mannschaft zu hören. Es ist doch schön, wenn wir nicht nur stromlinienförmige Spieler im Fußball haben, davon gibt es ohnehin genug.
Steffen Baumgart: "Ich könnte heute auch Bezirksliga-Trainer sein"
Nicht umsonst haben Sie jemanden wie Eric Cantona immer sehr gemocht. Warum ausgerechnet ihn?
Baumgart: Ich habe Cantona wirklich sehr gemocht. Einfach, weil er ein sehr spezieller Spieler war. Cantona war anders, er hat sich nicht alles gefallen lassen. Er hat sich auf dem Platz gewehrt und hatte eine unglaubliche Coolness. Marco van Basten war sonst auch noch jemand, auf den ich immer ein Auge hatte. Diese Jungs hatten differenzierte Meinungen, das hat mir imponiert. Wenn ich heute jemanden nennen müsste, würde ich Toni Kroos nehmen. Es beeindruckt mich, wie er mit Kritik umgeht. Wie er sich von vermeintlichen Experten nicht beeinflussen lässt, sondern seinen Weg weitergeht und trotzdem immer weiter Leistung bringt. Cantona, van Basten, Kroos - das sind besondere Persönlichkeiten.
Wenn man mit Ihnen spricht, merkt man schnell Ihre Begeisterung für den Trainerjob. Warum war es so früh für Sie klar, dass der Trainerjob Ihre Berufung ist?
Baumgart: Das ist eine gute Frage. Ich wusste schon in der Jugend, dass ich einmal Trainer sein will, aber wo es genau herkommt, weiß ich nicht. Vielleicht hat es mit meiner Familiengeschichte zu tun, sowohl mein Vater als auch mein Opa waren Trainer. Irgendwie war es schon immer mein Ding. Schon auf dem Bolzplatz gab es Situationen, die ich ein klein wenig aus Trainersicht analysiert habe. Es hat mir Spaß gemacht, zu überlegen, wie man Situationen auf dem Platz besser lösen kann. Wie bestimmte Abläufe funktionieren, welche Übungen man ins Training integrieren kann. Du lernst als Trainer die ganze Zeit dazu. Was vor fünf Jahren vielleicht gut gewesen ist, muss es heute nicht mehr sein. Mir war früh klar, was ich machen will. Und zwar unabhängig von der Liga. Ich könnte heute auch Bezirksliga-Trainer sein, ich wäre auf jeden Fall Trainer geworden, egal wo.
Sie haben vor Ihrer Spielerkarriere eine Ausbildung zum Kfz-Mechaniker gemacht und auch zwischendurch bei der Polizei in Schwerin gearbeitet. Was war das für eine Zeit?
Baumgart: Jede Zeit in meinem Leben war auf eine gewisse Art und Weise prägend. Ich habe im Osten eine sehr schöne Jugend erlebt. Ich hatte nie das Gefühl, eingesperrt zu sein. Im Nachhinein haben viele Leute Geschichten erzählt, aber die Wenigsten haben es besser gewusst. Ich hatte eine schwerelose Jugend, konnte meinen Sport machen und hatte alles, was ich brauchte. Ich habe in meinem Leben immer Sachen durchgezogen und konsequent zu Ende gebracht. Ich habe den Aufnahmelehrgang bei der Polizei absolviert, dann aber gemerkt, dass es nicht das Richtige für mich war. Dann habe ich meine Ausbildung als Kfz-Mechaniker abgeschlossen. Es war mir immer wichtig, am Ende etwas in der Hand zu halten. Für mich ist das eine wichtige Eigenschaft.