50 Spieler sollen Schalkes Manager Christian Heidel nach dem überraschenden Verkauf von Thilo Kehrer nach Paris St.-Germain angeboten worden sein. Der wollte von einer Transfer-Offensive jedoch nichts wissen und ließ vermelden, dass man mit dem Geld auf der hohen Kante ebenfalls gut leben könne.
Jetzt ist ein Teil der Summe doch schon runter vom Festgeldkonto: Bis zu sieben Millionen Euro soll der sechste Neuzugang des Sommers die Knappen kosten, die siebte Million offenbar erfolgsabhängig. Hamza Mendyl heißt der 20-Jährige, der vom OSC Lille in den Pott gewechselt ist.
Ein Ersatzmann für Kehrer ist er nicht: Mendyl ist gelernter Außenverteidiger und damit eher kein Mann für die Dreierkette, sondern für die linke Außenbahn oder eine Umstellung auf Viererkette. Und er ist kein Schnellschuss, wie Trainer Domenico Tedesco betonte: "lange und ausführlich" habe man sich mit dem Marokkaner beschäftigt: "Er bringt sehr viel mit, was wir uns für diese Position wünschen. Athletik, Dynamik, Robustheit und Mut in der Offensive."
Hamza Mendyl: Mehr als eine Notlösung auf der linken Seite für Schalke
Mendyl kommt mit Ansage: Seit feststeht, dass Bastian Oczipka nach seiner Leistenoperation mindestens bis Oktober ausfällt, war klar, dass Schalke auf dem Transfermarkt noch einmal zuschlagen würde. In der vergangenen Saison halfen auf links neben Oczipka immer wieder Alessandro Schöpf und Daniel Caligiuri aus, beide sind jedoch eigentlich auf der rechten Seite zuhause.
Darüber hinaus findet sich im Kader noch Abdul Rahman Baba, die Leihgabe vom FC Chelsea, aber der muss erst noch unter Beweis stellen, dass er nach seinen Kreuzbandriss aus der Vorsaison die hohe Belastung von Woche zu Woche verkraften kann.
Eine zu dünne Personaldecke, um 2018/19 auf drei Hochzeiten zu tanzen. "Wir werden sicherlich noch etwas machen", hatte Heidel dementsprechend bezüglich der "Bauchschmerzen auf der linken Seite" angekündigt. Da hatte man Mendyl offenbar schon im Auge.
Hamza Mendyl: Um ein Haar zum FC Arsenal gewechselt
Der wäre übrigens fast bei Arsenal oder Newcastle United gelandet. "Der ist gerade in London", erfuhr Heidel, als er bei Lille anklopfte - "da haben wir kurz gezittert." Am Ende scheiterte ein Deal wohl daran, dass Nicht-EU-Ausländer derzeit nur schwer eine Arbeitserlaubnis auf der Insel bekommen - Glück für Schalke.
Wer ist Hamza Mendyl? Den Durchbruch in Frankreich schaffte der 1,79 Meter große Defensivmann in der vergangenen Saison. 2016 wechselte von einer Akademie aus Marokko nach Lille, im Februar 2017 debütierte er für die erste Mannschaft. Wenig später warf ihn ein Kreuzbandriss zurück, erst im April spielte er sich in der Startelf fest: sechs Spiele über die volle Distanz für Lille, Mendyl half dabei, den Abstieg gerade noch so zu verhindern.
Hamza Mendyls Leistungsdaten in der Ligue 1 2017/18
Einsätze | 12 |
Startelf | 9 |
Tore | 0 |
Vorlagen | 0 |
Pässe pro 90 Minuten | 32 |
Passquote | 82 Prozent |
Ballaktionen pro 90 Minuten | 58 |
Zweikampfquote | 48 Prozent |
Luftzweikampfquote | 40 |
Fehler vor Gegentoren | 0 |
Gelbe Karten | 2 |
Platzverweise | 1 |
Zum Lohn ging es mit Marokko zur WM nach Russland. Dort blieb Mendyl jedoch ohne Einsatzminute: Coach Herve Renard vertraute in der Viererkette lieber Achraf Hakimi von Real Madrid, obwohl der eigentlich Rechtsverteidiger ist. Kein Problem für seinen neuen Trainer: "Dass er nicht bei der WM gespielt hat, war sicherlich nicht so verkehrt. Sonst wäre er nicht unterhalb des Radars gelaufen." Auf Hakimi könnte Mendyl nun in der Bundesliga treffen - der 19-Jährige unterschrieb bei Borussia Dortmund.
Neuer Berater fädelte Mendyls Schalke-Wechsel ein
Ein Wiedersehen wird es auf Schalke definitiv mit Nationalmannschaftskollege Amine Harit geben. Mit dem fuhr Mendyl zur WM und bei dem werden sich Heidel und Tedesco sicherlich erkundigt haben, was den rund vier Monate jüngeren Verteidiger angeht. Umgekehrt weiß Mendyl von Harit, womit er bei den Knappen zu rechnen hat - und dass Tedesco der richtige Übungsleiter ist, um den nächsten Schritt zu machen.
Einen weiteren, nicht zu unterschätzenden Faktor beim Wechsel dürfte Mendyls neuer Berater Hootan Ahmadi gespielt haben. Das verriet der Spieler selbst via Twitter: "Danke an meinen großen Bruder @hootancan3", schrieb er, "drei Wochen zusammen und ein unglaublicher Wechsel für meine Karriere."
Der Verdacht drängt sich also auf, dass sich der gläubige Muslim Mendyl nach dem gescheiterten England-Wechsel umorientierte - und der neue Berater sofort alle Hebel in Bewegung setzte. Ein eher unorthodoxer Berater, um es vorsichtig auszudrücken: Ahmadi war vor dem Fußballgeschäft nämlich ursprünglich Schönheitschirurg und managte auch schon einen Nachtclub im Herzen Londons.
Seinen Klient hat er nun bei einem Verein platziert, bei dem er Champions League spielen kann - bei den Gunners wäre das nicht möglich gewesen. Auf Schalke fährt man nun zweigleisig: Mendyl soll einerseits als großes Talent aufgebaut werden, andererseits soll er aber auch schon in dieser Saison helfen. "Er hat eine sehr gute Geschwindigkeit und einen guten Antritt, ist mutig im Eins-gegen-eins und hat einen guten linken Fuß", sagte Tedesco bei Sky; für Heidel ist der Junge "alles, aber definitiv noch nicht am Ende seiner Entwicklung".
Hamza Mendyl: Stark am Ball, Schwächen in der Defensive
Besonders viel Luft nach oben gibt es in der Defensive. Wie von Tedesco angesprochen fällt schnell Mendyls Vorwärtsdrang auf, die Schnelligkeit und Ballsicherheit. Aber er lässt auch Gegner hinter sich entwischen und packt gern die eine oder andere abenteuerliche Grätsche am eigenen Strafraum aus. Auf Schalke wird er lernen, sich in ein defensives System einzugliedern, das allerhöchsten Ansprüchen genügt.
Er ist der sechste Wunschspieler Tedescos, der den Kader Stück für Stück nach seinen Vorstellungen umbaut. "Domenico hat mir mehrfach bestätigt, dass er sehr, sehr zufrieden mit dem Kader ist", sagte Heidel. Im letzten Jahr musste sein Trainer aus den Gegebenheiten das Mögliche herausholen, was ihm mit Bravour gelang. Nun kann der 32-Jährige mit Talenten wie Suat Serdar und Mendyl und gestandenen Profis wie Salif Sane und Mark Uth seine eigene Spielidee weiter nach vorn treiben.
Gelingt ihm das, und gewöhnt sich Mendyl schnell an die Bundesliga, dann wären die sieben Millionen trotz der erst 13 Ligaspiele auf höchstem Niveau bestens angelegt. Dem FC Arsenal schnappt man schließlich nicht alle Tage einen Spieler weg.