Die Idee zur neuen schwarz-gelben Meisterkultur kam Hans-Joachim Watzke nachts um vier. "Trotz des Frusttrinkens konnte ich nach dem letzten Spieltag nicht schlafen. Da ist mir aufgegangen: Wir haben in diesem Jahrzehnt nur 2018 am Ende nicht mehr um einen Titel gespielt", sagte der Geschäftsführer von Borussia Dortmund am Dienstag: "Es gibt keine andere zweite Kraft im deutschen Fußball als uns."
Diese Erkenntnis ist freilich keine neue, schon gar nicht für Watzke. Doch der BVB-Boss will sie in Zukunft deutlich offensiver kommunizieren: lauter, selbstbewusster - und auch einen Tick rotziger. "Wir werden die Kommunikationsstrategie mehr akzentuieren. Wir werden noch ambitionierter auftreten", sagte Watzke beim Cappuccino im alten VIP-Raum des Signal-Iduna-Parks. "Das haben wir in den Jahren nach der Insolvenz nicht gemacht, unter Jürgen Klopp brauchten wir es nicht." Jetzt aber sei es "an der Zeit. Vielleicht muss auch ich wieder ein bisschen aggressiver sein."
BVB: Hans-Joachim Watzke will Druck erhöhen
Damit solle "der Druck auf alle Beteiligten erhöht werden", selbstverständlich jedoch, ohne in "Wahnsinn" zu verfallen. Der BVB werde mit der Maßgabe in die neue Saison gehen, "dass wir ohne Wenn und Aber um die deutsche Meisterschaft spielen". Vom ersten Spieltag an. Und nicht erst dann, wenn es sich klaren Geistes kaum mehr vermeiden lässt.
Doch die BVB-Entwicklung soll über das Mundwerk hinausgehen. "Du musst den einen oder anderen ordentlichen Transfer machen", betonte Watzke, und während er sprach, wurde passenderweise die Verpflichtung des Hoffenheimer Linksverteidigers Nico Schulz für 27 Millionen Euro verkündet. Thorgan Hazard (Gladbach) wird, Julian Brandt (Leverkusen) soll kommen: Der BVB rüstet sich für den nächsten Sturm Richtung Meisterschale. Die abgelaufene Saison hatte er mit 76 Punkten als Tabellenzweiter zwei Punkte hinter Meister Bayern München beendet.
Hans-Joachim Watzke: Zu wenig Überzeugung beim BVB
Watzke wurmt es heute, dass der BVB von seiner Abwiegel-Taktik erst spät auf die klare Meisteransage umgeschaltet hatte, das Thema nahm er deshalb am späten Vormittag auch mit in die intensive Saisonanalyse zu Sportdirektor Michael Zorc und Trainer Lucien Favre. "Ich hätte es vielleicht nach dem Leipzig-Sieg Mitte Januar offensiver formulieren sollen, aber davon hätten auch alle überzeugt sein müssen", sagte er.
Beim neuen "Angriffsplan" spielt dem BVB eine Entscheidung aus dem vergangenen Jahr in die Karten. Nach dem Vorbild der US-Football-Dokus "All or Nothing" oder der englischen Serie "Sunderland 'til I die" startet am 9. August beim Streamingdienst Amazon Prime ein Vierteiler über die BVB-Saison 2018/19. Nach Bild-Informationen erhält der Klub dafür rund fünf Millionen Euro, weit mehr wert ist allerdings die Strahlkraft: Die Serie wird in mehr als 200 Ländern verfügbar sein. "Das wird außergewöhnlich", sagte Watzke.
Der BVB-Boss hatte sich auch selbst verkabeln lassen, was er dann ab und an vergaß - es dürfte witzig werden. "Egal, wo ich hinkam, die waren schon da", berichtete Watzke: "Manchmal dachte ich, ich hätte mit dem Team mehr Kontakt als mit meiner Frau."