Auf einmal waren Sie Profi in der Bundesliga. Fühlte sich das trotz der Vorerfahrungen noch unwirklich an?
Bodo Schmidt: Es ging echt rasend schnell für mich. Natürlich dachte ich häufig, wie das alles nur passieren konnte. Wenn man auf dieser Ebene aber Bestandteil ist, wird einem schnell beigebracht: Wer nicht alles gibt, fliegt raus. Ich war total motiviert, auch weil der BVB rein stimmungstechnisch eine ganz andere Nummer als der FC Bayern war. Dort herrschte Leidenschaft über alle Maßen. Der damalige Manager Michael Meier sagte zu mir vorab: 'Wer hier einen Vertrag unterschreibt, der muss sich darüber im Klaren sein, dass er immer Borusse bleibt, sobald er einmal Borusse geworden ist. Das ist hier eine Religion.' Und das stimmte.
Ihre Zeit bei der Borussia ging direkt gut los: Am ersten Bundesligaspieltag 1991/92 standen Sie gegen Karlsruhe bereits in der Startelf.
Bodo Schmidt: Vor dem Spiel ging ich abends zu Masseur Hannes Weinheimer und fragte, ob er mich noch einmal durchkneten kann. Der war ganz entrüstet und sagte: 'Hömma zu, mein Junge, erstmal muss man hier mitspielen, dann kann man auch durchgeknetet werden.' Ich ging dann wieder auf mein Zimmer zurück. Nächsten Tag beim Frühstück erklärte mir Hitzfeld, dass ich von Anfang an spiele. Am Mittag kam dann der Masseur zu mir gerannt und entschuldigte sich, auch wenn weder er noch ich am Vorabend wussten, was Sache ist.
Anschließend schafften Sie es viermal nicht in den Kader, ehe am 6. Spieltag gegen Dresden Ihr zweites Spiel und prompt das erste Tor als Profi folgte - und das als Einwechselspieler in nur 13 Minuten Spielzeit. Wie erinnern Sie sich an diesen Treffer zum 4:0-Endstand?
Bodo Schmidt: Das war natürlich ein Highlight. Ein paar Tage vorher war ich stolz wie Oskar, ein Bundesligaspiel gemacht zu haben und auf einmal war ich sogar noch Torschütze. Ich habe den Ball unfassbar gut getroffen, er ging genau in den Winkel.
Im September 1992 debütierten Sie zudem auf internationalem Parkett beim Auswärtsspiel gegen den FC Floriana auf Malta - ein weiterer Meilenstein Ihrer Karriere?
Bodo Schmidt: Genau, es war mein erstes Spiel im Ausland. Die Bedingungen waren absolut katastrophal, wir mussten auf einer ausgetrockneten Wiese kicken. Was ich vor allem aber damit verbinde: Dort wurde der Bodo-Schmidt-Fanklub gegründet! Ein paar mitgereiste Fans hatten mich vor dem Mannschaftshotel abgefangen, sich vorgestellt und mir erklärt, dass sie mich ganz gut finden. Den Fanklub gab es jahrelang. Wir haben das auch gepflegt und ich habe sie zum Beispiel auf Weihnachtsfeiern besucht.
Nach 14 Pflichtspielen in der ersten Saison steigerten Sie sich im nächsten Jahr deutlich und kamen auf 43 Partien - inklusive des nach Hin- und Rückspiel verlorenen UEFA-Cup-Finals gegen Juventus Turin 1993. Wie kam es, dass Hitzfeld so verstärkt auf Sie setzte?
Bodo Schmidt: Er hat immer Wert auf eine gesunde Mischung verschiedener Spielertypen in seinen Kadern gelegt. Wir haben auch risikoreich nach vorne gespielt. Später dann mit Matthias Sammer, der überall auf dem Feld war, aber nie dort, wo er eingeteilt wurde. Hitzfeld schätzte an mir, dass ich den Künstlern den Rücken frei gehalten habe. Ich war wenig verletzt und habe mich in alle Zweikämpfe geworfen. Diese konstante Widerstands- und Durchsetzungsfähigkeit war sicherlich meine größte Stärke.
In der darauffolgenden Saison erlebten Sie schließlich Ihr persönlich erfolgreichstes Jahr, an dessen dramatischem Ende nach 32 Jahren Pause die vierte Deutsche Meisterschaft für den BVB stand. Sie kamen auf die drittmeisten Einsätze im Kader, machten alle Ihre 30 Partien von Beginn an und standen davon 28 Mal über die vollen 90 Minuten auf dem Platz.
Bodo Schmidt: Das war wirklich eine traumhafte Saison von uns und von mir. Ich war topfit, hatte mir meinen Platz erarbeitet und konnte mich auch meiner Konkurrenten erwehren. Uns kam dazu zugute, dass wir meist mit derselben eingespielten Mannschaft auflaufen konnten.
Als Innenverteidiger traten Sie offensiv weniger in Erscheinung. Allerdings konnte sich Ihre einzige Torbeteiligung in dieser Saison sehen lassen: Es war die Vorlage zum 3:2-Siegtreffer von Andreas Möller im Derby gegen Schalke - mit einem starken Pass in die Gasse. Werner Hansch kommentierte damals: "Bodo Schmidt - was macht der denn da vorne?"
Bodo Schmidt: Das hatte ich später auch mitbekommen. Hansch war bei uns nicht der Beliebteste, denn er war immer so ein verkappter Schalke-Fan. Ich habe in diesem Derby eigentlich gar kein gutes Spiel gemacht und auch ein Gegentor mitverschuldet. So läuft es im Fußball aber: Mal gelingt dir etwas Gutes, mal bist du der Mops. Manchmal selbst innerhalb eines Spiels.
Apropos Möller: Dessen sogenannte "Schutz-Schwalbe" im Spiel gegen den KSC am 26. Spieltag war nicht nur der Grund, weshalb der BVB diese Partie noch in einen Sieg drehen konnte, sondern löste auch eine große Kontroverse aus. Sie standen damals nicht im Kader. Wie haben Sie das Spiel verfolgt?
Bodo Schmidt: Wie mir gerade auffällt, weiß ich dazu leider viel zu wenig. Das tut mir leid. Ich war auf jeden Fall im Stadion und sah die Szene irgendwo unten im Innenraum, vermutlich in der Nähe der Bank. Das fällt mir jetzt noch dazu ein. Und natürlich, dass anschließend ein großer und tagelanger Aufruhr in der Presse herrschte. Möller hatte in Spielerkreisen ohnehin den Ruf, schnell zu fallen und wehleidig zu sein. Für uns war er ein ausgezeichneter Spieler - und bis heute ja auch der einzige, der wegen einer Schwalbe gesperrt wurde.
Dortmund sicherte sich in dieser Saison souverän die Herbstmeisterschaft vor Konkurrent Werder Bremen. Doch in der Rückrunde kamen zwischen dem 20. und 29. Spieltag nur noch drei Siege zustande, so dass es noch einmal unglaublich spannend wurde. Zu allem Überfluss riss sich Top-Torjäger Chapuisat vor dem 22. Spieltag nach einem Trainingsfoul von Co-Trainer Henke das Kreuzband. Was war da geschehen?
Bodo Schmidt: Echt? Das ist ja krass. Auch das habe ich beim besten Willen nicht mehr im Kopf. Ich weiß nur noch, dass Henke im Training immer wieder mitmachte und ich ihm einmal einen Bänderriss bescherte habe. Chappis Saisonaus war ein schwerer Schlag für uns alle. Er war ein unglaubliches Schlitzohr vor dem Tor und einfach ein Typ, den jeder mochte.
Sie haben sich mit ihm in Ihrer gesamten fünfjährigen BVB-Zeit ein Zimmer geteilt. Er galt als sehr schüchterner und zurückhaltender Zeitgenosse. Wie haben Sie ihn quasi in den eigenen vier Wänden erlebt?
Bodo Schmidt: Wir landeten per Zufall auf demselben Zimmer, weil wir zeitgleich zum Verein kamen. Im Hotel haben wir zwei häufig mit Povlsen und Stefan Reuter Karten gespielt. Chappi war wirklich sehr ruhig und höflich. Es war aber ein riesiger Unterschied, wenn er auf dem Platz stand. Dort war er richtig unangenehm, hat sich immer gewehrt und mit allen Tricks gearbeitet. Ein ziemlich ekliger Stürmer für die Gegenspieler.
Nachdem der BVB das als meisterschaftsentscheidend deklarierte Auswärtsspiel am 29. Spieltag in Bremen 1:3 verlor und von nun an nur noch Zweiter war, ging vor dem 31. Spieltag auch bei Chapuisats Stürmerkollegen Karl-Heinz Riedle das Kreuzband kaputt. Der Babysturm um Lars Ricken und Ibrahim Tanko war geboren. Das Dortmunder Umfeld hatte daraufhin fast alle Hoffnungen begraben. Glaubten Sie noch an den Titel?
Bodo Schmidt: Klar. Das waren eindeutig Rückschläge, aber wir waren ja so nahe dran und blieben alle sehr auf das Ziel fokussiert. Dazu waren Ricken und Tanko hoch gehandelte und begabte Spieler. Wir waren psychisch stabil, hatten zuvor schon eine starke Mentalität bewiesen und den Siegeswillen in uns. Auch nach Rückständen sind wir einige Male zurückgekommen. Ich glaube, dass uns diese beiden Negativerlebnisse vielleicht sogar noch einen Tick stärker gemacht haben.
Bodo Schmidt: Seine Karriere als Trainer im Überblick
Verein | Zeitraum |
Flensburg 08 | 2005-2007 |
SV Frisia 03 Risum-Lindholm | 2007-2015 |
TSV Rot-Weiß Niebüll | 2015-2020 |