Auf der indonesischen Insel Sumatra wird aus Plastikmüll das größte Recyclingdorf der Welt gebaut. Adler erklärt die Hintergründe und offenbart, wie sehr sich sein persönliches Bewusstsein und Handeln in den vergangenen Jahren verändert hat.
Außerdem verrät Adler, was eine seiner größten Fehlinvestitionen seiner Karriere war, warum viele Profis aus seiner Sicht zu bequem sind und warum es ihn eines Tages vielleicht wieder ins Fußballgeschäft zurückziehen könnte.
Herr Adler, Sie haben bei der gemeinnützigen Organisation Project Wings gemeinsam mit Ihrer Frau die Schirmherrschaft für das größte Recyclingdorf der Welt übernommen. Wie kam der Kontakt zustande?
Rene Adler: Ich habe mich während meiner aktiven Karriere immer dagegen entschieden, eine eigene Stiftung zu gründen, weil ich nie nur ein großes Thema hatte, für das ich mich engagieren wollte. Ich wollte etwas für Kinder tun, deshalb bin ich in meiner Heimatstadt Leipzig in der Kinderkrebshilfe sehr aktiv. Ich wollte etwas für den Tierschutz tun, deshalb kümmern wir uns seit vielen Jahren um Straßenhunde. Dazu sitze ich in der Teresa Enke Stiftung im Kuratorium und bringe mich dort ein. In meinem Baukasten fehlte nur noch ein letztes Puzzleteil - beim Thema Umweltschutz und Nachhaltigkeit. Da hatte ich noch nicht das Richtige gefunden, bis meine Schwiegermutter bei einer Preisverleihung in Koblenz die Gründer von Project Wings kennenlernte und den Kontakt herstellte. Als wir uns zum ersten Mal getroffen haben, dauerte es nicht lange, bis ich wusste: Hier stehe ich total dahinter, hier stimmt die Chemie, hier will ich unbedingt dabei sein.
Was hat Sie an dem Projekt so fasziniert?
Adler: Mich haben vor allem die Gründer selbst beeindruckt. Die Vision, die sie haben. Und das Feuer und die Leidenschaft, die man in jeder Sekunde spürt. Da hat sich jemand gegen einen gut bezahlten Job in der Wirtschaft entschieden, lebt lieber von 600 Euro im Monat und steckt alles in ein Herzensprojekt, weil er so eine viel größere Befriedigung erfährt. Das hat mich tief bewegt. Bei Project Wings sind Menschen am Werk, die genau wissen, was sie tun. Die vorher zu den besten Fundraisern Deutschlands gehörten und in der Fußgängerzone herumgerannt sind, um Geld einzusammeln. Und die jetzt die Welt ein kleines Stückchen besser machen wollen. Wir leben in einer Zeit, in der nicht mehr so viele Menschen spenden wie früher, weil die Intransparenz zu groß geworden ist bei den großen Organisationen. Wo geht das Geld genau hin? Kommt es überhaupt an der richtigen Stelle an? Das ist hier ganz anders. Hier können die Spender viel besser mitgenommen werden, weil bis zum letzten Cent nachvollzogen werden kann, was damit gemacht wird. Weil auch immer jemand in Sumatra vor Ort ist.
Rene Adler: "29 Cent bedeutet für die Einheimischen eine große warme Mahlzeit"
Aus über 250 Tonnen an gesammeltem Plastikmüll entsteht das größte Recyclingdorf der Welt. Erzählen Sie.
Adler: Was wir zuerst einmal verstehen müssen: Dort gibt es keine Müllabfuhr. Die Menschen haben keine Tonne vor dem Haus stehen, in die sie ihre Abfälle schmeißen können. Was für uns völlig normal ist, muss dort erst langsam aufgebaut werden. Die Menschen wissen gar nicht, dass man den Müll nicht einfach in die Wildnis schmeißt, das muss ihnen erst beigebracht werden. Das System funktioniert so, dass die Einheimischen quasi Hilfe zur Selbsthilfe bekommen. Sie sammeln, säubern und stopfen den Plastikmüll mit einem Stock in große Plastikflaschen. Dadurch werden die Flaschen hart und zu sogenannten Ecobricks, die sie dann abgeben können und dafür umgerechnet 29 Cent erhalten. 29 Cent bedeutet für die Einheimischen eine große warme Mahlzeit. Und mit diesen Ecobricks werden dann Häuser, Schulen und alles Mögliche gebaut. Das Tolle ist, dass so auch die Regenwälder und Flüsse gesäubert werden.
Ein Fußballplatz soll auch entstehen.
Adler: Fußball ist weltweit die Sportart Nummer eins und ich weiß, welche Kraft der Fußball entfachen kann. Unser Ziel ist es, die Jugendlichen auf den Fußballplatz zu bringen, statt irgendwelche Dummheiten zu begehen. Wir reden hier von einem sozialen Brennpunkt mit einer großen Drogenproblematik, Klebstoff schnüffeln ist zum Beispiel ein großes Thema. Dort wollen wir versuchen, sie rauszuholen. Auf den nachhaltigsten Fußballplatz der Welt, den wir dort bauen. Mit einem Kunstrasen und Netzen, die natürlich auch aus Plastikmüll gemacht werden.
War für Sie Nachhaltigkeit immer schon ein großes Thema, oder hat sich das erst in den vergangenen Jahren entwickelt?
Adler: Mein Bewusstsein hat sich komplett gewandelt. Ich denke und handle ganz anders als früher, als ich vielen Dingen eher mit Gleichgültigkeit begegnet bin und in der Blase Fußball gelebt habe, in der mich wenig interessierte außer den Dingen, die leistungsfördernd waren. Ich habe mir früher über mein Konsumverhalten kaum Gedanken gemacht. Ich bin jetzt nicht plötzlich zu einem radikalen Veganer geworden, das ist nicht mein Weg. Ich esse gerne auch noch Fleisch, aber maximal reduziert, also vielleicht einmal pro Woche. Und wenn ich es tue, will ich genau wissen, wo es herkommt und wo das Tier gelebt hat. Wir stecken mitten in einer Klimakatastrophe und jeder sollte wissen, was alles dazu beiträgt und sein Handeln dementsprechend überprüfen.
Rene Adler: "Dirk Nowitzki, Barack Obama und Nelson Mandela"
Sie haben das Thema Essen angesprochen, worum geht es noch?
Adler: Es geht auch um nachhaltige Klamotten, oder ums Fliegen. Wie gesagt, ich bin keine Mutter Teresa. Ich bin früher oft von Hamburg nach Köln geflogen, weil es billiger und völlig normal war. Aber heute nehme ich eher die Bahn, auch wenn es mich mehr Zeit kostet. Wir müssen alle auf den Fußabdruck schauen, den wir hinterlassen, und jeder muss seinen Weg finden, wie er damit umgeht. Bei meiner Frau und mir war es so, dass die Geburt unseres Sohnes vor 14 Wochen nochmal ein einschneidender Moment war. Da überlegt man sich schon, in welche Welt wir so ein kleines Geschöpf später irgendwann einmal entlassen. Die Klima-Situation ist wirklich dramatisch.
Hat sich für Sie auch geändert, welche Persönlichkeiten Ihnen besonders imponieren?
Adler: Früher war das natürlich sehr von Sportlern geprägt, wenn man sich seine Vorbilder ausgesucht hat. Da war ich auch zu sehr auf die Fußballerkarriere fixiert. Wenn Sie mich heute aber fragen, welche drei Persönlichkeiten ich gerne einmal treffen würde oder getroffen hätte, dann würde die Wahl etwas anders aussehen. Mit Dirk Nowitzki wäre noch ein großer Sportler dabei, ihn durfte ich sogar schon mal treffen. Aber bei ihm sind es auch mehr die menschlichen als die sportlichen Aspekte, die ihn für mich so besonders machen. Daneben würde ich Barack Obama und Nelson Mandela nennen. Menschen, die etwas bewegt und für etwas gestanden haben. Das sind Persönlichkeiten, die mich inspirieren. Oder eben junge Menschen wie die Gründer von Project Wings, die sich bewusst mit Haut und Haaren für einen Lebensweg entschieden haben, der nicht monetär getrieben ist. Für jemanden wie mich, der aus einer Branche kommt, in der Geld eine so extreme Rolle spielt und der sich davon ja auch nicht komplett frei machen kann, ist das sehr beeindruckend.
Sie sind heute vor allem im unternehmerischen Bereich tätig mit Ihrer Beteiligung an der Torwarthandschuh-Marke T1tan. Worauf liegt aktuell Ihr größter Fokus?
Adler: Ich habe früh für mich gemerkt, dass mich das Gründerwesen sehr interessiert. Mir macht es einen unglaublichen Spaß, unternehmerische Babys aufzubauen und anzuschieben. Auch mein Wissen aus meinem Sportmanagement-Studium dort in die Praxis und in die reale Wirtschaft einzubringen. Schon während meiner aktiven Karriere, als ich in den letzten Jahren viel verletzt war, brauchte ich andere Themen, die meinen Kopf füllen. Nur von Reha zu Reha zu springen, war mir zu wenig und tat mir nicht gut. T1tan hat dann perfekt zu mir gepasst. Ich konnte den ganzen Tag über Torwarthandschuhe reden, ich hatte das passende Netzwerk dafür - es war ein super Match. Innerhalb von wenigen Jahren haben wir es geschafft, uns vom Start-up zu einer kleinen, aber feinen Firma mit siebenstelligem Umsatz zu entwickeln. Vor allem konnte ich mich auch persönlich weiterentwickeln, was für mich in meiner jetzigen Lebensphase Priorität hat. Natürlich hofft man auch, sich wirtschaftlich ein zweites Standbein aufzubauen, aber in erster Linie wollte ich lernen.