Wo würden Sie den VfB denn aktuell eingliedern, wenn Sie auf die Bundesliga schauen?
Mislintat: Für mich besteht die Bundesliga aus drei Gruppen. 1-6, 7-12, 13-18. Genau genommen ist Platz eins ein ganzes Stück weg von Platz zwei, und die Ränge zwei und drei stehen klar vor den Vereinen auf vier bis sechs. Aber diese Gruppe ist für uns ohnehin nicht interessant. Fakt ist, dass wir uns in der dritten befinden. Nach den TV-Geldern sind wir auf Rang 16, nur Union und Bielefeld erhalten weniger. Es geht in dieser Saison nur um den Klassenerhalt und in den nächsten Saisons, sollten wir uns jeweils in der Liga behaupten, erneut.
Und mittelfristig?
Mislintat: Werden wir nur in der Lage seien, in die Gruppe der Teams, die um Platz 7-12 einlaufen, vorzudringen, wenn unsere Umsätze dies auch wirtschaftlich ermöglichen. Diese zu steigern ist dafür elementar. Dies wird nicht nur über Spielerverkäufe gehen können, zumal sie immer auch direkt mit Verlust sportlicher Substanz einhergehen. Der VfB Stuttgart muss in allen Bereichen seine vollen Einnahmepotenziale ausschöpfen.
Sie arbeiten jetzt knapp eineinhalb Jahre mit Thomas Hitzlsperger zusammen, beide haben Sie viel Erfahrung, aber nicht auf der aktuellen Position, die sie beide bekleiden. Wie würden Sie diese Zusammenarbeit charakterisieren?
Mislintat: Ich lerne täglich von Thomas und hoffe auch ein Stück weit, dass er es umgekehrt genauso sieht. Ich würde aber wie schon erwähnt gerne Markus Rüdt und Pellegrino Matarazzo hinzunehmen, weil wir wirklich ein Viererteam geworden sind, das sich gesucht und gefunden hat. Bei uns wird auch viel kontrovers und emotional diskutiert, aber genau das wollen wir auch. Die beste Idee gewinnt, egal von wem sie kommt. Das leben wir. Aber weil Sie konkret nach Thomas gefragt haben: Er war ein Top-Profi und Nationalspieler, dieser Blickwinkel fehlt uns anderen Dreien, alleine schon deshalb bringt er enorm viel in unsere Gruppe ein. Und am Ende des Tages ist er ja auch noch unser aller Boss. (lacht)
"Rino hat als Trainer alle Waffen, die man braucht"
Sie haben sich ohne große Not sehr klar positioniert und gesagt, dass der VfB mit Pellegrino Matarazzo durch die Saison gehen wird. Nicht will. Wird. Warum haben Sie in gewisser Weise Ihr Schicksal so mit dem des Trainers verknüpft?
Mislintat: Ich bin völlig überzeugt davon, dass Rino eine extrem hohe Fachkompetenz hat, eine wahnsinnig hohe soziale Kompetenz und Empathie besitzt und seinen Staff und die Mannschaft sehr gut führt. Wir haben vorhin über Waffen bei Spielern gesprochen. Rino hat als Trainer alle Waffen, die man braucht. Das Einzige, was ihm vielleicht noch fehlt, sind ein paar Spiele mehr als Cheftrainer in der Bundesliga. Als Co-Trainer hat er unter Julian Nagelsmann in Hoffenheim wichtige Erfahrung gesammelt, es ist also kein völliges Neuland für ihn. Für mich war es deshalb ganz einfach zu sagen, dass wir mit ihm durch die Saison gehen werden. Wir dürfen nicht immer über Freiburg als leuchtendes Beispiel reden und dann gegenteilig handeln, wenn man weiß, dass man einen sehr, sehr guten Trainer hat. Diese Aussage getätigt zu haben bedeutet auch, dass es für niemanden, auch nicht für mich selbst zum Beispiel bezüglich der Kaderplanung, Alibis in seinem Verantwortungsbereich gibt.
Ihr Vertrag endet nach der laufenden Saison. Wann verlängern Sie?
Mislintat: Grundsätzlich ist es ja nicht nur von mir abhängig, wann der richtige Zeitpunkt gekommen ist, um über eine Verlängerung zu sprechen. Aber erste Interessensbekundungen beiderseits gibt es ja schon. Ich habe aber auch kein Problem damit, dass man sich noch ein paar Wochen Zeit nimmt und anschauen möchte, wie gut es in den Bereichen, die in meinem Verantwortungsbereich liegen, so läuft. Generell bin ich niemand, der einen Karriereplan in der Art verfolgt, zwei Jahre hier zu sein, dann nächste Station, um dann irgendwann bei einem bestimmten Klub ankommen zu wollen. Ich bin mit Leib und Seele bei dieser Aufgabe, dieser Mannschaft und diesem Klub.
"Habe mir sehr genau angeschaut, was beim VfB passiert ist"
Es gab beim VfB länger kein Führungsduo mehr, das so viel Kredit bei den Fans hatte wie Thomas Hitzlsperger und Sie. Wie nehmen Sie das wahr?
Mislintat: Ich habe mich ganz bewusst für den VfB entschieden, mit seiner Tradition und seinen Emotionen. Ich wusste auch, dass seit der Meisterschaft 2007 sehr viel schiefgelaufen ist und viel Vertrauen verspielt wurde. Ich habe mir sehr genau angeschaut, was in der Vergangenheit beim VfB passiert ist. Daraus haben sich viele Fragen ergeben, auf die ich permanent versuche, die richtigen Antworten zu finden. Ich habe in der relativ kurzen Zeit schon kritische Phasen erlebt, als es in der zweiten Liga nicht immer rund lief. Aber mir war klar, dass wir keinen Durchmarsch hinlegen werden. Selbst der potenteste Aufsteiger in der Geschichte der 2.Liga, RB Leipzig, hat den Aufstieg erst im zweiten Jahr geschafft. Statt zu investieren, mussten wir nach dem Abstieg knapp 50 Millionen Nettotransfereinahmen erwirtschaften, um uns wirtschaftlich zu konsolidieren und sportlich gleichzeitig einen Kader zusammenstellen, der den Aufstieg realisieren konnte und gleichzeitig eine Zukunftsperspektive in der Bundesliga hat.
Der Start in die Saison war jetzt positiv, aber Rückschläge werden natürlich kommen.
Mislintat: Es ist davon auszugehen, dass wir auch kritische Phasen als Aufsteiger durchlaufen werden. Richtig. Mir ist klar, dass unser Kredit dann auch schnell wieder schwinden kann. Entscheidend wird sein, dass alle Beteiligten auch in solchen Situationen die Ruhe bewahren und eventuelle Rückschläge richtig einordnen. Wir konzentrieren uns ganz auf das Hier und Jetzt, darauf, die bestmöglichen Entscheidungen für den VfB zu treffen. Wir alle stehen jeden Spieltag aufs Neue auf dem Prüfstand, aber ganz ehrlich: Ich mag das. Ich liebe diese Herausforderung und spiele das Spiel, um zu gewinnen.