FC Bayern München spieltaktisch nur noch Mittelmaß: Ein bisschen Guardiola täte der Mannschaft gut

Von Stefan Rommel
Thomas Müller sieht die aktuelle Saison trotz Tabellenführung als große Herausforderung.
© getty images
Cookie-Einstellungen

FC Bayern: Die Alarmglocken schrillen nicht

Die Bayern kassieren nun seit Monaten in fast jedem Spiel ein und dasselbe Gegentor: In einem Umschaltmoment greift das Gegenpressing nicht, der Druck auf den Ball ist weg und der ballführende Gegenspieler hat einen offenen Fuß. Das heißt: Er schaut in Spielrichtung aufgedreht Richtung Bayern-Tor und hat Zeit.

Allerspätestens jetzt müssten in der Restverteidigung alle Alarmglocken schrillen. Die Innenverteidiger nicht mehr nach vorne verteidigen, sondern sich ein paar Meter absetzen, der jeweils ballferne Außenverteidiger einrücken und das Zentrum mit absichern.

Genau das passiert aber nicht und deshalb erleben wir seit Wochen einen Manuel Neuer, der sich in jedem Spiel in zwei, drei, vier oder noch mehr Eins-gegen-Eins-Situationen mit einem gegnerischen Angreifer stürzt. Die Wahrnehmung der drohenden Gefahr ist kein messbarer Wert wie ein gewonnener Zweikampf oder ein Torschuss. Aber auf diese so genannten "soft skills" kommt es an.

Fin Bartels setzt sich gegen Bouna Sarr durch und erzielt das 1:1.
© imago images/Claus Bergmann
Fin Bartels setzt sich gegen Bouna Sarr durch und erzielt das 1:1.

Wenn die Bayern Neuer nicht hätten...

Am ehesten bringt die derzeit noch Neuer ein, der auf Grund seiner hohen Position, seiner Antrittsschnelligkeit und seines Muts, sich mit voller Wucht in enge Situationen zu schmeißen, viele Dinge löscht.

Aber hier sind auch die Abwehrspieler gefragt, die richtige Balance zwischen Nach-vorne-verteidigen und Fallen lassen zu finden und mit Kommandos den Mitspieler zu instruieren. Auch das kommt seit Wochen offenbar viel zu kurz. Das erste Gegentor in Kiel ist eine Blaupause aller Probleme, die die Bayern in diesen Momenten derzeit haben.

FC Bayern: Das hätte es unter Pep nicht gegeben

Ein Spiel wie das in Kiel, oder das in Gladbach, das gegen Wolfsburg, gegen Union, gegen Salzburg und so weiter: Das hätte es unter Pep Guardiola nicht gegeben. Der verfolgte ein paar andere Ansätze und Flick hat in einem Jahr alles gewonnen, aber: Der FC Bayern zeichnet sich in der Regel eben auch dadurch aus, dass er einen Gegner einfach auch erdrückt mit seiner Dominanz und seiner Kontrolle. Nie waren die Bayern in dieser Disziplin besser als unter Guardiola.

Man muss auch nicht die Zeiten des Spaniers in München über die Maßen glorifizieren. Aber ein bisschen Guardiola-Fußball täte den Bayern gerade jetzt richtig gut. Das letzte souverän gewonnene Spiel liegt nun fast drei Monate zurück, es war das 5:0 gegen Frankfurt. Danach hatten die Bayern in jeder Partie Schwierigkeiten, selbst nach eigenen Führungen. Die Mannschaft muss deshalb auch seit Wochen immer bis zum Ende an ihr Limit gehen, was wiederum wertvolle Kräfte raubt für anstehende Aufgaben.

Es ist wie ein Teufelskreis: Weil die Mannschaft nicht in der Lage ist, einen Gegner über viel Ballbesitz zu dominieren und sich damit selbst Ruhephasen zu verschaffen, ist immer eine enorme Kraftanstrengung nötig. Und die wirkt sich wiederum auf das nächste Spiel ein paar Tage später aus, wenn die Mannschaft schwer in Tritt kommt, in Rückstand gerät oder nicht in der Lage ist, einen Zweitligisten trotz zweimaliger Führung in Schach zu halten. Das ist ein systemimmanentes Problem, das der Flick-Fußball mit sich bringt.

Auch in den besten Phasen hatten die Bayern immer wieder Probleme, eine Partie einfach auch mal ruhig nach Hause zu spielen oder auf Umstellungen des Gegners zu reagieren. Die individuelle Klasse der Spieler regelte fast alles. Jetzt, mit müderen Spielern, drücken sich die strukturellen Probleme aber voll durch.

Flick hatte diesen Missstand schon Ende der letzten Saison erkannt und eigentlich Besserung angekündigt - passiert ist seitdem aber nichts. Das muss sich auch der Trainer selbst ankreiden: Nur mit einem Plan A funktioniert das in dieser Saison nicht. Zumal der immer weiter entschlüsselt wird und schon längst Alternativen gefragt sind.

FC Bayern: Die Neuen helfen kaum weiter

Und noch eine Sache wird immer auffälliger: Die Bayern haben auf dem Transfermarkt im Sommer nicht adäquat auf die vorhersehbaren Schwierigkeiten in dieser Saison reagiert. Der Kader wurde in der Breite ergänzt, die abgewanderte Qualität von Spielern wie Thiago, Coutinho oder auch die des gerne unterschätzten, aber sehr wichtigen Rollenspieler Ivan Perisic, nicht aufgefangen.

Von den insgesamt acht Zugängen deutet bisher lediglich Leroy Sane seinen Wert für die Mannschaft an. Bouna Sarr, Marc Roca oder Douglas Costa sind allenfalls Mitläufer, Tanguy Nianzou ein Toptalent, aber lange verletzt.

Eric-Maxim Choupo-Moting ist eigentlich für genau solche Spiele wie das in Kiel gekauft worden, fehlte aber verletzt. Und Alexander Nübel wird wohl weiter vergeblich auf Einsatzzeiten hoffen, dafür ist die Lage viel zu angespannt. Im Prinzip muss es der alte Kader minus der abgegebenen Spieler richten und ist damit immer öfter überfordert.

FC Bayern: Die nächsten Spiele

TerminWettbewerbGegner
17.01.2021BundesligaSC Freiburg (H)
20.01.2021BundesligaFC Augsburg (A)
24.01.2021BundesligaSchalke 04 (A)
30.01.2021BundesligaTSG Hoffenheim (H)
Inhalt: