Es kam in den vielen Jahren zuvor schon einmal vor, allerdings nur äußerst selten. Selbst in der vergangenen Spielzeit nur ein einziges Mal, im Achtelfinal-Hinspiel in der Champions League gegen den FC Chelsea. In der laufenden Saison dagegen saß Marco Reus bereits in sechs Pflichtspielen über die kompletten 90 Minuten auf der Bank.
Die Fakten sind klar und liegen unumstößlich auf dem Tisch: Während der ehemalige Kapitän in der Hinrunde noch regelmäßig für Borussia Dortmund auf dem Feld stand, haben sich die Vorzeichen im letzten Halbjahr seines auslaufenden Vertrags deutlich verändert. Reus hat in drei der vergangenen acht Pflichtspiele keine Sekunde gespielt, statt 720 möglicher Einsatzminuten kommt der 34-Jährige in dieser Zeit nur auf 116.
Das ist beachtlich wenig und kam bisweilen auch überraschend. Und da dies so war und ist, dürfte Reus die dadurch gesendeten Signale durchaus erkannt haben. Zuletzt gegen Gladbach sah man ihn bedröppelt auf der Bank sitzen, beim Hinspiel gegen Atlético kam er nur für sechs Minuten rein. Nun, in der wichtigen Saisonphase, baut Edin Terzic auf andere.
Überraschend kam die Wahl des BVB-Trainers zum Beispiel gegen den VfB Stuttgart, als Terzic den glücklosen Julian Brandt vom Platz holte und durch Felix Nmecha ersetzte. Der war sehr lange verletzt und befindet sich weiterhin auf der Suche nach einem Spielrhythmus. Dennoch bekam er den Vorzug vor Reus, der nur acht Minuten mithelfen durfte, den Rückstand in dieser sehr wichtigen Partie noch zu drehen.
BVB oder Wechsel? Marco Reus will Karriere noch nicht beenden
Gegen Gladbach, als Terzic auf Frische setzte und die Mannschaft auf sechs Positionen veränderte, war Reus nicht Teil seiner Überlegungen. "Das war hart für Marco, das weiß ich, das ist auch nicht leicht", sagte Terzic. Von einem Startelfeinsatz ist Reus also offensichtlich noch weiter entfernt. Lediglich in fünf der 16 Partien im Jahr 2024 stand er in der Anfangsformation - im ersten Saisonabschnitt ließ ihn Terzic noch 17-mal in 25 Pflichtspielen starten.
Ein ähnliches Schicksal erwischte in der Vorsaison Mats Hummels, Reus saß damals ebenfalls in den acht letzten Bundesligapartien stets auf der Bank. Auch diesmal laufen die Verträge beider Vereinsikonen wieder aus. Nun sind die Situationen jedoch gänzlich andere: Im Vorjahr wollte Dortmund noch beide Spieler ein weiteres Jahr halten, aktuell scheint man lediglich an einer Weiterbeschäftigung von Hummels interessiert. Dieser wird jedoch erst spät entscheiden, ob er überhaupt weiterspielt.
Bei Reus sieht es anders aus. Dessen Wille, die Karriere noch nicht zu beenden, ist klar. "Der BVB ist für mich ein Zuhause, was mir ein sehr gutes Gefühl gibt. Das Umfeld passt. Du hast die besten Fans der Welt, du hast das schönste Stadion in Europa. Von daher gibt es schlechtere Argumente, als bei diesem Klub zu bleiben", sagte er kürzlich.
Marco Reus: Die Daten zu seiner BVB-Saison 2023/24
Wettbewerb | Spiele | Tore | Vorlagen |
Bundesliga | 21 | 4 | 5 |
DFB-Pokal | 3 | 1 | 1 |
Champions League | 9 | 2 | 1 |
Einen leisen Abschied als Reservespieler hat Marco Reus nicht verdient
Am liebsten wäre Reus eine erneute Vertragsverlängerung um eine Saison. Der BVB will dies dem Vernehmen nach aber nicht anbieten und arbeitet an der Wachablösung, die sich eben auch auf dem Spielfeld mittlerweile vollzogen hat. Reus ist Teilzeitarbeiter - und diese Teilzeit neigt sich wohl dem Ende zu. Selbst bei einer Verlängerung sollte Reus davon ausgehen, in der nächsten Saison nicht zum Gerüst des Teams zu gehören.
"Irgendwann wird es so weit sein, dass wir zwei, die viel für Borussia Dortmund geleistet haben, verlieren. Aber das fängt man dann auf, das hat es immer schon gegeben", hatte Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke vor ein paar Wochen bei DAZN mit Blick auf Hummels und Reus beschwichtigend gesagt. "Wenn du auf das Karriereende zugehst, läuft das nicht linear ab. Deine Spieleinsätze werden nicht mehr", sagte Watzke. "Ich kenne keinen, der es gut findet, wenn er merkt, dass er in den letzten Jahren nicht mehr in jedem Spiel gesetzt ist. Ich erwarte eigentlich auch, dass sie grimmig gucken, wenn sie nicht spielen. Es ist nur entscheidend, dass man keine negative Energie in die Mannschaft reinfließen lässt."
Einen leisen Abschied als Reservespieler hat Reus eigentlich nicht verdient, wenn man sich vergegenwärtigt, welche Meriten er um seinen Herzensklub hat. Der gebürtige Dortmunder blieb der Borussia nach seiner Rückkehr 2012 stets treu und schlug mehrere sportlich wie finanziell attraktivere Offerten aus.
Marco Reus' Verdienste um den BVB: Wie handhabt man eine solche Situation?
Er katapultierte sich auf Rang zwei der besten Torschützen in der Vereinshistorie und besitzt weiterhin hohe Sympathiewerte bei den Fans. Obwohl er keinen deutschen Meistertitel und lediglich zwei DFB-Pokalsiege vorzuweisen hat, ist Reus ein prominenter Platz in der BVB-Historie sicher.
Es ist also durchaus eine Zwickmühle, in der sich beide Parteien befinden. Reus will bleiben und weiterspielen, die Planungen des BVB gehen jedoch in die gegensätzliche Richtung. Eine solch delikate Situation ideal zu handhaben, während zeitgleich noch in sportlicher Hinsicht so viel auf dem Spiel steht, ist extrem schwierig.
Bei diesem Balanceakt kann Terzic nämlich keinerlei Rücksicht auf Befindlichkeiten oder Verdienste nehmen. Das Erreichen des Champions-League-Halbfinals wäre ein großer Erfolg für ihn, die erneute, aber am seidenen Faden hängende Teilnahme an der Königsklasse ist die absolute Pflicht. Die finalen Wochen der Saison sind somit auch für die Reputation des Trainers von entscheidender Bedeutung.
Man sieht Marco Reus den Frust an
Und Terzic kann Reus eben nur dann aufbieten, wenn er auch davon überzeugt ist, dass der zum Erfolg der Mannschaft beiträgt. Die Entscheidungen des Trainers waren dahingehend zuletzt eindeutig, obwohl Reus mit 14 Torbeteiligungen in 33 Pflichtspielen ordentliche Statistiken aufweist (16 in 31 Pflichtspielen im Vorjahr).
"Die Entscheidung eines Trainers muss er nicht immer gut finden, er muss sie nicht immer akzeptieren, er muss sie respektieren und er kann mit guten Leistungen zeigen, dass ich falsch lag. Das ist der Grund, warum wir nicht 14, sondern 26 Feldspieler im Kader haben", sagte Terzic recht unzweideutig. Ohnehin soll das Verhältnis zwischen Reus und dem Coach belastet sein, wenngleich der Spieler dies bereits im Januar als "Bullshit" abtat.
In dieser derzeitigen Gemengelage ist es Reus immerhin positiv anzurechnen, dass er seinen Frust, den man ihm schon mehrfach deutlich ansah, bislang herunterschluckt hat und wie von Watzke gefordert keinen Stunk machte. Dass seine Zeit in Dortmund, so erweckt es zumindest deutlich den Anschein, gemächlich austrudelt und die letzten Auftritte im BVB-Trikot Kurzeinsätze sein könnten, ist ohne Zweifel sehr bitter für ihn.
Der Traum von der Teilnahme an der Europameisterschaft dürfte ohnehin ausgeträumt sein. Reus in einem anderen deutschen Vereinstrikot spielen zu sehen, erscheint irreal. Ein Wechsel innerhalb Deutschlands würde seinem Charakter nicht entsprechen. Doch wer weiß, vielleicht gibt es am Ende ja doch eine große Überraschung in dieser Personalie - in welche Richtung auch immer.
BVB: Das Restprogramm von Borussia Dortmund
Spieltag | Datum | Uhrzeit | Heim | Gast |
Viertelfinale | Di., 16.4.24 | 21:00 | Borussia Dortmund | Atlético Madrid |
30 | So., 21.4.24 | 17:30 | Borussia Dortmund | Bayer Leverkusen |
31 | Sa., 27.4.24 | 15:30 | RB Leipzig | Borussia Dortmund |
32 | Sa., 4.5.24 | 15:30 | Borussia Dortmund | FC Augsburg |
33 | Sa., 11.5.24 | 18:30 | 1.FSV Mainz 05 | Borussia Dortmund |
34 | Sa., 18.5.24 | 15:30 | Borussia Dortmund | Darmstadt 98 |