Man könnte es auf zwei Weisen ausdrücken: Hätte Borussia Dortmund am Dienstagabend beim 4:2-Erfolg gegen Atlético Madrid, der zum Einzug ins Halbfinale der Champions League reichte, eine Leistung gebracht wie das WLAN im Pressebereich des Signal Iduna Park, nie im Leben hätte es zu einem Sieg gereicht. Oder: Die Konstanz, mit der die Internetverbindung gute drei Stunden lang spätestens alle zwei Minuten versagte, war ähnlich beeindruckend wie die Leistung der Schwarz-Gelben in dieser "magischen Nacht" (Niclas Füllkrug).
Konstanz, das ist ohnehin das große Stichwort rund um den BVB. Es wäre schon vor längerer Zeit die bessere Begrifflichkeit gewesen als die viel zitierte "Mentalität", die den Dortmundern offenbar fehlte, um dauerhaft erfolgreiche Vorstellungen abzuliefern. Von fehlender Mentalität ist bei der Borussia mittlerweile kaum noch die Rede, doch an der Konstanz mangelt es weiterhin.
Zwar ist es durchaus rechtens, dass Trainer Edin Terzic wie nach dem 2:0-Erfolg beim FC Bayern vor zweieinhalb Wochen darauf hinweist, dass der BVB in den vergangenen zwölf Monaten lediglich fünf Bundesligaspiele verlor. Das ist zweifelsfrei eine sehr ordentliche Bilanz, die von Konstanz zeugt - allerdings ist sie eben auch nicht gut genug, um im Vorjahr die Meisterschaft zu erringen oder in dieser Saison auch nur einen Buchstaben um den Titel mitzureden.
Eben deshalb, weil es dann doch immer wieder kleine und größere Rückschläge gibt, beispielsweise in Form unnötiger Unentschieden, die das eigentlich annehmbare Gesamtbild schnell trüben. In Dortmund womöglich sogar schneller als anderswo, die nächste Krise ist beim BVB meist nur eine Niederlage entfernt.
Nico Schlotterbeck: Noch keine Nominierung von Julian Nagelsmann
Nico Schlotterbeck kann davon ein Lied singen. Der Innenverteidiger spielt aktuell seine zweite Saison bei den Westfalen und hat von dieser diffizilen Gemengelage im Großen natürlich bereits zu Genüge erfahren. Doch auch im Kleinen, nämlich heruntergebrochen auf ihn persönlich, ist das Thema sehr ähnlich.
Auch Schlotterbeck schlägt sich mit der Begrifflichkeit herum, auch von ihm wird Konstanz eingefordert, damit es für den nächsten Schritt reicht. Und den benötigt es nach bald zwei Jahren beim BVB schlichtweg, um sowohl die eigene Entwicklung voranzutreiben, als auch die Verstärkung zu sein und zu werden, die sich die Dortmunder von ihm versprachen.
Nur dann schafft er es langfristig auf dem hohen Niveau beim BVB - und überhaupt wieder in die Nationalmannschaft. Dort verfolgt ihn schließlich dieselbe Geschichte. Bundestrainer Julian Nagelsmann hat Schlotterbeck, 2022 in Katar noch WM-Teilnehmer, noch kein einziges Mal nominiert.
Von Nico Schlotterbeck wird Konstanz gefordert
Angesprochen auf seine Unterredungen mit Nagelsmann sagte Schlotterbeck vor sechs Wochen den Ruhr Nachrichten: "Er weiß, was er von mir bekommt. Er hat mir aber auch gesagt, was ihm bei mir fehlt. Ich probiere, immer Vollgas zu geben. Er hat gesagt, dass er mehr Konstanz fordert - ich versuche alles, um sie abzurufen."
Der ehrgeizige 24-Jährige gab offen zu, dass es für ihn "nicht so leicht" sei, sich mit seinem vorläufigen Status Quo in der Nationalelf zu arrangieren. Dennoch beweist Schlotterbeck einen Sinn für die Realität. Er könne damit umgehen, von Nagelsmann noch nicht berufen worden zu sein, denn: "Ich konnte es vielleicht sogar nachvollziehen, weil der Trainer etwas von mir wollte, was ich in dem Moment nicht gebracht habe", sagte er.
Schon im Oktober, als Nagelsmann erstmals im Amt einen DFB-Kader zusammenstellte, forderte er von Schlotterbeck "die maximale Konstanz auch im Klub", da habe er laut Aussagen des Bundestrainers in den Wochen zuvor jedoch "ein bisschen zu viele Fehler gemacht". Nagelsmanns Forderung: "Ich will, dass er sich in Dortmund komplett zurechtfindet und fehlerfrei spielt."
Nico Schlotterbeck seit der Länderspielpause mit starken Spielen
Dies ist natürlich ein äußerst ambitioniertes Postulat, wenn man bedenkt, dass Schlotterbeck weiterhin ein noch junger Spieler ist, der nach seiner Zeit beim SC Freiburg in Dortmund auch weiterhin noch in die veränderte Umgebung, den höheren Druck und eine Führungsrolle hineinwachsen muss. Dass all dies monatelang ohne auch nur einen einzigen Fehler geschieht, ist nicht gerade hochwahrscheinlich.
Zumal es Schlotterbecks Spiel bislang gewissermaßen auch "kennzeichnet", dass er in regelmäßigen Abständen Böcke schießt. Doch sind sie im neuen Jahr geringer geworden, wie die gesamte Mannschaft hat auch er sich zusehends stabilisiert. Gegen Hoffenheim, Frankfurt und im Hinspiel bei Atlético patzte Schlotterbeck vor Gegentoren, die sicherlich das Gesamtbild etwas trüben. Doch abgesehen davon lieferte er mehrere starke Leistungen ab.
Vor allem seit dem Ende der vergangenen Länderspielpause im März. Schon zuvor spielte er bei den Auswärtssiegen gegen Union und in Bremen sehr gut, dann folgte das Duell beim FC Bayern. Hier überragte Schlotterbeck mit tollen Zweikampfwerten, frühen Ballgewinnen und zielgerichteten Zuspielen in der Spieleröffnung.
Wird Nico Schlotterbeck Julian Nagelsmanns größter Härtefall?
Zuletzt folgten in Gladbach und nun im Rückspiel gegen Atlético zwei weitere blitzsaubere Leistungen. Ohnehin präsentierte sich Schlotterbeck in der Königsklasse bislang auf ganz hohem Niveau. Gerade in den Duellen der Gruppenphase gegen Milan und Newcastle gehörte er zu den Besten, auch in Eindhoven spielte er sehr vorzeigbar.
Durch seine elf Ballgewinne gegen die Spanier am Dienstag katapultierte sich Schlotterbeck in dieser Kategorie mit insgesamt 62 nun auf Platz zwei aller Champions-League-Spieler in dieser Saison. Dort landet er auch bei den gewonnenen Zweikämpfen (insgesamt 16) - und muss sich in beiden Wertungen übrigens nur seinem Mitspieler Mats Hummels (99 und 28) geschlagen geben.
Schlotterbeck hat in den vergangenen Wochen also unbestritten die Entwicklung hingelegt, die Nagelsmann von ihm einfordert. Er lieferte Konstanz und gehörte beim BVB zuletzt zu den besten Spielern. Mit Dortmund stehen für ihn nun weitere eminent wichtige Partien an, die mit Blick auf eine EM-Nominierung Chance und Risiko zugleich sein werden. Macht Schlotterbeck so weiter, könnte er Nagelsmanns größter Härtefall werden.
BVB: Das Restprogramm von Borussia Dortmund
Spieltag | Datum | Uhrzeit | Heim | Gast |
30 | So., 21.4.24 | 17:30 | Borussia Dortmund | Bayer Leverkusen |
31 | Sa., 27.4.24 | 15:30 | RB Leipzig | Borussia Dortmund |
CL-Halbfinale | Mi., 1.5.24 | 21:00 | Borussia Dortmund | Paris Saint-Germain |
32 | Sa., 4.5.24 | 15:30 | Borussia Dortmund | FC Augsburg |
CL-Halbfinale | Di., 7.5.24 | 21:00 | Paris Saint-Germain | Borussia Dortmund |
33 | Sa., 11.5.24 | 18:30 | 1.FSV Mainz 05 | Borussia Dortmund |
34 | Sa., 18.5.24 | 15:30 | Borussia Dortmund | Darmstadt 98 |