FC Bayern - Pro-Contra-Diskussion: Sollte der FCB Jerome Boateng verkaufen?

Andreas LehnerJochen Rabe
14. Juni 201814:52
Jerome Boateng könnte den FC Bayern München im Sommer möglicherweise verlassen.getty
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Karl-Heinz Rummenigge hat die Spekulationen um einen Abgang von Jerome Boateng beim FC Bayern München durch seine Aussagen am Mittwoch befeuert. Doch wäre ein Wechsel des Weltmeisters das richtige Signal der Vereinsführung? Ist Boateng beim Rekordmeister mittlerweile ersetzbar oder sollte der Klub ihn unbedingt halten? Die SPOX-Redakteure Andreas Lehner und Jochen Rabe diskutieren im Kopfballpendel.

Pro Verkauf: Schleichende Entfremdung zwischen Bayern und Boateng

Von SPOX-Fußballchef Andreas Lehner

Als der FC Bayern Jerome Boateng 2011 von Manchester City nach München holte, stellte sich die Frage, warum eigentlich kein anderer Klub auf die Idee gekommen war, diesen hoch talentierten, aber noch ungeschliffenen Verteidigerdiamanten für eine überschaubare Ablöse vom Fehler Premier League zu erlösen.

Jetzt stellen sich viele die Frage, warum der FC Bayern bereit ist, einen hochdekorierten Abwehrgiganten mit internationaler Reputation einfach ziehen zu lassen. Ganz einfach: Weil sich beide Partien in den letzten Wochen und Monaten entfremdet haben.

In den letzten sieben Jahren haben Boateng und der Klub wechselseitig voneinander profitiert. Boateng ist erst in München unter Anleitung von Jupp Heynckes und Pep Guardiola zu einem Weltklasseverteidiger gereift. Und der FC Bayern hat dank dieser Entwicklung große Erfolge gefeiert.

Ähnliche Situation wie bei Toni Kroos

Diese Symbiose ist nach einer im Fußball gefühlten Ewigkeit an einem Ende angekommen. Boateng hat andere Vorstellungen von seiner Zukunft beim FC Bayern und der Klub hat andere Vorstellungen von Boatengs Wirken in München.

Auch wenn die Themen andere sind und Boateng einige Jahre älter ist, ist die Situation vergleichbar mit der von Toni Kroos vor dessen Abschied zu Real Madrid. Der Spieler wollte mehr als das gebotene Gehalt, um damit auch eine höhere Wertschätzung zu bekommen. Der Verein blieb bei seinem Angebot. Trennung.

Boateng in der Hierarchie hinter Neuer und Müller

In Boatengs Fall geht es nicht um Geld, sondern um einen von ihm auch schon mehrmals öffentlich geäußerten Führungsanspruch. Boateng hat immer wieder mit dem Kapitänsamt beim FC Bayern und in der Nationalmannschaft kokettiert.

Er hat sich nach den Rücktritten von Philipp Lahm und Bastian Schweinsteiger auch Hoffnungen gemacht. Dass die Binde jeweils an Manuel Neuer ging, hat ihm diese Perspektive langfristig verbaut. Dass Boateng trotzdem zum Führungspersonal gehört, steht außer Frage. Beim FC Bayern steht aber auch noch Thomas Müller in der internen Hierarchie vor ihm, ebenso im Ansehen der Klub-Bosse.

Süle ist der richtige Nachfolger beim FC Bayern

Das Verhältnis von Boateng und Rummenigge ist ohnehin nicht das Beste - Stichwort "Back to earth"-Kritik. Und dass der 29-Jährige in den letzten zweieinhalb Jahren nur 34 Bundesligaspiele absolviert hat und immer wieder verletzt war, hat die Zweifel der Oberen weiter verstärkt.

Mit Niklas Süle haben die Bayern zudem einen aufstrebenden Spieler im Kader, der jetzt den nächsten Schritt auf dem Weg zum "Weltklasseverteidiger" (Jupp Heynckes) machen muss und an der Seite von Mats Hummels reifen kann.

Es spricht also sehr viel dafür, dass die Bayern Boateng nach der Weltmeisterschaft für viel Geld verkaufen, Süle als Nachfolger aufbauen und dahinter noch einen Verteidiger verpflichten werden. Ein Schnitt zur rechten Zeit.

Contra Verkauf: Ein Boateng-Ersatz ist für Bayern unbezahlbar

Von SPOX-Redakteur Jochen Rabe

Klar, Jerome Boateng war besonders in den vergangenen beiden Jahren häufig verletzt und hat im Zuge dessen nur selten sein absolutes Topniveau erreicht. Das Topniveau, das er braucht, um die Mannschaft wirklich auf ein anderes Level zu heben.

Dennoch können sich die Bayern nicht erlauben, Boateng zu einem internationalen Konkurrenten ziehen zu lassen.

Denn selbst mit 95 Prozent ist Boateng einer der besten Innenverteidiger der Welt. Seine Aggressivität, seine Schnelligkeit und seine präzise Spieleröffnung bringt kaum ein Abwehrspieler mit. Zumindest keiner, der auch mit den Mitteln einer möglicherweise enorm hohen Ablösesumme bezahlbar wäre. Stichwort Gehaltsgefüge.

Ja, Niklas Süle ist auch schnell und hat das Potential, auf höchstem Niveau konkurrieren zu können. Doch den zweifelsohne starken Auftritt im Champions-League-Halbfinale gegen Real Madrid muss Süle erst einmal konstant bestätigen. Boateng ist Weltmeister und Champions-League-Sieger, ihn erschüttert nichts und niemand.

Jerome Boateng ist ein Führungsspieler des FC Bayern

Außerdem hat er sich in den letzten fünf Jahren auf dem Platz zum absoluten Führungsspieler entwickelt. Von der früher manchmal lax wirkenden Körpersprache ist kaum noch etwas übrig, stattdessen ist er mittlerweile ein Lautsprecher, der eine Mannschaft auch mitreißen kann.

Dass er sogar schon in der deutschen Nationalmannschaft die Kapitänsbinde getragen hat, unterstreicht seinen Status. Eigentlich war es immer der Anspruch des FC Bayern, die wichtigsten Spieler der deutschen Nationalmannschaft in den eigenen Reihen zu haben. Dazu gehört Boateng definitiv.

Karl-Heinz Rummenigges Probleme mit Jerome Boateng

Auch neben dem Platz ist Boateng eine Persönlichkeit. Vor zwei Jahren wurde er im Zuge der Gauland-Nachbar-Äußerungen zum Sinnbild des Kampfes gegen Rassismus. Er prescht in dieser Thematik nicht so sehr nach vorne wie sein Bruder, doch er bezieht Stellung. Für die Außendarstellung eines Klubs speziell in diesen Zeiten nicht unwichtig.

Seine schillernde Persönlichkeit mit auffälligen Klamotten, Tattoos, schrillen Frisuren und Werbedeals en masse war Karl-Heinz Rummenigge schon länger ein Dorn im Auge ("Back to earth"-Kritik). Doch gerade Rummenigge, der die Entwicklung des FC Bayern zur globalen Marke vorantreiben will, müsste wissen, dass gerade Typen wie Boateng es sind, die einen Wiedererkennungs- und somit Markenwert haben.

Gesamtpaket Jerome Boateng

Das Gesamtpaket Jerome Boateng bringt dem FC Bayern mehr als 100 Millionen Euro auf dem ohnehin prall gefüllten Festgeldkonto. Mit diesen 100 Millionen Euro können sie das dadurch entstandene Loch nicht stopfen. So einen darf ein Verein mit den Ansprüchen der Münchner nicht ziehen lassen.

Zumal Rummenigge die mögliche Ablöse nicht unbedingt zur Explosion bringen dürfte, indem er Boateng - mit welcher Agenda auch immer - ins Schaufenster stellt ...