"Er ist einer der besten Trainer der Welt - in meinen Augen vielleicht sogar der beste", schwärmte David Alaba vor anderthalb Jahren im Interview mit dem Fußballmagazin FourFourTwo. Pep Guardiola sei "sehr wichtig" für ihn gewesen und habe ihn "auf ein neues Level gehoben".
Die Gewogenheit des Österreichers für seinen ehemaligen Coach beruht seit jeher auf Gegenseitigkeit. Der Katalane zeigte sich in der Vergangenheit immer wieder begeistert, wenn er sich zu den Qualitäten des Defensivmannes äußerte.
"Der Junge ist beeindruckend", wird der 48-Jährige von Martin Peranau in dessen Buch "Pep Guardiola - Das Deutschland-Tagebuch" zitiert. "Du darfst David nicht die Flügel stutzen, du darfst einem Spieler wie ihm keine Fesseln anlegen."
Damit spielt der heutige Trainer von Manchester City auf die hohe Flexibilität Alabas an. Guardiola selbst trug während seiner FCB-Ägide dazu bei, dass das Bayern-Eigengewächs, das zu Beginn seiner Karriere vor allem im Mittelfeld eingesetzt wurde und sich später als Linksverteidiger festspielte, in einer gänzlich neuen Rolle zu gefallen wusste.
"Kann einer der besten Innenverteidiger der Welt werden"
Zwischen 2014 und 2016 setzte Guardiola insgesamt 39-mal in der Innenverteidigung auf Alaba. Besonders in der Saison 2015/16 vertraute er seinem Flügel-Dauerläufer in der Zentrale, weil mit Jerome Boateng, Holger Badstuber und Medhi Benatia gleich drei etatmäßige Innenverteidiger mit teils langwierigen Verletzungen zu kämpfen hatten.
"Er ist schnell, kann gut aufbauen, ist immer hundertprozentig konzentriert", befand Guardiola damals und stimmte eine ganz besondere Lobeshymne an: "Er kann ohne Zweifel einer der besten Innenverteidiger der Welt werden."
Eine Prophezeiung, die in den folgenden Jahren nachweislich nicht eintraf. Schon aus dem Grund, dass Alaba von Guardiolas Nachfolgern nicht als Dauerlösung in der Mitte infrage kam - auch in Ermangelung von Alternativen für die linke Abwehrseite. Bis jetzt, da man in Alphonso Davies über eine offenbar zukunftsträchtige Option verfügt. Der Kanadier zeigte am vergangenen Samstag im Spitzenspiel gegen Borussia Dortmund eine herausragende Leistung - ebenso wie Alaba, der quasi in Pep'scher Tradition und aufgrund der prekären Personalsituation in Münchens Hintermannschaft von Trainer Hansi Flick ins Zentrum beordert wurde.
Goretzka erklärt Alabas Wert als Innenverteidiger
60 Prozent seiner Zweikämpfe hatte der Linksfuß während der 4:0-Gala über den BVB für sich entschieden, insgesamt 97 und damit die meisten Pässe aller Akteure auf dem Platz gespielt. 91 Prozent davon brachte er an den Mitspieler, wusste vor allem mit sehenswertem Aufbauspiel und mehrfach eingestreuten Diagonalbällen zu gefallen. Zudem kam er gemeinsam mit Davies auf die Höchstzahl an Balleroberungen (12).
Kein Wunder, dass der langjährige Bayern-Profi im Anschluss an die Begegnung von allen Seiten mit Elogen bedacht wurde. "Er interpretiert die Innenverteidigerposition sehr eigen. Ich finde hervorragend, wie er das macht", sagte Leon Goretzka und schob nach: "Er spricht viel mit uns, schiebt die Kette hoch, gibt uns dadurch die Möglichkeit, die Ketten eng zu halten. Er ist extrem zweikampfstark und gibt uns eine gute Stabilität, weil er nach vorne und offensiv denkt. Das macht es für die Mittelfeldspieler einfacher, weil der Raum in der Verteidigungszone kleiner wird."
Auch Thomas Müller schloss sich der Alaba-Würdigungen an: "Wenn jeder weiß, dass sein Hintermann mitzieht, wenn er nach vorne durchdeckt, hat David die Übersicht und Qualität als Innenverteidiger zu spielen - ob mit oder gegen den Ball."
Joshua Kimmich knüpft an Guardiola-Lob an
Ganz im Guardiola-Duktus blieb hingegen Joshua Kimmich: "Ich finde ihn als Innenverteidiger einen komplett anderen Spieler", sagte der Nationalspieler. Er ergänzte: "Er gefällt mir auch überragend als Linksverteidiger, aber als Innenverteidiger ist er für mich wirklich mit einer der Besten der Welt. Seine Körpersprache ist wahnsinnig, wie positiv er auch ist, wie er in die Zweikämpfe geht."
Und Alaba selbst? Der fühlte sich durchaus geschmeichelt und gestand, angesprochen auf Kimmichs Aussage: "Das ist schön, sowas zu hören." Allerdings gab der 27-Jährige auch zu bedenken: "Ich fühle mich links schon wohler, das ist kein Geheimnis." Er versuche dennoch "der Mannschaft zu helfen", obwohl man anders agieren und das "Spiel anders lesen" müsse als auf seiner angestammten Position.
Vorerst wird Alaba sich wohl oder übel mit seiner Aushilfsrolle anfreunden müssen. Lucas Hernandez (Innenbandriss im Sprunggelenk) und Niklas Süle (Kreuzbandriss) fallen verletzungsbedingt länger aus, Jerome Boateng wird im nächsten Bundesliga-Spiel bei Fortuna Düsseldorf aufgrund seiner Rotsperre beim Debakel gegen Eintracht Frankfurt ebenfalls noch nicht wieder verfügbar sein.
Doch was bringt die Zeit danach, avanciert Alaba tatsächlich zu einem Innenverteidiger-Kandidaten auf Dauer? Eher unwahrscheinlich, sobald zumindest Hernandez wieder zurückkehrt. Davies bringt zwar enorm viel Potenzial mit, ist mit seinen 19 Jahren aber verständlicherweise erst am Anfang seines Entwicklungsprozesses.
Immerhin weiß neben Alaba-Aficionado Guardiola mittlerweile auch Flick, dass er in den kommenden Wochen auf seinen Allrounder bauen kann.