Rekord-Teenie bei Flicks Debütanten-Ball gegen Freiburg: Die Juwele des FC Bayern im Check

Dennis Melzer
22. Juni 202008:49
Chris Richards, Jamal Musiala und Sarpreet Singh (v.l.n.r.) kamen am Samstag gegen den SC Freiburg zum Einsatz.imago images / Markus Ulmer, Stefan Matzke
Werbung

Gegen den SC Freiburg verhalf Hansi Flick gleich mehreren Juwelen zu ihren Debüts. Jamal Musiala stellte sogar einen vereinsinternen Rekord auf.

Nachdem der FC Bayern am vergangenen Dienstag in Bremen die achte Meisterschaft in Serie vorzeitig in trockene Tücher gebracht hatte, ging Trainer Hansi Flick im vorletzten und - aus Münchner Sicht - belanglosen Saisonspiel gegen den SC Freiburg keinerlei Risiko ein.

Die Offensivkräfte Ivan Perisic und Serge Gnabry (beide etwas angeschlagen) erhielten im Duell mit den Breisgauern eine Pause, David Alaba, der sich unter der Woche mit Problemen am Sprunggelenk konfrontiert sah, stand Flick darüber hinaus ebenso wenig zur Verfügung wie Alphonso Davies (Gelb-Rot-Sperre).

Für Niklas Süle und Philippe Coutinho (beide erst seit Kurzem nach langwierigen Verletzungen wieder im Mannschaftstraining) kam ein Einsatz noch zu früh, während Mittelfeld-Stratege Thiago sich derzeit von einer Leisten-Operation erholt.

Die Mischung aus personeller Gemengelage und sportlicher Irrelevanz eröffnete Flick somit die Möglichkeit, gleich mehrere verheißungsvolle Rohdiamanten aus der Bayern-Talentschmiede mit Spielzeit bei den Profis zu bedenken. Sarpreet Singh (21), der bereits im Dezember vergangenen Jahres erstmals Oberhaus-Luft schnuppern durfte, feierte sein Startelf-Debüt für den Rekordmeister, die eingewechselten Chris Richards (20) und Jamal Musiala (17) verbuchten ihre ersten Bundesliga-Minuten überhaupt.

Die Juwele des FC Bayern München im Check:

1. Sarpreet Singh

Die Partie war erst 13 Minuten alt, als Singh eine Kopfball-Ablage von Robert Lewandowski sehenswert volley nahm und nur aufgrund des beherzten Einschreitens von Freiburgs Philipp Lienhart an seinem ersten Bundesliga-Treffer gehindert wurde.

Der Startelf-Neuling zeigte auf der linken Seite vor allem im ersten Durchgang eine engagierte, aber ausbaufähige Leistung, ehe der Neuseeländer in der 64. Minute für Kingsley Coman Platz machen musste. Sein Arbeitsnachweis: 25 Prozent gewonnene Zweikämpfe (Quelle: Opta), 29 Ballaktionen, acht Ballverluste und eine Passquote von 78,3 Prozent.

Singh war im Sommer vergangenen Jahres als Perspektivspieler von Wellington Phoenix in die bayrische Landeshauptstadt gewechselt. Unter Trainer Niko Kovac absolvierte der Offensivmann die USA-Tour und wurde vom mittlerweile Ex-Übungsleiter auch für den Audi-Cup in der heimischen Allianz Arena berücksichtigt, bei dem Singh im Finale gegen Tottenham durchaus zu gefallen wusste.

Sarpreet Singh musste bei seinem Startelfdebüt in der Bundesliga nach einer guten Stunde für Kingsley Coman vom Platz.imago images / Hans Rauchensteiner

"Er war sicher einmal für die zweite Mannschaft vorgesehen, ich betone das 'war'", zeigte sich Kovac, der Singh in den Kader für den Supercup gegen Borussia Dortmund berief, voll des Lobes für den Youngster und begründete: "Er ist weiter als der eine oder andere in der zweiten Mannschaft. Er wird die Möglichkeiten in der ersten Mannschaft eventuell bekommen."

Auf seine erste und bis dato einzige Chance bei den Profis musste Singh jedoch einige Monate warten: Beim 6:1 über Bremen Mitte Dezember 2019 belohnte Neu-Coach Hansi Flick den sechsmaligen Nationalspieler für dessen gute Leistungen im Dress der Zweitvertretung, für die er in der Hinrunde vier Treffer sowie sieben Vorlagen beigesteuert hatte (mittlerweile sieben Tore bei gleichgebliebener Assist-Anzahl).

Im Winter-Trainingslager in Doha war Singh neben vielen weiteren Jungspielern erneut Teil des FCB-Trosses und sammelte unter der katarischen Sonne weitere Eindrücke und Erfahrungen im inneren Kreis der Stars.

Fazit:

Singh, der Flick einst im Gespräch mit der Bild als "fantastisch" für seine Entwicklung beschrieb, bringt vor allem im technischen Bereich großes Potenzial mit, er wartet zudem mit großer Dynamik, Kreativität und Qualitäten im Abschluss auf.

Sebastian Hoeneß, Trainer der zweiten Mannschaft, hatte schon kurz nach Singhs Ankunft, sprich im vergangenen Sommer, darauf hingewiesen, dass der schmächtige 1,75-Meter-Mann unbedingt an seiner Physis arbeiten müsse. Diese Einschätzung ist nach wie vor aktuell. Möchte sich der Linksfuß also nachhaltig für höhere Aufgaben empfehlen, ist es nahezu obligatorisch, körperlich etwas zuzulegen.

2. Chris Richards

Am Dienstag, als er erstmals zum Profi-Kader zählte, hoffte der US-Amerikaner noch vergeblich auf einen Einsatz, wenige Tage später war es schließlich so weit. Gegen Freiburg gewährte Flick dem 20-Jährigen sechs Minuten in Deutschlands Beletage.

Richards ist bereits seit knapp zwei Jahren an der Isar zuhause. Im Juli 2018 war der Innenverteidiger zunächst auf Leihbasis vom FC Dallas nach München gewechselt, sechs Monate später zahlte der FCB rund eine Million Euro für die Dienste des U23-Nationalspielers der am 28. März 2000 in Birmingham, Alabama, das Licht der Welt erblickte.

Erste Sporen bei der ersten Mannschaft verdiente er sich im Rahmen des International Champions Cup 2018. "Mein erstes Spiel war gegen Paris Saint-Germain (in Klagenfurt, Anm. d. Red.) und es war echt ein verrückter Moment für mich und meine Familie", wurde der Defensivspezialist jüngst von der offiziellen Vereinshomepage zitiert. "Ich war in der Kabine und da dann 'Richards' auf dem Rücken eines Bayern-Trikots zu sehen ... 'Das ist nicht echt', dachte ich mir. Es öffnete mir die Augen, denn ich habe gut gespielt, aber auch gemerkt, dass ich noch an mir arbeiten muss."

Im Laufe der Zeit dürfte sich Richards an das Bayern-Trikot mit seinem Namen gewöhnt haben. Zunächst in der U19 eingesetzt, vollzog Richards den Schritt in den Seniorenbereich im vergangenen Sommer und avancierte unter Trainer Hoeneß, der ihn zunächst vornehmlich als Rechtsverteidiger aufbot, schnell zum Stammspieler.

Chris Richards kam gegen Freiburg ab der 84. Minute für Javi Martinez zum Einsatz.imago images / Stefan Matzke

Seit Beginn der Rückrunde, auf die er sich unter anderem mit Flick und dessen Mannschaft in Doha vorbereitete, ist Richards aus dem Abwehrzentrum nicht mehr wegzudenken und trug indes seinen Teil dazu bei, dass der Drittliga-Aufsteiger lediglich eine einzige Partie in der zweiten Saisonhälfte verlor und fast schon sensationell derzeit die Tabelle anführt. Neben seinen Stärken im Zweikampf und Kopfballspiel strahlt er Torgefahr aus, was er zuletzt beim 3:2-Erfolg der Amateure in Mannheim erneut unterstrich.

Richards ist selbstbewusst und weiß seine Qualitäten selbst gut einzuordnen. "Ich bin ziemlich schnell und groß. Ich kann hoch springen und schnell die Seiten wechseln", sagte er im amerikanischen Underdog Soccer Podcast und schob nach: "Meine Kopfbälle sind gut und ich kann einen gegnerischen Stürmer verfolgen, wenn ich muss. Ich decke eine große Fläche des Spielfeldes ab."

Außerdem kommt ihm zugute, dass er flexibel ist, zur Not auch als Außenverteidiger eingesetzt werden kann. "Von einem Innenverteidiger fordern sie wenige Dinge: Präzision und Erfahrung. Sie sind der Quarterback des Teams", weiß Richards. "Sie verteidigen gegen die talentiertesten Spieler des anderen Teams. Sie müssen wissen, was sie zum richtigen Zeitpunkt tun müssen."

Fazit:

Richards ist ein moderner Innenverteidiger, der die klassischen, bereits skizzierten Eigenschaften mitbringt und darüber hinaus auch im Aufbauspiel ordentliche Ansätze zeigt. Mit Blick auf die große, qualitativ hochwertige Konkurrenz bei den Bayern, könnten die Verantwortlichen im Sommer eine Leihe des Talents in Betracht ziehen.

Informationen der tz zufolge sollen einige Bundesligisten ihr Interesse an Richards bereits hinterlegt haben. Um eines Tages zur "Bayern-Legende" zu werden, wie er hoffnungsvoll äußerte, gilt es jedenfalls noch einen langen Weg zu beschreiten.

3. Jamal Musiala

Alterstechnisch könnte Musiala noch in der B-Jugend eingesetzt werden, stattdessen stehen seit Samstag die ersten beiden Bundesliga-Minuten für den gebürtigen Stuttgarter zu Buche, der den Platz mit keinem Geringeren als Thomas Müller tauschte. Schöner und besonderer Nebeneffekt des Ganzen: Musiala sicherte sich im Geschichtsbuch der Münchner einen eigenen Eintrag. Mit 17 Jahren und 115 Tagen löste er Pierre-Emile Hojbjerg (17 Jahre und 251 Tage) als jüngsten Bundesliga-Spieler der Klubhistorie ab.

Passend dazu mutet Musialas bisherige Karriere wie vom Reißbrett geplant an. Er wuchs im hessischen Fulda auf, lernte das Fußballspielen beim hiesigen Verein TSV Lehnerz, bevor er mit seiner Familie nach England zog und prompt vom FC Southampton entdeckt wurde. Sein Engagement bei den Saints währte allerdings nur wenige Monate. Im Alter von acht Jahren schloss sich das Ausnahme-Talent dem FC Chelsea an, bei dem er fortan sämtliche Jugendmannschaften durchlief und schon als 15-Jähriger bisweilen in der U18 mitmischte.

Im Dezember 2016 wurde Musiala, der sowohl die englische als auch die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt, zum ersten Mal in die U15 der Three Lions berufen und trug sich prompt bei seinem Debüt in die Torschützenliste ein, nur ein Jahr später reichten dem offensiven Mittelfeldspieler 50 Minuten, um beim 3:1 gegen die Niederlande als Dreifach-Torschütze in Erscheinung zu treten.

Nach einem kurzen Intermezzo von zwei Spielen für die DFB-U16, denn dazu ist Musiala als minderjähriger Doppelstaatsbürger berechtigt, entschied er sich dazu, weiterhin für England zu spielen (neun Spiele für die U16 sowie mittlerweile zwei Spiele für die U17).

Im Sommer 2019 kehrte Musiala der Insel den Rücken und wechselte nach München. Er begründete den Schritt wie folgt: "Ich bin sehr froh über die Jahre in England. Es gab einige Interessenten aus Europa. Aber, wenn solch ein großer Klub aus Deutschland interessiert ist, kannst du nicht Nein sagen. Und ich liebe Bayern, seit ich sehr jung bin."

Jamal Musiala ist mit 17 Jahren, 3 Monaten und 25 Tagen der jüngste Bayern-Debütant aller Zeiten.imago images / Stefan Matzke

Für die B-Jugend des FCB knipste Musiala in zwölf Partien sechsmal, im Dezember nahm sich das U19-Trainergespann Martin Demichelis und Danny Schwarz seiner an. Da aufgrund von Corona der Spielbetrieb in den Jugendligen zum Erliegen gekommen ist, zog Sebastian Hoeneß das Juwel ein weiteres Mal nach oben, wechselte Musiala gleich im zweiten Spiel nach dem Restart der 3. Liga gegen Preussen Münster ein.

Über die Münchner Stadtgrenzen hinaus von sich reden machte der Emporkömmling zu Beginn des Monats, als er gegen den FSV Zwickau nach 57 Minuten für Malik Tillman ins Spiel kam und die Amateure mit einem Doppelpack auf die Siegerstraße schoss.

"Der Junge ist eiskalt. Wenn man vor dem Spiel mit ihm spricht, wirkt er fokussiert, ruhig und zurückhaltend. Aber, wenn er auf den Platz kommt, explodiert er förmlich", schwärmte Trainer Hoeneß, der für gewöhnlich darum bemüht ist, einzelne Jungspieler nicht mit zu viel Lob zu überhäufen.

Er ergänzte: "Das ist genau das, was wir von jungen Spielern sehen möchten. Sie sollen ihr Herz in die Hand nehmen und mutig sein." Nur drei Auftritte für die U23 und einige Trainingseinheiten bei den Profis, bei denen Musiala sein enormes Potenzial angedeutet hatte, schienen Flick ausgereicht zu haben, um ihn gegen Borussia Mönchengladbach in seinen ausgedünnten Kader zu berufen.

"Er ist technisch sehr gut und entwickelt Dynamik, wenn er im Ballbesitz ist", sagte Flick bezüglich Musialas Stärken. Der 55-Jährige betonte allerdings auch, dass bei dem Bestreben, junge Spieler zu fördern, die Faktoren Zeit und Geduld immer eine übergeordnete Rolle spielen sollten.

Fazit:

Musiala gilt nicht umsonst als eine der größten Hoffnungen am Bayern-Campus. Die Tatsache, während seiner Laufbahn stets mit älteren, körperlich stärkeren Spielern konkurriert zu haben, hat sich merklich positiv auf seinen Werdegang ausgewirkt. Sollte seine Entwicklung weiterhin so beeindruckend verlaufen, werden die Bayern noch viel Freude an ihm haben.

Und was sagt Flick zu seinen Novizen? "Wir machen am Campus sehr gute Arbeit. Das ist gut, um unseren Kader entsprechend aufzufüllen", erklärte er im Anschluss der Begegnung mit Freiburg auf der virtuellen Pressekonferenz. "Seit die Top-Nachwuchsspieler bei uns mittrainieren, ist die Qualität immer besser geworden. Sie sind auf einem guten Weg." Flick schränkte abschließend ein: "Aber um beim FC Bayern zu spielen, ist dieser noch sehr weit." Ein angemessenes Schlusswort.