Omar Richards (23) kam beim 7:0 gegen den VfL Bochum zwar zu seinem Bundesligadebüt für den FC Bayern München, seine große Chance zum Saisonbeginn hat er aber nicht genutzt. Hauptgrund dafür ist eine aus England eingeprägte Spielweise des neuen Linksverteidigers, die laut Trainer Julian Nagelsmann "noch ein bisschen abstrahlt".
Omar Richards kommt aus der vermeintlich härtesten Liga der Welt: der zweitklassigen englischen Championship. 24 Klubs, 46 Ligaspiele mit Option auf drei weitere Playoff-Partien, dazu noch zwei nationale Pokal-Wettbewerbe. In der vergangenen Saison absolvierte er für den FC Reading exakt 3.339 Pflichtspielminuten. Selbst beim weitgereisten FC Bayern überboten diesen Wert lediglich vier Spieler: Manuel Neuer, David Alaba, Thomas Müller und Robert Lewandowski.
Richards blieb somit reichlich Zeit, sich die Spielweise seiner ehemaligen Mannschaft ganz tief einzuprägen - was dem Einleben bei seiner neuen aber nicht unbedingt zuträglich war. Ganz im Gegenteil: Trainer Julian Nagelsmann hat es sich beim FC Bayern München zur Aufgabe gemacht, Richards zunächst einmal die Championship auszutreiben.
Erstaunlich offen berichtete Nagelsmann davon bei einer Pressekonferenz Ende vergangener Woche, kurz bevor er dem ablösefrei verpflichteten 23-jährigen Linksverteidiger zu dessen Bundesligadebüt verhelfen sollte. Beim 7:0-Sieg gegen den VfL Bochum kam Richards zur Pause ins Spiel.
Omar Richards im Steckbrief:
geboren | 15. Februar 1998 in London |
Größe | 1,74 m |
Gewicht | 74 kg |
Position | linker Verteidiger, linkes Mittelfeld |
starker Fuß | links |
Stationen | Fulham Jugend, Reading Jugend, FC Reading, FC Bayern |
Spiele/Tore | 129/4 |
Julian Nagelsmann erklärt Omar Richards' Defizite
"In England haben viele seiner Kollegen überwiegend lange Bälle gespielt und er musste hinterherdackeln. Wenn er den Ball mal hatte, dann hat er versucht, ihn zu behalten, indem er viel gedribbelt ist", berichtete Nagelsmann. Überlegtes Kombinationsspiel wie in München hätte es dort oben im fernen Norden, im Städtchen Reading nahe London kaum gegeben, dafür reinsten Kick'n'Rush. "Das strahlt noch ein bisschen ab."
Bei Richards äußert sich diese Strahlung offenbar hauptsächlich beim richtigen Einsatz des Stilmittels Dribbling. Er müsse nun erst einmal lernen, "welcher Raum gut ist für ein Dribbling, wo man vielleicht auch mal in ein Eins-gegen-Zwei gehen kann, um Räume zu öffnen und vielleicht mal einen Gegner zu binden für einen Kollegen. Und wo Fußball ein Sport ist, den ich einfach halten möchte: im eigenen Drittel, in der Spieleröffnung." Aktuell nehme Richards laut Nagelsmann noch "insgesamt zu viel Risiko in Situationen, in denen man in der Bundesliga kein Risiko nehmen sollte".
Die Grundlagen sind aber immerhin da: Richards habe laut seines Trainers tatsächlich "ein sehr gutes Dribbling und einen guten Abschluss", von Vorteil sei auch sein "guter, tiefer Schwerpunkt. Er ist schwer zu verteidigen bei der Körpergröße." Diese liegt übrigens bei 1,74 Metern, nachdem im Vorfeld seiner Verpflichtung auch die Zahl 1,85 kursiert war. Erst bei seiner Vorstellungs-Pressekonferenz in München hatte Richards für Klarheit gesorgt.
Ursprung seiner beachtlichen Dribbel-Fähigkeiten ist übrigens seine Vergangenheit weiter vorne auf dem Platz. Ehe Richards zum Linksverteidiger umfunktioniert worden war, agierte er in der Jugend des FC Fulham und des FC Reading auf den Flügeln und auf der Zehn. Als sein Vorbild nennt der Linksfuß David Silva, langjähriger Regisseur von Manchester City.
gettyOmar Richards nutzte die komplizierte Personallage nicht
Für Richards geht es nun darum, seine vorhandenen Qualitäten sinnvoll einzusetzen. "Wenn er das hinkriegt, wird er auch mehr Spielzeit bekommen", erklärte Nagelsmann. Bisher beschränkte sich Richards Spielzeit auf einen Einsatz beim 12:0-Sieg in der 1. Runde des DFB-Pokals beim Bremer SV sowie die zweite Halbzeit beim 7:0 gegen Bochum. Rückschlüsse über sein wahres Potenzial lassen sich nach den deutlichen Siegen noch nicht ziehen.
In seinen ersten Monaten im Klub hat es Richards jedenfalls verpasst, die komplizierte Personallage für sich zu nutzen. Während er die komplette Vorbereitung absolvierte und in den Testspielen regelmäßig zum Einsatz kam, fehlten die Linksverteidiger-Rivalen Alphonso Davies und Lucas Hernandez verletzt. Statt Richards vertraute Nagelsmann zum Saisonstart aber trotzdem dem gerade erst wiedergenesenen Davies.
Ganz anders sah es auf der Position des Rechtsverteidigers aus, wo das 21-jährige Eigengewächs Josip Stanisic eine ähnliche Ausgangslage für sich nutzte. Er kam bisher in sieben von acht Pflichtspielen zum Einsatz und wurde mit einer Berufung in die kroatische A-Nationalmannschaft belohnt. Richards' bisher einziger Einsatz für sein Land liegt knapp zwei Jahre zurück, damals für die U21.