Der wohl am längsten herbeigesehnte Neuzugang des FC Bayern München macht bisher den schwächsten Eindruck: Während Noussair Mazraoui (24) unter Anpassungsproblemen leidet, brilliert Benjamin Pavard (26) auf ungeliebter Position.
Was war das für eine Erleichterung beim FC Bayern München, als Ende Mai die ablösefreie Verpflichtung von Noussair Mazraoui abgeschlossen war. Endlich ein richtiges Pendant zu Linksverteidiger Alphonso Davies! Endlich vorbei das Ausgehelfe von Zentrums-Spielern! Erstmals seit dem Karriereende von Philipp Lahm 2017 verfügt der Klub wieder über einen Rechtsverteidiger von internationalem Niveau.
Weil die Neuzugänge Alvaro Odriozola oder Bouna Sarr keine Verstärkungen waren, füllten diese Rolle in der Zwischenzeit vorwiegend zwei Akteure aus, die dort eigentlich gar nicht eingesetzt werden wollten: zunächst Mittelfeldspieler Joshua Kimmich, zuletzt Innenverteidiger Benjamin Pavard. Der Franzose ließ keine Gelegenheit aus, seinen Wunsch nach einem Wechsel ins Zentrum zu unterstreichen. "Ich kann auf der rechten Seite aushelfen, aber meine Position ist Innenverteidiger", betonte Pavard im Frühling bei RMC. "Ich will Innenverteidiger spielen."
Mit der Verpflichtung Mazraouis von Ajax Amsterdam schien die jahrelange Problemzone des FC Bayern geschlossen und dadurch gleichzeitig Pavards große Chance auf Wunscherfüllung gekommen. Doch dann holten die Münchner zusätzlich zu den bereits verfügbaren Dayot Upamecano und Lucas Hernandez mit Matthjis de Ligt auch noch einen dritten hochklassigen Innenverteidiger.
Wohin also mit Pavard? Auf einmal galt er als potenzieller Verkaufskandidat. Laut der französischen L'Equipe fragten der FC Chelsea, Atletico Madrid und Manchester United an, doch Pavard selbst und Trainer Julian Nagelsmann blockten alle Avancen ab.
FC Bayern: Julian Nagelsmann lobt Benjamin Pavard
Der Dank: Weil Lahm-Erbe Mazraoui unter Anpassungsproblemen leidet, stand Pavard in den ersten fünf Pflichtspielen der Saison stets in der Startelf - und zwar erneut als Rechtsverteidiger. Alles wie gehabt, nicht wie geplant. Tatsächlich wirkt es aber nicht so, als hätte Pavard daran keinen Spaß.
Gerne wird Pavard mangelnder Zug nach vorne vorgeworfen, doch im neuen 4-2-2-2-System präsentierte er sich diesbezüglich stark verbessert. Zwei Tore erzielte er schon, womit er seine Marke aus der Vorsaison bereits jetzt um zwei Tore überboten hat. Pavard hatte sogar Chancen für noch mehr Treffer, scheiterte gegen den VfL Wolfsburg beispielsweise an der Latte. Zu Lasten defensiver Stabilität ging sein neuer Offensivdrang bisher übrigens nicht.
"Benji macht es eben sehr gut, sehr verlässlich", lobte Nagelsmann im Vorfeld des Bundesligaspiels gegen Borussia Mönchengladbach (1:1). Es waren die letzten Worte einer ausführlichen Antwort des Trainers auf die Frage, was bei Mazraoui eigentlich schief läuft. Dafür lieferte Nagelsmann gleich mehrere Erklärungen.
Noussair Mazraoui: Gewichts- und Tempo-Probleme
Zunächst sei Mazraoui wie "ein klassischer Neuzugang" aufgetreten. Heißt wohl: etwas zu zurückhaltend. Außerdem habe er laut Nagelsmann "zu Beginn Gewicht verloren. Neue Stadt, neuer Koch, alles neu. Es gibt religiöse Hintergründe." Mazraoui ist praktizierender Muslim. Die Probleme seien mittlerweile aber "in den Griff gekriegt".
Problematisch war für ihn offenbar auch die Intensität beim FC Bayern. "Wir haben mehr Läufe gemacht, als er kannte", erklärte Nagelsmann. "Er muss sich noch an das Tempo gewöhnen."
Der kicker berichtete unterdessen, dass man Mazraoui klubintern Defizite im Defensivbewusstsein vorhalte. Außerdem ließe er im Training nötiges Engagement und Durchsetzungsvermögen vermissen. Im Vorfeld des Gladbach-Spiels hätte sich Mazraoui laut Nagelsmann aber "aggressiv" präsentiert: "Die letzten eineinhalb Wochen ist er näher drangerutscht."
Noussair Mazraoui enttäuschte gegen Viktoria Köln
Zu einem Einsatz im Bundesliga-Spitzenspiel reichte es für ihn noch nicht, doch in der 1. Runde des DFB-Pokals bei Viktoria Köln feierte Mazraoui gemeinsam mit den anderen Neuzugängen Mathys Tel und Ryan Gravenberch sein Startelfdebüt für den FC Bayern. Im Gegensatz zu den frech aufspielenden Kollegen enttäuschte Mazraoui jedoch weitestgehend.
Defensiv ließ er sich gegen den eher harmlosen Drittligisten zwar nichts zu schulden kommen, offensiv setzte er aber nur wenige Akzente. Meist wählte er den Sicherheitspass, ging kaum Risiko. Bei eigenem Ballbesitz musste Mazraoui genau wie sein Pendant auf links Josip Stanisic ins Zentrum neben Sechser Joshua Kimmich einrücken, während Tel und Serge Gnabry die Flügel hielten.
"Nous hatte anfangs ein paar Probleme", gab Nagelsmann bei Sport1 zu. Nach der Pause steigerte er sich immerhin etwas, drängte sich aber nicht unbedingt für weitere Einsätze auf. Der zweifellos talentierte Mazraoui braucht Zeit, soviel ist klar. Somit dürfte sich die ungeplanteste Entwicklung der bisherigen Saison des FC Bayern zunächst fortsetzen: Der positionstechnisch am längsten herbeigesehnte Neuzugang ist hintendran, während der unbedingt ins Zentrum drängende Pavard auf seiner ungeliebten Position weiterhin gesetzt ist.