"Warum soll Erfolgsrezept falsch sein?"

Der FC Bayern verlor das Hinspiel des CL-Halbfinals in Barcelona mit 0:3
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SPOX: Bei aller Kritik haben es die Bayern ins Halbfinale geschafft. Für alle anderen deutschen Teams war in dieser Saison schon im Achtelfinale Schluss. Wo steht der deutsche Vereinsfußball zurzeit im internationalen Vergleich?

Wormuth: Wir hatten das Thema 'Ergebnis schlägt Qualität' schon einmal. Das heißt bezüglich Ihrer Frage, dass wir zwar nicht viele Teams durchgebracht haben, aber das heißt nicht, dass wir weniger gut sind. Wir sind auch Weltmeister geworden, was aber nicht automatisch heißt, dass wir die Besten sind. Mit Blick auf das Ergebnis ja, aber hinsichtlich der Qualität gibt es noch andere Teams, Länder, die sehr gut sind. Ergo: Wir stehen gut da und können uns mit allen messen, auch wenn am Ende andere ganz oben stehen sollten. Das ist das Schöne am Fußball. 'Der Weg ist das Ziel klingt zwar abgedroschen', aber wir können Saison für Saison den Berg besteigen. Malta zum Beispiel nicht.

SPOX: Welche Aspekte gibt es im Ausland, die für Sie in der Analyse des internationalen Fußballs und für Ihre Einflüsse in der Trainerausbildung wichtig sind?

Wormuth: Der internationale Fußball ist nicht so weit auseinander wie manch einer vielleicht denken mag. Seit 2008 bin ich nun bei allen internationalen Events dabei, aber glauben Sie mir: Der Fußball ist nirgends neu erfunden worden. Wir sind mit unserer Ausbildung up-to-date und geben sogar Impulse für viele andere Länder.

SPOX: Können Sie ein Beispiel nennen?

Wormuth: Seit 2008 besuchen wir mit unseren angehenden Fußball-Lehrern die Jugend-Europameisterschaften zur Analyse. 2008 waren wir die einzigen, 2015 in der Tschechischen Republik haben sich zwölf Länder mit ihrem Pro-Lizenz-Kurs bei der UEFA angemeldet. Wir haben Europa mit dem praxisorientierten Tool der Spielanalyse vor Ort unser erstes Ausbildungstool geschenkt.

SPOX: Einen neuen Einfluss hat der deutsche Fußball auch durch Roger Schmidt bei Bayer Leverkusen erfahren. Das bedingungslose Pressing und extrem risikoreiches Spiel nach vorne. Wie radikal ist Schmidts Ansatz?

Wormuth: Neu war diese Spielidee nicht, aber die permanente Umsetzung. Wobei die Leverkusener in der Rückrunde eine Balance gefunden haben. Die extreme Form des Gegenpressings basiert auf Ballverlusten. Es klingt kurios, aber das Spiel der Leverkusener hat in der Vorrunde erst mit dem Ballverlust begonnen. Also war es kein Risiko den Ball schnell in das letzte Drittel zu bringen, sondern eine Voraussetzung. Gewinnt man den Ball in der gegnerischen Hälfte, ist der Weg zum Tor kurz, der Gegner meist in einer geöffneten Stellung und damit hat man Räume für den Angriff. Auf der anderen Seite kostet diese Spielweise eine Menge Kraft und Bedarf des sogenannten 'Durchdeckens'. Das bedeutet einfach ausgedrückt: Der hintere Mitspieler schiebt nach vorne durch. Das kann man am besten an der Taktiktafel erklären.

SPOX: Leider müssen wir hier ohne auskommen, aber ich glaube, es ist auch so verständlich. Inwieweit ist der Leverkusener Fußball auch mit dem Dortmunder Fußball unter Klopp verwandt?

Wormuth: Verwandt sind die Spielweisen auf jeden Fall, auch wenn beide Teams eine andere Grundordnung gewählt haben. Dortmund im 4-2-3-1 und Leverkusen im 4-2-2-2. Die Räume sind ein wenig anders besetzt, aber hohe Laufbereitschaft muss man in beiden Fällen haben. Die Dortmunder hatten in ihren besten Tagen aber noch die Konteraktion nach Balleroberung perfektioniert. Kloppo nannte es immer 'High Speed Fußball'.

SPOX: Warum funktionierte das Dortmunder Spiel in dieser Saison nur noch in Ausnahmen?

Wormuth: Mit Lewandowski ist dem BVB eine ganz wichtige Stütze weggefallen. Darüber hinaus fehlten weitere Spieler, die genau diese Spielidee verinnerlicht hatten und auch körperlich über 90 Minuten marschieren konnten. Ansonsten gibt es sicherlich vielerlei Gründe, die wir Außenstehende gar nicht alle kennen können. Es gibt systemorientierte Erklärungsansätze, die aber nichts mit dem System auf dem Platz, sondern mit dem System innerhalb der Mannschaft zu tun haben. Dies zu erklären würde aber den Rahmen dieses Interviews sprengen, beweist aber auch nicht diese Systemthese.

Die Opta-Statistiken von Leverkusen und Dortmund in der BL-Saison 2014/15

SPOX: Benötigt das Dortmunder Spiel eine Anpassung - und wenn ja: in welchen Bereichen?

Wormuth: Das ist eine sehr allgemeine Frage und setzt voraus, dass man sich in der Mannschaft bestens auskennt. Von daher kann ich diese Frage nicht beantworten. Und ich habe das Gefühl, dass ich in den letzten Fragen genug philosophiert habe und Diskussionsstoff für Ihre User gebracht habe (lacht).

SPOX: Klopp wurde vorgeworfen, das Dortmunder Spiel nicht mehr weiterentwickeln zu können. Er könne also nicht seinen Power-Umschaltfußball mit Ballbesitz kombinieren. Wie sehen Sie das?

Wormuth: Jürgen Klopp kann alles im Fußball. Das hat er in Mainz und in Dortmund bewiesen. Aber es ist richtig: Er liebt - unschwer auch in seinem emotionalen Verhalten an der Linie zu sehen - Aktion vor Reaktion. Wenn seine Spieler den Ball nicht haben, jagen sie den Ballführenden, um ihn zu Fehlern zu zwingen, um dann ihren offensiven High Speed Fußball spielen zu können. Das heißt aber nicht automatisch, dass er nicht Trainer von Barcelona sein und das Ballbesitzspiel lieben könnte.

SPOX: Welche Veränderungen erwarten den BVB unter Thomas Tuchel, der ja auch als großer Anhänger Guardiolas und flexibler Systeme gilt?

Wormuth: Es ist nicht so einfach, etwas Neues in eine Mannschaft hineinzubringen. Spieler sind keine Maschinen und die Klopp'sche Kaderzusammenstellung war auf eine bestimmte Verhaltensweise fokussiert. Hier bedarf es einer gewissen Feinfühligkeit zwischen bestehenden Verhaltensweisen und eigener Vorstellung.

SPOX: Wie wichtig ist neben der taktischen auch die emotionale Komponente in Dortmund? Wie sollte sich ein Trainer verhalten, wenn er auf eine so große, populäre Persönlichkeit folgt?

Wormuth: Ein Trainer sollte sich so verhalten, wie er tatsächlich ist. Das schöne Wort 'authentisch' ist hier angebracht. Echt sein. Sein Original verkaufen. Die Spieler sind dafür dankbar, weil sie damit immer besser umgehen können. Und für die Öffentlichkeit spielt es keine Rolle, ob Kloppo oder Thomas Cheftrainer ist. Beide sind auf ihre Art Persönlichkeiten und dann spielen irgendwelche Fußstapfen auch keine Rolle mehr.

Seite 1: Wormuth über das System Guardiola und Grenzen der Taktik

Seite 2: Wormuth über Leverkusens Ansatz, Klopps Probleme und Tuchels Aufgabe

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