Frage: Hat die Champions League den Transfer von Neymar für 222 Millionen Euro vom FC Barcelona zu Paris St. Germain erst ermöglicht?
Lenz: Nein. Man muss da genau differenzieren. Der Emir von Katar, Besitzer von Paris St. Germain, will die Champions League gewinnen, aber die Champions League hat trotz allen Erfolges nie die Millionen für PSG generiert, um Neymar kaufen und finanzieren zu können.
Hempel: Und dennoch beweist dieser Transfer die Strahlkraft der Champions League. Rein fußballerisch gesehen hätte Paris ohne die Champions League keine Chance, im Fußball eine Lichterstadt zu werden.
Aigner: Das ist eine Frage von Angebot und Nachfrage. So einfach ist das geworden. Diese Trophäe zu gewinnen, ist das Ziel aller großen Vereine. PSG kann sich bisher nicht dazu zählen, deshalb haben die einen besonderen Appetit. Bei den Geldgebern weiß man, dass die genügend Mittel haben. Nicht nur im Sport.
Hempel: Ja, das ist schon ein bisschen krank. Aber Exzesse wird es leider in jeder Struktur geben.
Aigner: Ja, auch ich finde es ein wenig pervers. Ich kann das nicht begrüßen. Ich weiß auch nicht, ob das Publikum Summen über 100 Millionen Euro noch akzeptieren wird. Ich stelle diese Geldmenge jetzt mal einfach spekulativ in den Raum. Dazu kommen ja noch Nettogehälter und damit Steuern und Sozialabgaben. Das kann doch kein Normalverdienender mehr nachvollziehen. Ich verstehe da ein Stück weit den Fanverdruss am Profifußball.
Lenz: Diese Summe ist dem Ego des Präsidenten geschuldet. Die hat mit Wirtschaftlichkeit nichts zu tun. Es stimmt, wir haben der Champions League neue wirtschaftliche Möglichkeiten eröffnet. Aber diese Facette ist jenseits von Gut und Böse. Es ist einerseits die lineare Fortsetzung von Abramowitsch, Florentino Perez und anderen. Neu für mich ist der Fakt, dass Neymar selber, also persönlich, sich aus dem bestehenden Vertrag herausgekauft hat.
Aigner: Das ist der Versuch, das Financial Fair Play zu umgehen. Es ist eine Grauzone, die die Vereine versuchen zu erforschen. Es hängt von der UEFA ab, wie streng sie ihr eigenes Reglement handhaben will. Wenn ein Verein nicht mehr ausgeben darf, als er einnimmt, ist die Absicht klar. Wenn ein Spieler aus seiner Privatschatulle 222 Millionen Euro hinblättern kann, auch. Ich bleibe dabei: Das alles ist indirekt eine Folge des Bosman-Urteils von 1995.
Frage: Was meinen Sie genau?
Aigner: Wir Fußballer haben feststellen müssen: Die EU erkennt die Besonderheiten des Sport nicht an. Deshalb gibt es heute all diese neuen Vertragsklauseln. Das Urteil war ein Schlag ins Wasser. Den EU-Leuten muss man vorwerfen, dass sie in eine Materie eingriffen, die sie nicht kannten.
Hempel: Aber trotz dieses Auswuchses, der ja nicht primär von der Champions League zu verantworten ist, ist die Marke Champions League inzwischen zum Gattungsbegriff geworden, sie steht als Synonym für das Beste vom Besten!
Frage: Die Champions League war mal eine paneuropäische Idee. Gleiche Werbung in allen Stadien, gleiche Anstoßzeit in ganz Europa - paneuropäisch. Jetzt werden die Anstoßzeiten auf 19 Uhr und 21 Uhr gesplittet. Ihre Meinung als Erfinder?
Lenz: Ich halte davon gar nichts.
Hempel: Ich wäre auch entschieden dagegen. Aber diese gemeinsame Anstoßzeit von 20.45 Uhr hinzubekommen, das war äußerst schwierig. Wir hatten uns eigentlich auf 20.15 Uhr geeinigt.
Lenz: Und dann kam dein dicker Freund aus Frankreich und erklärte, dass dort die Hauptnachrichten erst um 20.45 Uhr enden...
Hempel: Eine einheitliche Anstoßzeit zwischen Süd-, Ost-, Nord- und Westeuropa zu finden, war ein Mammutakt. Aber gerade die Einheitlichkeit war für die Marke Champions League entscheidend. Der Übergang zu zwei Anstoßzeiten hätte ausschließlich mit Einkommensoptimierung zu tun, was allerdings sehr kurzfristig gedacht wäre.
Frage: Ab der nächsten Saison haben die ersten vier der UEFA-Fünfjahreswertung vier feste Startplätze in der Champions League, also Spanien, Deutschland, England und Italien. Bislang waren das nur die ersten drei, und der jeweils Tabellenvierte musste noch in eine Qualifikation. Damit haben die Großen Vier die Hälfte der Champions League-Startplätze für sich. Gefällt Ihnen diese Entwicklung?
Aigner: Mir gefällt sie ganz und gar nicht. Mir hat schon der dritte feste Startplatz nicht gefallen. Die jetzige Neuregelung ist doch nur gekommen, weil die UEFA ein Jahr lang führungslos war. Der Präsident (Platini, d. Red.) war gesperrt und der Generalsekretär (Gianni Infantino, der heutige FIFA-Präsident, d. Red.) ist zur FIFA gewechselt. Dann haben die großen Klubs, Karl-Heinz Rummenigge (Ex-Chef der europäischen Klubvereinigung ECA und von Bayern München, d.Red.) an der Spitze, die Leere genutzt und ihre Interessen durchgesetzt.
Frage: Ihre Lehre?
Aigner: Verschiedene Dinge gefallen mir nicht mehr, aber ich bin da aus einer anderen Generation. Das muss man auch ehrlich zugestehen. Vieles auf dem und um das Spielfeld herum gefällt mir nicht mehr. Der Fußball bleibt ein tolles Spiel, aber die Leute, die für den Fußball verantwortlich wären, kümmern sich um ihre eigene Karriere und nicht um das Spiel.
Lenz: Die Champions League müsste auch in der Zahl der Teilnehmer aus einem Land ihre Rarität beibehalten. Täglich Kaviar und Champagner schmecken auf Dauer schal.
Hempel: 'Weniger ist mehr' ist eigentlich immer noch der entscheidende Gedanke.
Lenz: Aber die entscheidenden Leute machen sich darüber keine Gedanken mehr, weil sie bei Wahlen Stimmen brauchen.