Antonio Rüdiger: Erst ausgemustert, dann Fels in der Brandung
Dass Antonio Rüdiger dem FC Chelsea im vergangenen Sommer - und diesen Winter - noch beinahe den Rücken gekehrt hat, mutet in diesen Tagen seltsam an, schließlich ist Rüdiger aus dem Abwehrbollwerk von Thomas Tuchel gar nicht mehr wegzudenken. Aber so war es.
"Ich stand wirklich kurz davor zu gehen", verriet der mittlerweile 28-Jährige diese Woche dem kicker. "Es war zum Start in eine Saison mit einer EM am Ende, und auch gegenüber dem DFB sah ich mich dann in der Pflicht, mich nach Alternativen umzuschauen, um genug Spielpraxis zu erhalten."
Schließlich war er in der Saison zuvor noch Stammspieler gewesen, und im DFB-Dress ist Rüdiger unter Löw längst gesetzt. Unter Frank Lampard dagegen schaute der Innenverteidiger in die Röhre. Auf gerade mal zwei Einsätze kam er in der Liga vor dem Jahreswechsel. Wechsel zu PSG, wo Thomas Tuchel ihn unbedingt haben wollte, und in die Serie A waren zuvor geplatzt und eine Leihe zu den Tottenham Hotspur und Trainer Jose Mourinho "kam dann aber letztlich nicht infrage", wie Rüdiger verriet.
Doch wenn der Prophet nicht zum Berg kommt, dann läuft es manchmal eben doch umgekehrt: Um seinen Wunsch-Innenverteidiger endlich trainieren zu können, ließ sich Thomas Tuchel also bei PSG feuern, wartete einige Wochen auf den Rauswurf von Lampard und übernahm schließlich das Ruder beim Klub von Roman Abramovich. Gut, ganz so ist es wohl nicht gelaufen. Aber zumindest haben sich mit Tuchel und Rüdiger zwei gesucht und gefunden.
Antonio Rüdiger: Erst EURO 2020, dann Vertragsverlängerung?
Als Resultat spielt der gebürtige Berliner bislang eine bärenstarke Rückrunde und ist Kernstück einer Dreierkette, die gerade in den ersten zwei Monaten unter Tuchel kaum einen Treffer zuließ. Wobei es der Defensive zugute kommt, dass der deutsche Übungsleiter einen sehr vorsichtigen, auf Ballbesitz ausgelegten Stil spielen lässt und die Abwehrkette zumeist mit gleich mehreren defensiven Mittelfeldspielern absichert.
Ein Abschied aus London ist auf jeden Fall kein Thema mehr. Im Gegenteil: "Ich bin ein Mann meiner Worte: Nach der EM können wir reden", zeigte sich Rüdiger gesprächsbereit, seinen 2022 auslaufenden Vertrag zu verlängern. Die Europameisterschaft könnte seine Verhandlungsposition dabei noch einmal verbessern, schließlich ist er aus Löws Startelf trotz der Rückkehr von Mats HUmmels nicht wegzudenken.
Aber auch abseits des Platzes ist Rüdiger bereit, eine Führungsrolle einzunehmen. So engagiert er sich etwa öffentlich gegen Rassismus im Fußball. "Und wenn ich, so Gott will, den Pokal gewinne", schrieb er vor wenigen Tagen in der Player's Tribune, "gewinnt ihr den Pokal zusammen mit dem Jungen aus Neukölln."