Fußball ist Kommunikation. Das sagte nicht zuletzt auch Mario Gomez nach dem 3:0-Sieg über die Slowakei. Auf dem Platz wie neben dem Platz sei es wichtig, sich zu verständigen. Verbal und nonverbal.
Von Bastian Schweinsteiger war bei dieser EM noch nicht viel zu sehen oder zu hören. Die Kommunikation im und um das Nationalteam lief bisher fast gänzlich ohne ihn ab. Zumindest die für die Öffentlichkeit wahrnehmbare.
Dabei ist er doch der Kapitän.
Noch nicht auf einer PK
Es ist fragwürdig, weshalb Schweinsteiger noch bei keiner einzigen Pressekonferenz saß, die der DFB in den vergangenen Wochen in Evian abhielt. Der Spielführer ist nicht nur der Kopf der Mannschaft, er gibt ihr auch die Stimme. Oder zumindest einen Teil derer. Nicht so bislang in Frankreich.
Dabei hat Löw ihn ins deutsche Nachbarland mitgenommen, um zu führen. Schweinsteiger ist dabei, um Wille zu demonstrieren, Rückgrat zu sein und seine Erfahrung zu teilen. Nicht Wenige erwarten das auch vor den Mikros.
Schweigen gebrochen
Am Sonntagabend nach dem Achtelfinale gegen die Slowakei brach Schweinsteiger sein Schweigen. Es war das erste Mal, dass der Kapitän der deutschen Mannschaft nach einem Spiel dieser EM nicht zielstrebig und wortlos an den Aufnahmegeräten der Journalisten in der Mixed Zone vorbeilief. Er blieb stehen und sprach.
Zugegeben, Schweinsteiger machte nicht den euphorischsten Eindruck. Er war auch nicht zum Spaßen aufgelegt, sondern antwortete ganz nüchtern auf die Fragen, die ihm gestellt wurden. Ja, er traue sich einen Startelf-Einsatz zu. Nein, sein persönlicher Einsatz-Rhythmus sei bisher nicht ideal gewesen.
"Für mich ging es in erster Linie darum, hier dabei zu sein. Ich bin durchaus zufrieden, wie es bisher gelaufen ist", sagte Schweinsteiger: "Ich hoffe aber, dass wir uns als Mannschaft jetzt auch gegen einen großen Gegner beweisen können."
Erfahrung wie sonst nur Poldi
Das muss Deutschland am Samstag. Im EM-Viertelfinale wartet mit der Nationalmannschaft Italiens der deutsche Angstgegner schlechthin. Dann kann sich auch der Kapitän seiner Bedeutung für die Nationalelf nicht mehr entziehen. Beziehungsweise: Dann kann sich die Mannschaft nicht mehr seiner Bedeutung entziehen.
Seit 2004 spielt Schweinsteiger schon große Turniere für den DFB. Außer Lukas Podolski ist keiner so lange dabei. Abgesehen vom Duo erlebte auch niemand aus dem aktuellen Kader das tränenreiche Halbfinal-Aus bei der Heim-WM 2006. Der Gegner damals: Italien.
"Wir haben noch eine Rechnung offen", machte am Mittwoch Andreas Köpke klar. Das bezog sich weniger auf 2006 als auf 2012, als Deutschland wegen Mario Balotelli im EM-Halbfinale ebenfalls an der Squadra Azzurra scheiterte. Natürlich war Schweinsteiger auch damals auf dem Platz.
Vielleicht war es sogar dieses Spiel, das Schweinsteiger zu seiner gigantischen Leistung im WM-Finale in Rio antrieb. Die unendliche Motivation, nicht schon wieder mit leeren Händen dazustehen. Solch eine Einstellung braucht das DFB-Team auch im Viertelfinale am Samstag.
Auch von der Bank Großes leisten - wie Kahn
Es sind diese Spiele, für die Löw seinen lange verletzten Spielführer in den EM-Kader berufen hat. Der Bundestrainer betont immer wieder die Wichtigkeit seines Kapitäns, die anderen Spieler im Team tun es ihm nach.
Ganz gleich, wie unwahrscheinlich ein Startelf-Einsatz Schweinsteigers am Samstag auch ist, jetzt zählen seine Führungsqualitäten. Er muss und wird in diesen Tagen all seine Erfahrung einbringen.
Die Bedeutung und Brisanz der Partie spürt Deutschlands Capitano wohl wie kein Anderer in der Mannschaft. Jetzt liegt es an ihm, die Spieler auf dem Platz aus der zweiten Reihe heraus anzutreiben. Oli Kahn vor dem Elfmeterschießen gegen Argentinien 2006 - das war sinnbildlich dafür, wie ein absoluter Leader auch von der Bank Großes leisten kann.
Es ist soweit
Wie lange nicht mehr wird Schweinsteiger bei diesem Viertelfinale brennen. Sollte er Einsatzminuten erhalten, wird man das auch auf dem Platz sehen. Es ist gut möglich, dass Löw ihn für die Schlussphase wieder bringt. Zum Beispiel dann, wenn es bei einer knappen Führung darum geht, die Kompaktheit im Zentrum beizubehalten.
Noch einmal gegen Italien ausscheiden, ist für Deutschlands Nummer Sieben keine Option. Schweinsteiger will es auch persönlich noch einmal allen zeigen, nachdem er seit seinem Wechsel zu Manchester United aus Deutschland nicht mehr den ganz großen Zuspruch erhalten hat.
'Ich kann das noch' - das Italien-Spiel ist vielleicht die Möglichkeit für Schweinsteiger, das noch einmal zu beweisen.
Auch wenn er nicht darüber spricht, wartet Schweinsteiger seit EM-Beginn darauf, seine Nominierung rechtfertigen zu können. Nicht vor dem Mikro, sondern durch Taten und Gesten auf dem Platz. Sein psychologisch so wichtiger Treffer gegen die Ukraine war der erste Schritt, jetzt braucht er aber noch die Chance in einem richtigen Statementspiel. Es ist soweit.
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