13. Juli 2014: Deutschland - Argentinien 1:0 n. V.
Ganz, ganz fest drücken sich Poldi und Schweini vor den unzähligen Kameras die Hand. Beide strahlen bis über beide Ohren, kneifen die Augen zu und deuten einen Kuss an. Sie kommen sich extrem nah. "Weltmeister der Herzen" erhält in diesem Moment eine neue Bedeutung. Fast scheint es, als denken sie sich: "Was soll's? Küssen wir uns halt!" Da stehen sie mit dem wichtigsten Pokal im Weltfußball.
Während des Turniers in Brasilien ist Podolski mehr Gute-Laune-Onkel als tragende Säule. Er spielt insgesamt nur 53 Minuten. Im Finale sitzt er, wie häufig zuvor, auf der Bank. Doch er ist immer mittendrin: Podolski motiviert und hält die Mannschaft beisammen. Wie sehr er letztlich den Titel genießt, zeigen die Bilder nach Abpfiff des Finals mit seinem Sohn auf dem Rasen des Maracana. Sie treiben nicht nur Podolski selbst, sondern auch den Zuschauern Freudentränen in die Augen.
"Ich habe Basti eben auf dem Platz gesagt: 'Vor zehn Jahren sind wir zusammen mit dem Auto von der U21 zur Nationalmannschaft gefahren und jetzt stehen wir hier und haben das Ding, einfach Weltklasse. Dafür spielen wir Fußball", sagt Poldi wenig später im Weltmeister-Interview.
Logischerweise lässt sich das Team - allen voran Podolski - auch das Feiern nicht nehmen. Die übermüdeten Augen sind von einer dunklen Sonnenbrille verdeckt, als er bei der Siegesfeier auf der Berliner Fanmeile bilanziert: "Überragend! Der beste Moment in der Karriere bis jetzt."
26. Juni 2016: Deutschland - Slowakei 3:0
Die Stimmung im deutschen EM-Camp in Evian-les-Bains wirkt noch sehr emotionslos. Es ist eine Spannung zu vernehmen, die durch ein Video von Joachim Löw vom Ukraine-Spiel weiter getrübt wird: Die Medien sprechen vom Eier-Gate.
Auf dem Höhepunkt der Diskussionen, die der DFB eigentlich komplett vermeiden will, tritt Lukas Podolski aufs Podium der Pressekonferenz. "Ich glaube, 80 Prozent von euch und auch ich kraulen sich mal an den Eiern", haut er raus. Schallendes Gelächter.
Podolski drückt sich zwar nicht gendergerecht aus, kommt aber bei 100 Prozent der Anwesenden gut an. Es ist nicht das übliche PR-Geplapper, sondern echte Fußballersprache. Den großen Applaus erhält er aber auch deshalb, weil er etwas zum öffentlichen Thema macht, das zwar so gut wie jeder kennt, über das aber auch jeder betreten schweigt.
Da war er also wieder, der unnachahmliche Poldi. Ehrlich. Bodenständig. Authentisch. In diesem Satz steckt alles, was seine Persönlichkeit ausmacht.
Elf Tage später darf er dann zum letzten Mal bei einem großen Turnier ran: Unter großem Jubel wechselt Löw Podolski gegen die Slowakei ein. Wieder ist das Spiel längst entschieden. Was aber fehlt, ist die emotionale Komponente. Die bringt erst die Einwechslung. Später wird Podolski von DFB-Präsident Reinhard Grindel noch einmal für seine Verdienste im Team geehrt: "Ein Weltmeister im Teambuilding."
22. März 2017: Deutschland - England
Am Mittwoch beendet der letzte schon beim Sommermärchen beteiligte Profi seine Laufbahn im DFB-Team. Mit dann 130 Länderspielen ist Podolski zur Nummer drei in der ewigen Länderspielstatistik hinter Lothar Matthäus (150) und Miroslav Klose (137) aufgestiegen. 48 Treffer bedeuten Platz vier in der ewigen Torschützliste des Nationalteams.
In Podolski verliert die Nationalmannschaft "einen leidenschaftlichen Fußballer und riesigen Sympathieträger, der uns und den Fans im Nationaltrikot fehlen wird", fasst Oliver Bierhoff es treffend zusammen.
"Die Nationalmannschaft war für mich immer Herzenssache", betont Podolski. Wenn einem dieser Satz abgenommen werden darf, dann ihm. Denn Poldi hat ihn seit seinem Debüt als 19-jähriger Lausbub immer gelebt.
"Vom zweijährigen polnischen Jungen, der quasi nur mit einem Ball unter dem Arm nach Deutschland kam, zum Weltmeister - das ist mehr, als ich mir erträumen konnte", schrieb er zum Abschied auf Facebook: "Macht's gut! Es war mir eine Ehre! Eure Nummer 10." Nach fast 13 Jahren endet nun eine sehr spezielle DFB-Beziehung mit einem Abend, der alle berühren wird.