Nun ist Hummels ohnehin eher der Typ Spieler, der mit Antizipation und Gedankenschnelligkeit Bälle abfängt und damit Zweikämpfe gewinnt, bevor sie überhaupt entstanden sind. Doch die klärenden Aktionen sind im Vergleich zum Vorjahr deutlich gesunken. Zudem hat sein Topspeed noch einmal nachgelassen: Jerome Boateng (32.6 km/h) liegt vor ihm, Niklas Süle (34.2 km/h) distanziert ihn sogar deutlich.
Mats Hummels ist bei Bundestrainer Joachim Löw gesetzt - noch
Folgen für seine Einsatzzeit hatte das bisher nur bedingt: Bei den Bayern rotiert Niko Kovac seine drei Innenverteidiger, in den wichtigen Spielen ist Hummels aber weiter erste Wahl - sogar angeschlagen, wie man gesehen hat. Auch Löw baut weiter auf ihn: Alle drei Spiele der Nations League bestritt der Rechtsfuß über die volle Spielzeit.
Aber die Nachrücker, die Rüdigers, Ginters und Tahs, sie drängen sich auf. Es gebe für niemanden einen Freifahrtschein, betonte Oliver Bierhoff auf der Pressekonferenz am Dienstag, als es inmitten der Schulklassen auf einmal ernst wurde. Schließlich müsse man bei der Nationalelf keine langfristigen Verträge unterschreiben.
Hummels, Boateng und Süle: Innenverteidiger in der Krise
Dazu kommt: Bei den Bayern - und damit wohl auch in der DFB-Elf - profitiert Hummels davon, dass Nebenmann Boateng ebenfalls eine durchwachsene und von Verletzungen geplagte Saison spielt. Hätte der die Bestform vergangener Jahre, er wäre unangreifbar und neben Süle gesetzt.
Apropos Süle: Der hoch veranlagte dritte Mann im Bunde spielt zwar eine sehr ordentliche Saison, ist aber längst nicht neuer Chef in der Innenverteidigung, wie es zu Saisonbeginn proklamiert worden war. Dass er in vier CL-Partien nur auf 91 Minuten Spielzeit kommt und gegen den BVB sogar einen angeschlagenen Hummels nicht verdrängen konnte, ist ganz sicher kein Zeichen für eine Wachablösung.
Das hat Konsequenzen für den Bundestrainer: Wo er zu Saisonbeginn die Qual der Wahl aus drei erstklassigen Bayern-Verteidigern hatte, die in der neuen Dreierkette auch alle hätten zusammenspielen können, stehen nun ein wackelnder Hummels und ein weiter in der Warteschleife feststeckender Süle zur Verfügung. Und ein Boateng mit so großen Defiziten, dass er diesmal erst gar nicht eingeladen wurde.
Hummels' Umgang mit den Medien ist kontraproduktiv
Hummels' Freimut arbeitet nun, angesichts der sportlichen Krisen bei FCB und DFB, zunehmend gegen ihn. Er musste die Erfahrung machen, dass ihn seine Offenheit plötzlich im negativen Sinne verfolgt, fallen seine Analysen nicht deckungsgleich aus mit denen der schreibenden Zunft. Schon während der WM wollte er sich einen Maulkorb verpassen und es spricht in gewisser Weise für ihn, dass er sich nicht daran hält und weiter auf Phrasen verzichtet.
Es hilft ihm jedoch nicht, wenn er sich in Kämpfe verwickeln lässt, die er nicht gewinnen kann. Wenn er nach dem 0:3 in Holland davon spricht, dass man sich "nicht viel vorzuwerfen" hätte oder nach dem Spiel in Dortmund seine Erkältung offenbart - es geht noch nicht einmal darum, ob er recht hat. Es gibt einen feinen Unterschied zwischen "Stimmt nicht" und "Das darf man nicht sagen": Nach einer derartigen Pleite gegen einen Erzrivalen muss er Einsicht zeigen und Besserung geloben. Mehr nicht. Zynisch gesagt: So sind nun mal die Regeln.
Ebenso der Einsatz gegen seinen Ex-Klub: Wie Uli Hoeneß bereits verriet, ist Hummels nicht der Erste, der krank in ein Spitzenspiel ging und er wird auch nicht der Letzte sein. Das jedoch direkt nach Abpfiff zuzugeben, ist vollkommen kontraproduktiv: Es stellt nicht nur seine Professionalität infrage, sondern bringt auch Kovac in die Schusslinie. Für Medien und Fans ist das ein gefundenes Fressen.
Mats Hummels muss sich hinterfragen - und Leistung bringen
Hummels muss daher seinen Umgang mit den Medien hinterfragen. Er macht keinen Hehl daraus, dass er die öffentlichen Diskussionen genau verfolgt. Darauf reagiert er zunehmend dünnhäutiger, was den Kreislauf von vorn beginnen lässt. Vielleicht muss auch er sich mehr in hohle Phrasen flüchten. Oder Toni Kroos nacheifern, der seine Antworten zwar oftmals in ein unwirsches Gewand kleidet, dabei aber nur selten Schlagzeilen durch Medienkritik provoziert.
Er muss auch sich selbst hinterfragen: Wollte er gegen Dortmund unbedingt spielen, weil er wusste, dass sein Stammplatz wackelt? Weil sich eine Innenverteidiger-Kombination durch einen guten Auftritt gegen den BVB hätte festspielen können? So hat er seinem Team enorm geschadet.
Vor allem aber muss er endlich wieder die Leistung der letzten Jahre zeigen. Dann erledigen sich die meisten Probleme fast von allein.