Vor dem DFB-Pokalfinale gegen RB Leipzig spricht Freiburgs Ex-Präsident Fritz Keller bei SPOX und GOAL über die Chancen auf den ersten großen Titel, die Diskussionen um einen gemeinsamen Fanschal und die Tricks, mit denen er Christian Streich zum SC-Coach machte.
Für den SC Freiburg ist das DFB-Pokalfinale (20 Uhr im LIVETICKER) das mit Abstand größte Spiel der Vereinsgeschichte.
Bisher stehen lediglich zwei Erfolge im Landespokal Südbaden (1975 und 1978) auf der Visitenkarte sowie vier Zweitliga-Meisterschaften.
Besser machten es bislang die A-Junioren, die unter dem damaligen Trainer Christian Streich 2008 Deutscher Meister wurden und dreimal (2006, 2009, 2011) den DFB-Pokal gewannen. Und danach folgten drei weitere Cup-Triumphe (2012, 2014, 2018), so dass die Südbadener Rekord-Pokalsieger bei der U19 sind.
"Wir haben die Finals immer gewonnen", sagte Streich nach dem Halbfinalsieg beim Hamburger SV über die sechs Erfolge mit dem Nachwuchs in Berlin.
Entsprechend groß ist die Zuversicht bei den Fans der Breisgauer, von denen rund 40.000 mit in die Hauptstadt gereist sind. Einer davon ist Fritz Keller, ab 1994 im SC-Vorstand und von 2010 bis 2019 Präsident des Sportclubs.
Im Interview spricht der ehemalige DFB-Präsident auch über verschiedenen Vereinsphilosophien von Freiburg und Leipzig, die Gründe für den Erfolg und die Bedeutung von "Menschenfreund" Streich für den Klub.
Sie sind seit Jahrzehnten Anhänger und Funktionär des SC Freiburg. Welche Bedeutung hat dieses DFB-Pokalfinale in der Geschichte des Vereins?
Fritz Keller: Wir waren in meiner Zeit als Präsident des SC Freiburg einige Mal in Berlin, aber immer zum Endspiel mit unserer A-Jugend. Und dann durften wir immer vor dem Anpfiff des großen Endspiels den Pokal entgegen nehmen, und das war vor dieser Kulisse immer sehr beeindruckend. Ich habe mir wirklich immer gewünscht, einmal im Leben mit den Großen nach Berlin ins Finale zu kommen. Dass das dem Sportclub jetzt gelungen ist, ist einfach großartig.
Wo sehen Sie die Hauptgründe für den Erfolg?
Keller: Es ist auch ein Ergebnis der gesamten Arbeit im Jugendbereich, denn im Kader sind mit Christian Günther, Jonathan Schmid, Nicolas Höfler, Yannik Keitel und Nico Schlotterbeck fünf Spieler dabei, die schon mal den Pokal bei den A-Junioren geholt haben. Das zeigt, was man alles erreichen kann, wenn man langfristige Ziele verfolgt. Daher ist es eine Riesenfreude, dass wir es bis Berlin geschafft haben. Also ich freue ich mich wahnsinnig, bin aber schon auch ein bisschen nervös.
Wie sehen Sie die Chancen?
Keller: Leipzig ist schon Favorit, alleine der Etat ist dreimal so hoch wie unserer. Aber man sieht auch, was unsere Mannschaft in der vergangenen Saison mit Platz sechs und dem Finaleinzug hinbekommen hat, obwohl wir viele Ausfälle hatten. Da haben sich einige junge Spieler aus unserer zweiten Mannschaft, die in der dritten Liga auch eine überragende Saison gespielt hat, nach oben gespielt. Das ist einfach phänomenal und zeigt, dass wir von unten auch noch nachlegen können.
Die A-Junioren sind mit sechs Titeln seit 2006, die ersten drei davon unter Christian Streich, Rekord-Pokalsieger. Ist das ein gutes Omen?
Keller: Ja, natürlich. Man kann das mit so einem Spiel jetzt natürlich nicht vergleichen, aber ich bin sehr zuversichtlich. Wenn die Freiburger mit Geduld spielen, abwarten und nicht so wie in den letzten Bundesligaspielen zu schnell zu viel wollen, dann haben wir große Chancen.
Sie haben Streich vor mehr als zehn Jahren zum Freiburger Chefcoach gemacht. Welche Bedeutung hat er für den Erfolg und den Verein generell?
Keller: Ich kenne ihn schon, seit er beim Sportclub als Jugendtrainer eingestiegen ist. Er hat 2011 mein Angebot, ihn zum Cheftrainer zu machen, zunächst abgelehnt. Einerseits aus reiner Bescheidenheit, auf der anderen Seite weil er nur mit Fußball zu tun haben wollte und nicht mit dem drumherum in der Bundesliga. Deshalb bin ich froh und dankbar, dass er den Posten dann doch übernommen hat. Denn was Christian Streich auszeichnet, ist, dass er ganz selten an sich denkt, aber immer an den Klub und die einzelnen Spieler. Und er ist im Herzen immer noch ein Ausbildungstrainer, der jedem einzelnen Spieler weiterhilft, den nächsten Schritt zu machen und jedem immer die Wahrheit ins Gesicht sagt. Er ist einfach ein Trainer, der nicht nur von Spiel zu Spiel denkt, sondern in Generationen. Und das ist für einen kleinen Klub wie den SC Freiburg entscheidend.
Klemens Hartenbach hat im Interview mit SPOX und GOALverraten, dass Sie damals Streich überredet haben, in dem Sie die anderen Kandidaten genannt haben und er es dann doch lieber selbst machen wollte...
Keller: Ja, das war ehrlicherweise eine kleine Erpressung von mir. Zumal ich dann noch gesagt habe: Jeder Trainer bringt ja sein eigenes Team mit und jetzt musst Du zu Deinen Kollegen gehen und Ihnen sagen, dass sie auch gehen müssen, weil Du den Job nicht annimmst. Denn ich wusste, dass er das nicht übers Herz bekommt.
Also wussten Sie von Anfang an, dass er der Richtige ist?
Keller: Ja, natürlich. Weil ich ihn als Jugendtrainer beobachtet habe und vor allem seine Führung der jungen Spieler gesehen habe. Er ist nicht nur ein Pädagoge, sondern auch ein Menschenfreund. Wenn du ein Team führen willst, ob im Fußball oder in der Firma, musst du ein Menschenfreund sein und die Menschen in der richtigen Dosierung fordern und fördern. Und da ist er der perfekte Mann.
Zurück zum Spiel: Es gab vorher Diskussionen, weil der Sportclub einen gemeinsamen Fanschal mit RB Leipzig abgelehnt hat. Wie sehen Sie das?
Keller: Der SC hat die Fans gefragt, ob Interesse an den gemeinsamen Schals besteht. Und wenn niemand diese Schals kaufen will, dann macht man es halt nicht. Ich finde, man muss auch nicht aus allem Geld machen und es ist jedem selbst überlassen, ob er so etwas macht. Die Leipziger können ja einen eigenen Finalschal verkaufen. Deshalb habe ich vollstes Verständnis für die Entscheidung und finde die Diskussionen ein bisschen Kindergarten.
Die Debatte hat sich ja auch daran entzündet, dass mit Freiburg und Leipzig zwei völlig verschiedene Vereinsphilosophien aufeinander treffen...
Keller: Sicherlich. Der SC Freiburg ist einer der ganz wenigen Vereine, bei dem nicht 50+1, sondern 100+0 gilt. So lange man nicht über seine Verhältnisse lebt und an die Zukunft denkt, etwa mit dem neuen Stadion, brauche ich auch kein Geld von irgendjemanden von außen, der mir dann sagen will, welchen Spieler ich kaufen oder verkaufen soll. Aber ich ziehe trotzdem den Hut vor Leipzig. Es gibt viele Vereine, die Geld verbraten haben und es ist nichts dabei herausgekommen. RB hat mit seinen Mitteln das Beste herausgeholt. Und ich freue mich auch für die Fans in Ostdeutschland, die durch RB großartigen Fußball sehen können. Schließlich ist der Westen nach der Wiedervereinigung nicht immer ganz sauber mit den Klubs aus der damaligen DDR umgegangen.